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IrrlichtFür Relativismus sind Lamars Ansichten hier, meine ich zumindest, eigentlich zu konkret. Es gibt darin Schuld und es gibt berechtige Wut auf Rassismus, das Grundstück ist hier nur weiter abgesteckt: Rassismus beginnt nicht erst mit der Hautfarbe, sondern wurzelt im Hass vor Fremdem jeder Art.
Das meine ich nicht. Am Ende des Tracks gibt es ja den Reveal, was Lamar mit „I’m the biggest hypocrite“ meint: „Why did I weep when Trayvon Martin was on the street / when gang banging make me kill a nigga blacker than me?“ Die ersten beiden Strophen richten sich an die weiße Gesellschaft, deren Rassismus geschichtlich weit zurück geht, eine Geschichte, unter der Schwarze jetzt noch zu leiden haben, und die für die ärmlichen Verhältnisse, in denen sie leben und die sie oft in die Kriminalität treiben, verantwortlich ist. Der Track ist ein „Fuck you“ in die Richtung dieser Leute, jedoch wird dieser „Hypocrite“-Part jeder Strophe vorangestellt, seine Auflösung am Schluss sogar vorher angekündigt. Dann kommt der Dreh zur Black on Black Violence.
Das könnte als Relativierung der Legitimität schwarzer Kritik an weißer rassistischer Gewalt gesehen werden. Ich halte das für Bullshit, by the way, aber ein kurzer Blick in die YouTube-Comments zum Track hat diese Befürchtung bestätigt. Tatsächlich ist The Blacker the Berry ein Track, der mit unglaublich viel Power die Wut gerade hinter den extremeren Bewegungen – die Black Panthers und Marcus Garvey werden genannt – in Perspektive setzt, dann aber auch auf die Gewalt innerhalb der Black Community zu sprechen kommt – die natürlich nicht von ihren Umständen zu trennen aber eben auch in erster Linie eines ist, nämlich – und das ist der Part, den du in deinem Text so schön beschreibst – menschlich. Oder anders gesagt: Der Konflikt zwischen Schwarz und Weiß wird hier als ein solcher anerkannt, während gleichzeitig aufgezeigt wird, dass er nicht so schwarz-weiß (sic!) gedacht werden kann, wie das viele tun. Das ist alles viel komplexer.
Ich wäre auch vorsichtig, hier allzu direkt von „Lamars Ansichten“ zu sprechen. Für mich spricht hier recht eindeutig ein lyrisches Ich, das repräsentativ für die schwarze Community spricht, bzw. einen sehr komplexen Konflikt innerhalb dieser thematisiert. Diese Komplexität so auf den Punkt zu kriegen, sich dabei nicht in den emotionalen Extremen, die in dieser stecken, zu verlieren, sondern all das differenziert und doch mitreißend auf den Punkt zu kriegen, ist auf jeden Fall ganz große Kunst. Wahnsinns-Track!
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