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Entweder irrst Du, oder Du hast beim Cover einen Missgriff getan … ich hole das mal aus dem Hör-Thread hier rüber, einen Farmer-Thread haben wir nicht, obwohl mich dünkt, dass wir schon einiges über ihn geschrieben haben (vor allem ich, so sehr wie ich liebt ihn hier wohl keiner):
gypsy tail wind
Das zweite Album enthält Studio-Aufnahmen von 1967 mit Fake-Applaus … das echte Live-Album hat Mosaic 2007 aufgelegt (drei der acht Stücke) waren auf einer Doppel-CD erschienen, der Rest ist sonst nirgends zu finden. Mal schauen, ob ich dahin überhaupt noch komme, wohl erst morgen … jetzt die hübschen aber nebensächlichen Barock-Stücke – nunja, nicht ganz oder? Bach, Chopin, Albeniz, zudem John Lewis‘ „Little David’s Fugue“, Sonny Rollins‘ „Alfie’s Theme“ und zum Abschluss „Rhythm of Life“ von Cy Coleman/Dorothy Fields). Ein seltsames Ding. Arrangiert hat Benny Golson, es gibt viele Bläser, keine Streicher, aber eine Harfe, die quasi eine Gitarrenrolle übernimmt, und Perkussionist Phil Krauss spielt die ganzen Klimperkästen (Cembalo, Celesta, Marimba und Vibraphon). Schlecht ist das alles nicht, manchmal klingt es gar nicht so weit weg von manchen Miles/Gil Evans-Stücken, aber das Geklimper, die oft etwas einfachen Melodien … so richtig passt das alles am Ende für mich nicht zusammen … und wenn das Albeniz-Stück dann als eine Art Calypso-Romp aufgezogen wird, ist irgendwie alles etwas zuviel für mich. Aber ganz unabhängig von der ganzen Melange: Farmers Trompetenspiel ist gut.
gypsy tail wind
Lustigerweise gibt es von dieser CD, die ich gestern erhielt, eine direkte Verbindung zu meinem laufenden BFT … am 18. August 1966 trat Art Farmer mit seinem Quintett in der Konzertreihe „Jazz in the Garden“ auf, die damals – in der warmen Jahreshälfte – jeden Donnerstagabend im Skulpturengarten des Museum of Modern Art in New York stattfand. Die Konzerte dauerten ca. eine Stude, der bekannteste Mitschnitt dürfte jener von Teddy Charles mit Booker Little und Booker Ervin sein, von dem es leider bis heute keine wirklich gute Ausgabe gibt, auch von Milt Jackson gibt es einen Mitschnitt aus dem MOMA).
Farmer hatte sein neues Quintett mit Jimmy Heath, Albert Dailey, Walter Booker und Mickey Roker erstmals im Februar des Jahres im Half Note präsentiert, ist dort in den kommenden Wochen immer wieder aufgetreten, auch in der Woche, als das Konzert im MOMA stattfand. Er war ganz neu bei Columbia unter Vertrag und die Live-Aufnahme war das erste Aufnahmeprojekt.
Zum Auftakt ist Ferde Grofes „On the Trail“ zu hören (das Jimmy Heath 1964 auf seinem gleichnamigen Album in den Jazz geholt hatte … Walter Booker spielte wenig später auf Donald Byrds Version, Mickey Roker auf der von Shirley Scott), dann folgen v.a. Originals, zwei von Heath (das Titelstück, das 1966/67 auch von Harolv Vick, Junior Mance und Milt Jackson aufgenommen wurde, sowie „Far Away Lands“, das Hank Mobley 1967 für eine erst 1985 erschienene Blue Note-Aufnahme einspielte, Heath nahm es 1973 auf „Love and Understanding“ auf), eines von Dailey („Dailey Bread“), Kenny Dorhams „Blue Bossa“ (dem hatten damals noch nicht Millionen von Schülerbands den Garaus gemacht, erst Gloria Coleman hatte es vor Farmer eingespielt), ein Stück von Duke Pearson („Is That So?“ – Mickey Roker spielte auf beiden Pearson-Aufnamen Schlagzeug, Lee Morgan nahm es für „The Rajah“ auf, das auch erst 1985 erschien) sowie „The Shadow of Your Smile“, das schöne Thema aus dem Film „The Sandpiper“.
