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Aus dem Tagebuch eines Rauchers:
Angefangen hatte ich mit etwa fünfzehn Jahren. Es war fürchterlich, aber es gehörte dazu, ebenso wie der Kult um den Rausch am Vorabend und was sonst noch so an jugendlichem Sinnbild für Stilsicherheit zuweilen aufkommen mag. Mein Ziel: Ein Pensum halten. Das ging etwa drei Jahre so – mein Verbrauch schwankte stetig zwischen 3 bis 7 Zigaretten pro Tag, ich hatte mich damit angefreundet, mir schien es auch nicht übermäßig viel zu sein – Rauchen ist eine Kopfsache und nichts ist schöner, als sich beständig die eigene Abhängigkeit bis auf Kniehöhe runter zu schmällern. Kurz vor meinem neunzehnten Geburtstag hat mich aber selbst diese Form von Teilzeitsucht mehr und mehr zum Grübeln gebracht – ich beschloss dem allen den Rücken zu kehren, kurz und schmerzlos, kalter Entzug. Schwer war es damals nicht, Entzugserscheinungen blieben nahezu aus – so wurde ich Nichtraucher, für über zwei Jahre. Dazwischen hatte ich nie den Anreiz, auch nur den Geruch erneut wahrzunehmen, das Gefühl des Runterkommens wieder ins Gedächtnis zu rufen, dieses leichte Pochen, wenn sich die stechende Betäubung bis zu den Fingerspitzen ausbreitet. Doch dann kam der Fehler in der Denkweise – es war nicht die Sucht, auch nicht eine Form von Genuss zu gegebenem Anlass, sondern schlicht blanke Übermütigkeit. „Mal sehen, wie sich das heute anfühlt“ dachte ich damals – und schon begann das Spiel von neuem, heftiger als jemals zuvor. Nein, „einmal Raucher immer Raucher“ ist ein Trugschluss, aber man sollte manche Wunden tunlichst nie wieder anrühren, Gelegenheitsrauchen ist für mich eine Form des reinsten Selbstbetrugs. Es mag gut gehen, Wochen, Monate, irgendwann kehrt es aber zurück. Immer wieder habe ich den Versuch unternommen, den Schlussstrich zu ziehen und bildete mir ein, dass ein halbes Jahr rauchfrei meine Abkehr und völlige Kontrolle über die eigene Sucht bestätigt hätte. Immer dann, wenn sie fort waren, die Tage, in denen man fast zuckend im Bett liegt, das Sichtfeld immer verschwommener wird, man keinen einzigen Gedanken fassen kann, selbst das Sprachzentrum mehr und mehr zerfällt, gerade dann war ich mir meiner Macht sicher – und ich begann von neuem, denn ich hatte mir ja gezeigt, dass ich es konnte. Und wie ich es konnte – zuletzt gar drei Wochen, dann holte mich die Sucht wieder ein. Eines ist heute klar – ganz oder gar nicht. Graustufen gibt es nicht.
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Hold on Magnolia to that great highway moon