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clasjazEin sehr feiner bft, mit viel Witz, den ich wunderbar gefügt finde, sodass ich Sommer und Herbst oft kaum zu unterscheiden weiß.
vielen dank für das kompliment und dass du dich so früh schon einschaltest mit deinen wie immer tollen kommentaren!
clasjaz
Nr. 1Welcher Spaß ist denn das? Das Lachen am Ende hört sich an, als ob sich einige Krümelmonster herzlich amüsieren, dabei aber übereinander herfallen, was sie vielleicht auch zuvor, nicht ohne Erfolg, versucht haben. Operette in Jazz.
ja, das ist immer so eine sache, wie tolerant diese extrem perfektionistisch arbeitenden orchester gegenüber fehlern sind. aber die skurrilität dieser herren hier und ihres spielleiters sind meistens einen extrahinweis wert.
clasjazNr. 2
Das knüpft herrlich an … Was ist das, doch kein Vibraphon? Oder liegt der Klang auf den Punkt an besonderen Klöppeln und dem, der sie in Händen hält? Gefällt mir ausnehmend! Das Thema kenne ich irgendwo her, aber woher bloß? Könnte auch Filmszenen wie die zwischen Inspector Clouseau und seinem Sparringpartner begleiten, zumindest am Anfang, wenn man geplant-ungeplant die eigene Wohnung zum zu erwartenden Gefecht betritt. Die Rhythmiker machen ihr Ding sehr gut, das Klavier hat den Spin (da ist der Bass etwas freundlicher engagiert), obwohl es ein bisschen mehr die Töne auseinanderhalten könnte; das aber nur mit Blick auf das Hauptinstrument gesagt. Der Bläserschluss passt sehr, macht mich zugleich aber völlig ratlos, woher das alles tatsächlich kommt.
das ist eine marimba und ob dieser herr darauf einen besonderen klang erzeugen kann, weiß ich leider nicht – gypsy aber vielleicht, der mehr von ihm kennt. das thema ist bekannt, aber nicht aus filmen. war clouseau eigentlich raucher? von diesem klavier zu verlangen, seine töne mehr auseinanderzunehmen, hätte ihm wahrscheinlich das besondere und den exponierten platz genommen, auf den es sich später in der jazzgeschichte gesetzt hat. aber umstritten war das wohl immer.
clasjazNr. 3
Andrew Hill mit lateinamerikanischem Bäumen. Ja, ich höre da tatsächlich als Erstes die Repititionen von Hill, nachts in der Bar, wenn man sich sagt: »Wir machen das jetzt einfach mal«; dazu passt auch, was den Aufbau angeht, dass das Klavier gleich nach der Exposition ein Solo spielt – aber Hill ist das gewiss nicht, dazu ist das Klavier viel zu nah bei dem von Nr. 2. Aber ich schätze das natürlich, auch wenn da ein kleiner Sportfanclub herumsingt. Kann ich heute aber etwas abgewinnen, mag die Sonne sein.
ja, ein paar sportfreunde in der sonne. andrew hill und auch die anderen pianisten auf seinem ersten label haben die hier wahrcheinlich rauf und runter gehört. aber ich kann da nur mutmaßen. könnte sich clouseau nicht auch hierhin verirrt haben?
clasjaz
Nr. 4Also gut! Da haben einige Leute aber alle Hände konzentriert bei sich und den anderen, der Gitarrist ist hier Leader im eminenten Sinn, es sei denn, der grandiose Tenorsaxophonist hat ihr einen Freund gefunden, mit dem er unbedingt einmal etwas machen wollte. Diese Überblasungen, wenn auch nicht übertrieben, sondern hoch konzentriert, mag ich mir noch etliche Male anhören, denn das doch größere Ensemble stört mich gar nicht. Schade, das Fading.
ich bin mir ziemlich sicher, dass der gitarrist und der tenorist ganz dicke freunde waren und vielleicht noch sind. hier waren sie jedenfalls an einem frühen stadium, überhaupt und miteinander. aber de gitarrist ist wirklich der leader, er hat sogar auf dem album vermerkt, dass es „nach ideen von“ ihm entstanden ist (was wohl über „kompositionen“ hinaus gehen sollte). arrangiert hat allerdings ein anderer.
clasjazNr. 5
Auch nachts in der Bar. Weichere Gitarre, aber das wird harte Absicht sein, zumal wegen der Orgel. Ich korrigiere mich sogleich: das könnte genauso gut nachmittags in einem ordentlichen Feld herumlungernd gespielt sein, so um 70 herum, als die Nacht zum Tag werden sollte.
weiche gitarre, harte absicht – sehr schön! und wohl treffender als das lungern. gypsy hat sich nicht beirren lassen und ist ihm schon auf den fersen.