Aber schon einen Monat nach dem Konzert begann Farmer im Studio die Arbeit an „Baroque Sketches“ und der Live-Mitschnitt wurde beiseite gelegt. Am 8. Februar 1967 nahm das Quintett dann erneut für Columbia auf, inzwischen war Cedar Walton an die Stelle von Dailey getreten. Sieben Stücke wurden aufgenommen, vier neue („One for Juan“ von Heath, „Nino’s Scene“ von Sergio Mihanovich, „Short Cake“ von J.J. Johnson, „Make Someone Happy“ von Styne/Green/Comden) sowie drei, die schon Teil des Konzertes waren („On the Trail“, „“The Shadow of Your Smile“ und das Titelstück). Diese Aufnahme wurde dann mit Fake-Applaus versehen und erschien als Live-Ausnahme aus dem MOMA.
Die Band löste sich 1968 auf, Farmer ging nach Wien, wo er bis zu seiem Tod 1999 leben sollte. Die Live-Aufnahmen zeigen die Gruppe lebendiger, leidenschaftlicher, die Stücke sind deutlich länger („On the Trail“ z.B 10:00 statt 2:31) und Heath scheint Farmer mit seinem brennenden Spiel anzustecken, der Trompeter soliert für seine Verhältnisse sehr extrovertiert.
Die Diskographien gaben allerdings immer das korrekte Februar-Datum an und daher war schon früh klar, dass da etwas nicht stimmen konnte – im Winter fanden im Garden des MOMA nämlich keine Konzerte statt. 1982 wurde eine Doppel-LP mit dem Album aufgelegt, dabei kamen zum ersten Mal drei der Live-Stücke zum Vorschein, „Dailey Bread“, „Blue Bossa“ und „Is That So?“, die Studio-Aufnahmen hatten noch immer den angepappten Applaus dabei. Mosaic hat 2007 die obige CD herausgebracht, in der leider schon wieder eingestellten Singles-Serie. Sie enthält das komplette Konzert in der korrekten Reihenfolge und wurde von den Master Tapes (three-track) neu abgemischt.
gypsy tail windAber „Jesu, meine Freude“ geht gar nicht, das muss ich doch noch festhalten, zwischendurch. Könnte man schon machen, aber nicht in diesem viel zu raschen Tempo und mit der zu monotonen Begleitung. Fürs Solo von Farmer gibt’s denn auch einen anderen Rahmen, davor quasi einen full stop, seltsam.
Und – wie könnte es auch anders sein – der Fake-Applaus ist auf der Collectables-CD auch noch drauf. Sie erschien 2001, keine Ahnung, wann sich da diskographisch alles klärte, wie oben erwähnt war der Fake-Applaus ja auch auf dem Vinyl-Reissue, das erstmals drei echte Live-Tracks enthielt, noch da. Die Band wirkt hier tighter, die Rhythmusgruppe kontrolliert viel mehr, was zugelassen ist und was nicht, irgendwie geht das alles in eine etwas zeittypische Richtung, etwas Boogaloo, boomy Bass-Sound, kurze Soli … wie Freddie Hubbard auf Atlantic, nur dass hier nicht gedreckelt wird wie bei Hubbard (war mir für die Art von Produktion wohl lieber, allerdings darf man bei Columbia etwas mehr Musik machen und muss nicht fast ununterbrochen auf die Tanzfläche und die Jukebox schielen).
Aber die echte Live-CD ist deutlich besser. Und der Applaus kommt auch mitten in den Stücken, nach den Soli – idiotisch! Beim Titelstück gibt einen raschen Fade-Out, völlig unvermittelt, der wird dann einfach rasch in noch lauterem Applaus ertränkt. Der Produzent gehört auf den Mond geschossen (ich nehme mal an, es war Teo Macero … er hatte jedenfalls im Vorjahr den Live-Mitschnitt der Gruppe produziert und Discogs scheint das zu bestätigen – bei Collectables schert man sich um solche Angaben natürlich nicht).
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