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Die elf Songs von «Sing to the Moon» sind elaborierte Popkunstwerke, die mit gestopften Trompeten den Cool Jazz von Miles Davis zitieren, mit der Harfe die Barockmusik eines Henry Purcell oder mit den dissonant aufplatzenden Eröffnungsakkorden von «Make Me Lovely» die französische Klassik des frühen 20. Jahrhunderts (genauer: «Golliwogg’s Cake Walk» von Claude Debussy). Das sei ihre Art, «aggressiv und punky» zu klingen, entgegnet Mvula nur ein bisschen indigniert auf die Frage, ob sie nicht die Lust verspüre, ihre kontrollierte, bis ins Detail durcharrangierte Musik gelegentlich auch zu attackieren.
Tatsächlich klingt «Sing to the Moon» da und dort noch ein bisschen kunstgewerblich, und wer sich das Album erschliessen will, beginnt besser nicht vorne, bei seinen ersten beiden Liedern. Sondern mit «Green Garden», seinen tief grabenden Kontrabässen und zischenden Chants. Oder mit «Can’t Live with the World», dem ersten Meisterstück des Albums, einem Hymnus über das Gewicht der Welt auf den Schultern des Menschen. An einem Harfenmotiv ziehen in der Ferne pietätvoll die Bläsergruppen vorbei, die synthetisch schwebenden Chöre und einmal auch eine Streicherverwehung wie aus der Disneywerkstatt.
Und die Mvula singt langsam, gemessen, setzt jede Silbe auf ihren Punkt. So ringt sie der Last, von der sie singt, ihren Stolz ab, sogar eine Art von Frieden. Sie ist keine dramatische Sängerin, und sie braucht kaum Koloraturen. Ihren Ruf nach Liebe setzt sie in «Is There Anybody out There?» in einer dunklen Basskammer aus. Dazu zischen leise, dubbige Echos, ein Glockenspiel lockt. Doch der Gesang folgt ihm nicht, dieser schwer atmende Talking Blues. In keinem Moment erinnert «Sing to the Moon» mehr an Nina Simone als hier. Auch diese vielleicht grösste amerikanische Sängerin neben Billie Holiday und Aretha Franklin spielte als klassisch ausgebildete Pianistin eine Musik aus Soul, Pop, Gospel und Jazz. Aber es ist diese Art zu phrasieren; diese Art, auf dem Gewicht jedes einzelnen Wortes zu bestehen, die Vergleiche rechtfertigt.
Die Rezension aus der gestrigen Ausgabe des Tagesanzeigers ist auch online nachzulesen:
http://www.tagesanzeiger.ch/kultur/pop-und-jazz/Aus-der-Kirche-in-den-Pophimmel/story/12392555
(Wundervoll der Satz, den sie über Nina Simone sagt: „Die meisten Künstler seien wie Tropfen, sagt sie, und das sei ja völlig in Ordnung. Aber Nina Simone sei wie das Meer. „)
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