clasjazNr. 6
Sophisticated. Das ist an der Flöte wohl nicht Baker, aber so etwas ähnliches gab es mal mit »Live at Capolinea«, so ähnlich, weil da viel Raum und Stimme gegeben wurde, in die die Trompete einfach nur eintrat. Rätselhaft.
schon wieder ein baker-hinweis, der mich unvorbereitet trifft. hier sind aber alle sehr zusammen und ziehen am gleichen strang, denke ich. das flötensolo ist ein bisschen obligatorisch und vielleicht sogar überflüssig. aber vielleicht nur, wenn man weiß, dass der tenorist hier ganz schnell wechselt.
clasjazNr. 7
»The birds are flying high in the sky« – Jean-Pierre Léaud im Sprachtest bei Truffaut, das stellte sich gerade irgendwie ein. Das Klavier wieder hillsome, mit den gleichen einfachen Dingen aber wie Nr.-2-Pianist. Die Sängerin phantastisch, das ganze Arrangement auch. Ich habe keine Ahnung, warum ich mich zu der Frage versteige: aber das ist eine weiße Dame aus New York?
ein zusammentreffen dieses pianisten hier mit hill stelle ich mir gerade vor. ob die sich was zu sagen gehabt hätten? ob sie überhaupt die gleiche sprache zur verfügung hatten? das wäre mal eine rechercheaufgabe für redbeans und gypsy, ob da einer mal über den anderen in einem blindfoldtest geredet hat. die sängerin ist, von den beiden fotos her, die ich kenne, in ihrer herkunft undefinierbar, etwas afroamerikanisches ist aber dabei. new york stimmt, was die aufnahme angeht. in chicago hat sie allerdings wohl gelebt, in evanston geboren und aufgewachsen. „she sure can sing“, wird der bassist in den liner notes zitiert, als müsse das nochmal betont werden.
clasjazNr. 8
So könnte ein Don Pullen in einen Song einsteigen, aber das ist nicht sein Klavierklang. Auch rätselhaft; das Schlagzeug einnehmend. Sehr pullenhaft wieder das kleine Zwiegespräch mit dem Bassisten, ganz ruhig aber sehr konzentriert.
ich glaube, das trio hat sehr viel geprobt und miteinander gesprochen. auch spätere trios unter dieser leitung waren ein muster an eingespieltheit und zwiegesprächigkeit. vielleicht kommt daher der pullen-eindruck: hier wird nichts mehr gesucht, hier wurde schon alles gefunden und muss nur noch in die welt.
clasjazNr. 9
Eine sanfte Hymne, so beginnt es, die dann aber irgendwann auf sich selbst keine Lust mehr hat und Überlegungen der Weiterführung anstellt, ohne ihren Anfang zu vergessen. Und sich verdammt bewusst wird, dass manchmal zumindst ein Duo hilft für die Absichten. Achte ich sehr, fände aber fast, so im Kopf, eine Violine besser hierfür, aber eher keine Jazz-Violine, gut, ein paar gäbe es.
das ist ein zwischenspiel und greift vielleicht deshalb was auf, leitet über und bereitet vor. wobei vorher keine lyrik war und nachher kein bop. ich finde den weg, den dieses instrument in diesem stück zurücklegt, sehr richtig und mit großer zwangsläufigkeit entwickelt. ein im stillen schillernder musiker ist das, der etwas abgeschieden mit sehr vielen farben malt.
clasjazNr. 10
Ein Wiederaufgreifen von Nr. 2, diesen Tonideen, aber sehr viel mehr unter dem Abendmond, unter dem die Leute eher belanglos herumgehen – ich meine nicht die Musiker, sondern die Lustlosigkeit, von der sie reden. Da ist auch etwas Schwüles, Erschöpftes, das immerhin weit besser ist als Miles Davis mit Cindy Lauper.
schwül und erschöpft trifft es ziemlich gut, glaube ich. wobei ich die hauptstimme hier nie wirklich fassen konnte und nie wusste, ob das spiel oder heiliger ernst ist. aber verschroben sind (waren) die beiden anderen auch.
clasjazNr. 11
Rimski-Korsakovs »Hummelflug« in einer freien Bearbeitung. Ein Herumschwirren auf dem immerselben Material, aber großartig, besonders der Drummer. Und die Trompete, die sich von allem etwas herholt, was es so gibt, es einwirft, wie sich selbst zum Spaß: »Sollen doch die anderen sehen, wie sie damit klarkommen.« Aber da gab es wohl kein Problem.
genau so höre ich das auch. außerdem ist das noch mal eben schnell, on the road, eingespielt worden. da war keine zeit für langes konzeptualisieren.
clasjazNr. 12
Eine Pause … Bei Nummer 10 hatte ich die beiden Hübschen ja genannt, das hier ist aber so schwül, dass mich der Vergleich oben nicht zurückstehen lässt. Oh weia. Religiöse Musik, die sich durch den Tontechniker gefunden hat. Wenn ich mich bei so etwas zurücklehnen würde, möchte ich am Ende doch übelgelaunt aufwachen. Die paar Schrägheiten am Ende sind wie Futter, das nicht schmeckt.
