Re: Bill Frisell

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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nail75Es ist ja das schöne an Frisell, dass er ganz unterschiedliche Vorlieben mit seiner Musik bedienen kann. Ich muss gestehen, dass ich von den letzten hier vorgestellten Werken keines mehr kenne. Allerdings kenne ich East/West, das sicherlich konventioneller ist, als die milde experimentellen Alben von Frisell, die du besonders schätzt.
(…)
Ich finde es prima, dass Frisell so verschiedene Wege ausprobiert, mag ihm aber nicht überall hin folgen. ;-)

Sofern es das – vorbehaltlich weiterer Diskussionen – gewesen sein sollte, sage ich mal: Danke.

Gerne!

Ich meine bei Bill Frisell eine gewisse Grundsubstanz herauszuhören, die sich zwar auch langsam wandelt, aber immer da ist: Da ist zunächst sein sehr individueller Klang auf der Gitarre, dann seine manchmal etwas verschrobene Rhythmik und Harmonik. Das geht nie direkt nach vorne los, ist nie makellos schön, sondern irgendwo ist immer was, das ein bisschen hakt oder nicht ganz so geschmiert läuft. Ist das so etwas wie eine introvertierte Kauzigkeit? Das macht für mich jedenfalls einen großen Reiz seiner Musik aus.

Und dann gibt es natürlich auch den großen Schatz der Americana verschiedenster Couleur, aus dem er schöpft. Anfangs vor allem viel Jazz, aber schon 1992, als ich meine erste BF-Platte kaufte (This Land), kamen Country, Blues und manch anderes mit ins Spiel. Den Country-Anteil hat er mehr und mehr erhöht und in verschiedensten Varianten durchgespielt. Und hier wiederum denke ich, dass er auch gut daran tut, den Kontext, in dem er seine Musik spielt, gelegentlich zu verändern: Sei es durch die Änderung der Besetzung, sei es durch eine thematische Veränderung wie z.B. Filmmusik oder sei es durch das „milde“ Experiment mit einem Drummer und zwei Produzenten wie mit Floratone. Richter 858 oder sogar Unspeakable sind dann fast schon Ausreißer, durch die er aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen wird und sich ein Stück weit neu erfinden muss um danach aber wieder in den Normalbetrieb zurückzukehren. Die Sachen mit John Zorn / Naked City würde ich eigentlich ähnlich einordnen. The Intercontinentals und die Platte mit Vinicius Cantuaria schlagen nicht ganz so weit aus Art. Aber gerade die Pendelausschläge in die eine oder andere Richtung machen seine Musik interessant.

nail75Nur das mit der traurigen Aktualität habe ich nicht ganz verstanden.

gypsy tail windHab ich auch nicht verstanden …

Habe ich mich zu verworren ausgedrückt? Dann werde ich das mal aufklären: Ich habe auf einem Tribut-Album für Burt Bacharach noch ein einziges, kleines und feines Stück von Bill Frisell gefunden.

Great Jewish Music: Burt Bacharach
Tzadik, 1997

http://www.youtube.com/watch?v=s6I6yukJcbg

What The World Needs Now is Love
Bill Frisell: git
Autoren: Burt Bacharach & Hal David

In Memoriam Hal David (* 25. Mai 1921 in New York City; † 1. September 2012 in Los Angeles, Kalifornien)

Thank you for the music!

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)