Re: Ich höre gerade … klassische Musik!

#8420167  | PERMALINK

katharsis

Registriert seit: 05.11.2005

Beiträge: 1,737

clasjazEntschuldige, katharsis – aber hier verstehe ich Einiges überhaupt nicht. Was sollte Schubert denn mit Schmäh zu tun haben, zumindest in den späten Klaviersonaten, gerade den haben Leute wie Schnabel und Erdmann ja endlich herausgenommen aus dem Mythos um’s Dreimädel-Haus und auch, wenn ich selbst Brendel so gut wie nie gerne höre, glaube ich nicht, dass er in seinen Schubert Schmäh geben wollte. Aber, wenn Du das erläutern könntest, dass ich es besser verstehe?

Das will ich gerne tun. Schmäh ist ja nicht nur – woran Du vielleicht gedacht hast – eine Art leichten wienerischen Humors. Ich verstehe darunter einen durchaus lasziven, auch morbiden Humor, der insbesondere den späten Sonaten gut ansteht. (Wohlgemerkt galt meine obigen Empfehlung den Moments Musicaux, nicht Schubert im Allgemeinen!)
Ich finde, dass Brendel Schubert mit dem nötigen Ernst nimmt und sehr an der immanenten Dynamik feilt und doch hinterlistig und sehr bildreich intoniert. Letztlich entsteht gerade bei den Sonaten eine Mischung aus weltvergessenem, brüchigem und doch frischem, entschlacktem Schubert.
Die Moments Musicaux nimmt er aus meiner Sicht dagegen fast luftig leicht und sehr humorvoll.

Mit Schubert insgesamt konnte ich mich allerdings noch nicht gänzlich anfreunden, das sind mir teilweise zuviel Noten, zuviel Länge; dann wieder absolut läppische Stücke und daneben tiefgründig-schwarze Werke. Dementsprechend kenne ich viel zu wenig Aufnahmen. Maurizio Pollini, Murray Perahia bspw. sollen alle sehr gut sein. Und Rudolf Serkin natürlich.

clasjazDann verstehe ich nicht, warum Du Brendel nennst und zugleich Dalberto. Die sind doch weit auseinander. Nicht, dass ich nicht gerade das wichtig fände bei verschiedenen Einspielungen, dass sie so verschieden wie möglich seien. Meintest Du das? Von Hemdsärmeligkeit zu sprechen, finde ich allerdings wieder seltsam.Warum braucht man die bei Schubert, was soll das überhaupt sein? Gerade Schnabel spielt ja so, dass das letzte Hemd noch abgeworfen wird und das kann ich zumindest für Schuberts letzte Werke gut verstehen.

Genau aus dem Grund, den Du genannt hast – als Gegensätze. Hemdsärmelig bedeutet für mich, die Ärmel hochzukrempeln und direkt, unverstellt loszulegen. Ohne Wert auf große Gesten zu legen, ohne überall die Bedeutung zu suchen, sondern locker aufzuspielen. Viele Pianisten versuchen, die letzten Sonaten geradezu orchestral aufzublähen. Das ist natürlich legitim, ist aber doch oft reichlich künstlich und verstellt den Blick auf die kleinen Intimitäten der Musik.
Ich finde, Dalberto trifft genau diesen Nerv (ohne die Musik freilich zu salopp zu nehmen) und vereinfacht Schubert. Das fand ich sehr interessant.

Deinen Verweis auf Schnabels Herangehensweise musst Du mir bitte noch etwas erklären. Ich kenne seine Deutung nicht.

clasjazAnders gefragt: was hältst Du von Richters Einspielung der B-dur-Sonate, kennst Du sie? Würdest Du sagen, das sei zu verborgen, eben nicht „geradeheraus“?

Wie oben beschrieben, Schuberts Klavierwerk interessiert mich nicht so stark, als dass ich sehr viele Aufnehmen kenne. Richter schätze ich insgesamt sehr, aber mit Schubert kenne ich ihn (glaube ich?) nicht.

--

"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III