Re: Public Image Ltd.

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Ich spüle diesen Thread mal nach oben.

Eigentlich passt es nicht zu meiner musikalischen Sozialisation in den späten 70ern / frühen 80er Jahren, aber ich habe heute (echt!) zum ersten mal überhaupt Metal Box/Second Edition und The Flowers Of Romance gehört.

Von ersterer bin ich slightly enttäuscht – gemessen an den Wunderdingen, denen man diesem Album gemeinhin nachsagt. Etwas konturloses Gedaddel, wenn man mich fragt. Ich respektiere die es-wird-schon-schief-gehen-und-überhaupt: was-haben-wir-eigentlich-zu-verlieren Attitüde, die dahintersteht, aber das Ergebnis ist etwas dürftig.

The Flowers Of Romance ist schon ein ganz anderer Schnack. Reduzierter und viel entschiedener. Vom von mir eigentlich geschätzten Bassisten Jah Whobble hatte man sich da getrennt und machte in reduzierter Besetzung weiter. Von Songstrukturen ist da gar nichts mehr zu hören, eigentlich auch nichts mehr von der üblichen Aufgabenverteilung von rhythm group, Begleitung, Gesang blabla. Aber das verdichtet sich in anderer Weise, in prägnanten drum patterns und dub sounds aus und in verschiedenen Richtungen über die John Lydons ätzende Stimme liegt. Ich kann mich vage erinnern, zumindest Four Enclosed Walls vor mehr als dreißig Jahren mal gehört zu haben (bei John Peel auf BFBS) und der hämmernde drum beat und John Lydons schneidender Gesang sind mir seitdem immer noch im Ohr.

Ziemlich gut, soweit ich das nach einmaligen Anhören beurteilen kann.

Dennoch oder gerade deswegen habe ich danach erstmal Can aufgelegt. Ich glaube, John Lydon hat mit PIL nicht zuletzt versucht, Can zu imitieren. Die Lust an der Improvisation und des Unvorhersehbaren (Unvorherhörbarem?) und Ungehörtem, an der ungewöhnlichen Instrumentierung und den fiesen sounds, der Monotonie, der musique concrete, den Manipulationen im Studio, am Krach – das meine ich sowohl bei PIL als auch bei Can zu hören. In ihren besten Momenten scheinen PIL da nah an Can zu sein. Gut – das ist eine Zuschreibung meinerseits und soll auch keine Wertung sein. Fiel aber mir auf. Spricht das für Can? Für PIL? Ich glaube für beide!

Eigenartig, dass genialen Dilettanten von PIL einerseits und die akademisch geschulten Can andererseits zu erstaunlich ähnlichen Ergebnissen kamen.

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)