Startseite › Foren › Die Tonträger: Aktuell und Antiquariat › Replays: Neuauflagen, Deluxe- und erweiterte Editionen › Bob Dylan – Bootleg Series Vol 10: Another Self Portrait (1969-1971) › Re: Bob Dylan – Bootleg Series Vol 10: Another Self Portrait (1969-1971)
pinchZynismus dem Publikum gegenüber. Das kann man nicht leugnen.
Oben stellst du den Zynismus aber mit Selbstverachtung in einen etwas unglücklichen Zusammenhang. Zynismus gegenüber den Publikum – da stimme ich sofort zu.
Das ist jetzt fast gar nicht mehr vorhanden und es wird deutlich, dass Dylan da seinerzeit im Studio bewusst geschraubt und gedreht hat und abgeschmackte Overdubs etc. auf die schon fertigen Stücke gelegt hat, um dadurch zu verstören, verschrecken undsoweiter. Selbstverständlich wollte Dylan damit auch für sich einen Cut vornehmen, den hofierten Protest-Dylan begraben, den man immer noch in ihm sah und hörte.
Dieses Argument lese ich häufig, aber ich bin mir nicht sicher, ob wirklich viele Leute den „Protest-Dylan“ wiederwollten. Vergessen wir nicht, dass die letzten beiden Dylan Alben John Wesley Harding und Nashville Skyline waren. Vielleicht wollten die Leute einfach nur ein gutes Album.
Aber die auf „Self Portrait“ veröffentlichten Versionen bspw. von „Like A Rolling Stone“ zeigen auch eine sehr desktruktive, selbstverachtende Facette dem eigenen Werke gegenüber. Sozusagen das Verdreschen des eigenen Talents.
Nach einem ersten teilweisen Durchlauf des Konzerts habe ich eine andere Vermutung: Dylan fehlte nach mehrjähriger Abstinenz schlichtweg die Bühnenroutine.
Ähnlich ja auch „The Boxer“ mit dem berüchtigten „self“-Duett. Du benennst es doch recht deutlich: „Another Self Portrait (ist) ein Self Portrait ohne Selbstsabotage“.
Ja und sicher enthält es nicht einen Abgrund wie The Boxer, was Another Self Portrait sofort genießbarer macht. Aber „überragend“?
Und die Box zeigt außerdem deutlich, dass Dylan sehr wohl bei der Sache war. Er erlaubt sich Feinheiten, Freiheiten, greift auf Traditionals zurück, die (wahrscheinlich) seine Ursprünge definieren und geht mit dem Material einfühlsam und konzentriert um. Okay, dass ihm die „Country“-Stimme bei der Isle Of Wight-Aufnahme öfter mal abhanden kommt, das ist mir auch aufgefallen (danke „AutoRip“ kommt man auch als Vinylkäufer in den Genuss des Konzertes und es entgeht einem somit nichts), das heißt aber noch lange nicht, dass Bob Dylan deshalb vermutlich geistesabwesend war.
Ich schrieb nichts von „Geistesabwesenheit“, so weit möchte ich auch nicht gehen. Vielleicht war er einfach nur nicht 100% fokussiert. Es gibt Takes, auf denen das alles passiert, was du beschreibst. Und dann gibt es andere, da wirkt er schlicht desinteressiert.
--
Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.