gut. diesen dissenz hatte ich erwartet und lasse ich mal so stehen. die schönheit dieses tons taucht allerdings bei jedem tontechniker und unter jeglichem materialwust klar hervor. und wie meinst du das mit der religiosität?
clasjazNr. 13
Wenn Sidsel Endresen nicht auf anderem Weg weitergegangen wäre, sondern zurück zu Traditionellem, dann könnte sie das sogar sein – was den Stil betrifft, nicht die Stimme. Großartiges Lied, großartige Stimmen, wenn auch nicht zu groß, aber das ist eine Petitesse, die in sich stimmt.
schön, das zu lesen. diese ab-und-zu-härte hätte endresen wohl nicht gefunden, aber der sinn für raum ist schon vergleichbar. und sie teilen natürlich eine weitere große gemeinsamkeit (und zwar nicht die haarfarbe).
clasjazNr. 14
Mein liebstes Stück hier. Alle Sentimenalitäten, die sich immer wieder wie in den vorigen Stücken einschleichen, werden hier einfach ausgespielt, ohne Hinterhalt. Ich kenne in der Weise nur Lateef. Das ist Musik, die von unten kommt, aber einfach unter der Sonne spielt.
noch schöner, das zu lesen! als sentimentaler musiker ist der hier gar nicht bekannt, aber ich höre das ganz genau so. das ist in meiner theorie eben das, was vom jazz in dieser zeit übrig blieb, als alle sich anderen tönen zuwandten und die clubs und die meisten studios sich diesen beiträgen nicht mehr öffnen wollten. man spielt ein bisschen trarig weiter, (fast) allein und im dunkeln – und landet in ganz einfacher schönheit und niemand kriegt es mit.
clasjazNr. 15
Gute Fügung, einmal mehr; wenn man schon unter der Sonne spielt, dann warum nicht mit mehreren Leuten? Aber im Unterschied zu Nr. 14 zu sehr »beabsichtigt«, ich kann das gerade aber nicht recht genauer sagen, da muss ich noch einmal hinterhören. Denn da sind sehr bewusste Leute am Werk, scheint mir doch.
Nr. 16
ja, sehr bewusst und unter ganz anderen bedingungen. es fehlt vielleicht die us-amerikanische härte der 70er und 80er, aber die verlorenheit ist auch nicht ganz wegzuhören. schön, wenn sich drei darin finden. (meistens ist noch ein vierter dabei, dann wird es allerdings spaßiger).
clasjaz
Bei so etwas höre ich Barre Phillips und überlege aber doch die ganze Zeit, ob das nicht eine Hommage von Jarrett an Peackock sei, die dieser sich aber selbst geschrieben hat, und außerdem, ob Bley da nicht ein bisschen mehr, wenn auch für diesmal nicht viel, hineingebracht hätte. Wahrscheinlich ist das aber alles ein Holzweg mit diesen Namen. Feine pièce, besonders am Ende denke ich aber nicht mehr an Jarrett. Auch wenn da, verleitend, ein Gestöhnchen zu hören ist. Bin gespannt, wer dort spielt.
das ist ein bisschen das problem bei diesen raumfüllenden melodramatikern wir bley und jarrett, dass neben ihnen niemand mehr nach rechts und links hört. natürlich gibt es (woanders) berührungspunkte, zumindest in der begleitung. aber hier nicht. holzweg, eindeutig. der hier stöhnt anders.
clasjazNr. 17
Auch das fügt sich, die Stücke betreffend, wunderbar, aber dieses Anfangsklimpergetöne muss ich erst einmal in die Ohren bekommen, entschuldige. Und das, was folgt, auch. Eine andere Art des Spiels auf den freien Feldern. Das ist Musik, die mein Ohr zwar erreicht, aber nicht mein Herz. Wer da auf den Kanzeln steht, interessiert mich aber sehr. Und welches Thema sie da eigentlich verwursteln.
verstehe ich alles sehr gut. ich höre das eher als sound, weniger als erzählung. die entwicklungen sind doch nicht allzu komplex. das zusammenspiel finde ich auch nicht so besonders – der bass geht mir oft zu sehr einen engeübten weg. aber im klang finden sie was & zusammen.
clasjazNr. 18
Hitparade! Entschuldige, das könnte ich wohl erst reichlich abgesondert mit Schmunzeln hören. Die Bläser sind allerdings toll.
hitparade war wohl das ziel, hat aber überhaupt nicht geklappt. stattdessen fristen sie ihr langes leben in den plattenkisten heutiger djs (da habe ich es her). die bläser sind toll? naja.
danke fürs mitmachen und gerne weiter so!
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