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Sehr interessante Bootleg-Folge. Zusammen mit ASP ergeben „Self Portrait“, „New Morning“ und „Dylan“ jetzt für mich sehr viel Sinn – das Quartett dokumentiert eine Phase, in der Dylan sich als „Musiker“ (ich verstehe das Wort als ausdrücklichen Gegensatz zu Begriffen wie „Legende“, „Sprachrohr“ etc) seiner selbst vergewisserte, einen Standort suchte, einerseits seinen Wurzelgrund durchforstete (toll, wie er hier und dort singt, als wolle er sich um einen Job bei den Stanley Brothers bewerben) und andererseits arrangementtechnisch experimentierte (oder experimentieren ließ), um auszuloten, was für ihn trägt und was nicht. Das ist alles unheimlich spannend, weil oft so tastend, ins Ungewisse hinausgreifend, von Selbstzweifeln durchklungen – ganz im Gegensatz zu den Mittsechziger-Platten, die klingen, als habe da einer traumwandlerisch sicher einfach nichts falsch machen können. Ein Musiker, der seine Handwerkskompetenzen schult, seine Ausdrucksmittel überprüft, seine Skills als Song & Dance Man durchcheckt, sich nicht als den Großen, Einzelnen, Inkommensurablen, Unantastbaren zelebriert, sondern eher bescheiden einordnet in die vielschichtige Americana-Tradition, in das Tun und Treiben seiner Vorgänger und auch Zeitgenossen (man denke an Simons Boxer): ziemlich faszinierend, eine Art klingender Werkstattbericht.
Ob damals das offizielle Self Portrait wirklich als Abschreckungsdokument gedacht war? Ich habe da meine Zweifel. Dylans eigene nachträgliche Erklärungsbehauptungen in den Chronicles kommen mir nicht ganz glaubhaft vor. Mag sein, dass damals tatsächlich eine gewisse „Fresst das“-Rotzigkeit eine Rolle gespielt habt – aber womöglich auch ein gehöriges Maß Verunsicherung über die eigenen Ziele, Perspektiven, Möglichkeiten. Self Portrait fand ich schon immer toll, allerdings in seiner schrägen Kombination von Wurschtigem, Herrlichem, Ulkigem, Berührendem und Misslungenem auch recht rätselhaft. Jetzt, wenn ich es im Geiste mit dem ASP zusammen höre, glaube ich es besser verstehen zu können.
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