Re: The Human League / Heaven 17 / B.E.F.

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herr-rossi
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Dann mal meine Version der Geschichte:

Die beiden ersten THL-Alben habe ich erst sehr viel später gehört. Auch der Begriff „Postpunk“ ist wohl jüngeren Datums, scheint mir aber sinnvoll als Sammelbegriff für die zahlreichen ganz unterschiedlichen Zugänge, mit denen in den Jahren nach Punk experimentiert wurden. Dazu gehört selbstverständlich auch die rein elektronische Richtung, die stark von Kraftwerk und anderen „Krautrockern“ beeinflusst war.

„Trans-Europa Express“ und Moroders bzw. Donna Summers „I Feel Love“ waren für Ian Marsh das Erweckungserlebnis. Im Grunde wollten Marsh, Ware und Oakey durch die Hintertür zum großen Pop, den man aber eigentlich als „banal“ und „kommerziell“ zu verachten hatte, man wollte zugleich aber auch Avantgarde sein und politisch noch obendrein. Die frühen Tracks, die z.T. erst viel später veröffentlicht wurden (die The Future-Aufnahmen), zeugen von dieser Diskrepanz. Es gibt da einen Schlüsseltrack mit dem programmatischen Prolog: „This is a song for all you big-heads out there who think disco music is lower than the irrelevant musical gibberish and tired platitudes that you try to impress your parents with … We’re The Human League, we’re much cleverer than you and this is called Dance Like A Star…“. (Er meint im Grunde alle, die später „Dare!“ für kommerziellen, „zuckrigen“ Mist halten sollten.) klick Der Track selbst ist allerdings alles andere als Radio- und Chartsfutter.

Bei „Travelogue“ kamen die widersprüchlichen Elemente des Projektes für mein Empfinden in eine Balance, es ist düster und kühl, hatte aber schon jede Menge Pop Appeal und toller Melodien. Ganz groß auch „Marianne“ von der „Holidays 80“-EP.

Der darauffolgende Split erwies sich für mein Empfinden als großer Glücksfall, weil er eben zwei sehr unterschiedliche, aber für „uns“ absolut essenzielle Alben zeitigte, und eine Reihe großartiger Singles. Meine liebsten aus dieser Phase sind seit damals „The Height Of The Fighting“ und „Open Your Heart“. Heaven 17 waren cooler und das ganze „Penthouse & Pavement“-Konzept hatte diesen radikalen Chic, den wir natürlich nicht verstanden, der uns aber sehr imponierte, weil er so gar nichts von dem ganzen „Sag mal wofür sind denn Kriege da“-Politbardentum hatte, der einen damals umgab. „Dare!“ war dagegen die Pop-Essenz.

„The Luxury Gap“ war das bessere Nachfolgealbum. Von den folgenden kenne ich nur das mäßige „Pleasure One“, aber die Heaven 17-Singles wirkten ab 1984 doch recht farblos und durchschnittlich im Vergleich zu den Anfangstagen. „Trouble“ ist die Ausnahme. The Human League hatten mit „Fascination“ und „Mirror Man“ tolle Singles, aber mit dem durchwachsenen Album „Hysteria“ brachen sie dann ein. Eine ganz große Ausnahme mache ich allerdings: Die Single „Louise“ gehört zum schönsten, was uns die 80s hinterlassen haben.

Ab 1985 hatten wir dann die Pet Shop Boys; Heaven 17 und The Human League waren „Helden von gestern“.

PS: Ja, wir sagten damals auch „Synthie-Pop“ („Süntie“! brrrr …), aber wir waren jung und wussten es nicht besser. Es heißt „Synth Pop“!

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