Re: Ich höre gerade … klassische Musik!

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gypsy tail wind

Glenn Gould – The Secret Live Tapes

Bach BWV 1052 und Schönbergs Klavierkonzert mit Mitropoulos aus Amsterdam bzw. New York 1958 (mit dem Concertgebouw bzw. den Neuyorker Philharmonikern), dazwischen Beethovens Nr. 5 mit dem Buffalo Philharmonic unter Krips 1960.

Interessantes Detail: Gould war hinsichtlich Krips ganz meiner Meinung ;-), er sagt anscheinend in einem der Monsaingeon-Filme, Krips sei: „[l]e plus grand chef mozartien que j’aie jamais entendu“ und äusserte sich sehr ausführlich und enthusiastisch über den Mann. Gemäss den ausführlichen Liner Notes, die Michael Stegemann für die CD schrieb, habe Gould sich „[ü]ber keinen anderen Maestro […] so enthusiastisch geäussert wei über den Österreicher Josef Krips.“ Stegemann zitiert dann gleich ausführlich aus einem der Monsaingeon-Filme (spricht Gould darin Französisch oder gibt es da Voice-Overs? Konnte Gould Französisch?).

Stegemann bedauert dann (ein wenig), dass Gould den Austausch mit Krips – sie gaben 1958-60 immerhin sechs Konzerte zusammen, stets mit den Beethoven-Konzerten (Nr. 3 zweimal, Nr. 5 zuletzt, das einzige, was mitgeschnitten wurde, unabhängig von der Sony-CD hatte es auch Music&Arts/WHRA für ihre Gould-Box zubereitet) – nicht weitergepflegt habe, denn dieser „wäre vielleicht der einzige gewesen, der den Kanadier von seiner ewigen Mozart-Skepsis hätte heilen können …“ – Na ja, wir werden es nie erfahren, aber Goulds Äusserungen zu Krips lassen auf faszinierende gemeinsame Musizier-Erlebnisse schliessen, auf einen im Erarbeitungsprozess auf alle Seite und für alle Anregungen hin offenen Dirigenten, dessen Wirken dann im Augenblick „nichts anders als hypnotisch“ gewesen sei: „Er schaute einen an, und in diesem Augenblick wusste man, dass ein unerbittlicher Prozess in Gang gesetzt worden war – ein Prozess, bei dem man nicht anders konnte als mitzumachen -, und dass schliesslich alles so ablaufen würde, wie es sein musste. Dann kam der Auftakt, es ging los, und alles war richtig. Die reinste Magie!“ (In den Zitaten natürlich mit Scharf-S, aber das mag ich nicht extra aus den Word-Symbolen holen gehen, man verzeihe mir.)

Diese „Secret Tapes“ sind allerdings großartig. – Die Liner Notes sind aber wohl nur zum Teil für die Ausgabe geschrieben, Stegemann bedient sich meist, wenn er „eingeschaltet“ wird, der Ausführungen seiner Gould-Biografie – warum auch nicht. Dort, in der Biografie, wird von Gould über eine mögliche Zusammenarbeit noch etwas nachgetragen: Es wäre unglücklich, wenn er, Gould, mit einem solchen Mozartverehrer wie Krips Mozart einspielen würde, das sei fast blasphemisch – nicht wegen Mozart, das mache ihm nichts aus -, sondern eben aufgrund der Integrität Krips‘, die er über alles schätze. Na ja, wer weiß, was tatsächlich jeweils dahintersteckte. Nach den Zitaten jedenfalls dürfte Goulds Verehrung für Krips keinem Zweifel unterliegen.

Die Monsaingeon-Filme kenne ich nur in der deutschen Sony-Edition, d. h. Englisch (das bei Monsaingeon ungefähr so lustig klingt wie es bei mir klingen würde) mit deutschen Untertiteln. Vielleicht wurde die französische Edition synchronisiert? Ich vermute eher, dass der französische Text aus der dreibändigen großen Edition der Schriften Goulds stammt, die Monsaingeon ebenfalls besorgt hat (auch die Übersetzung) für Fayard. Drolligerweise ist diese französische Ausgabe umfangreicher als der „Reader“ von Tim Page (auf dem die beiden deutschen Bände basieren), aber da mag sich inzwischen einiges getan haben, ich achte da nicht mehr sehr drauf. Die Monsaingeon-Bände stammen aus den 80er-Jahren. (P. S. Ich glaube, mit Goulds Französisch war es nicht weit her. Michel Schneider jubelt ihm einmal eine Fahrt nach Südfrankreich unter, mit dem Auto, als Teil der „Season on the Road“, als er in Deutschland unterwegs war, Ende der 50er, um mit Karajan, Sawallisch und anderen zu spielen. Da dazu bei Stegemann nichts zu finden ist, dürfte das eine Erfindung sein. Vielmehr hat er sich ja in Hamburg im Hotel eingenistet.)

Aber jedenfalls alles ein Anlass, später einmal Krips, Mitropoulos und Gould hervorzuziehen.

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