Re: Bill Frisell

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Weiter geht’s mit den besten Alben aller Zeiten unter Beteiligung Bill Frisells. Oder habe ich ein paar ausgelassen? Ich kenne ja bei weitem nicht alle. Chronologisch gesehen müsste jetzt eigentlich das Live-Album East/West dran sein. Das Stück I Heard It Through The Grapevine davon im Blind Fold Test von JanPP war ja sogar der Auslöser für diesen Thread. Keine Lust darüber was zu schreiben, JanPP? Wäre schön! Bis dahin mache ich aber mal an anderer Stelle weiter.

Jenny Scheinman – 12 Songs (2005)

Jenny Scheinman: vio; Ron Miles: cornet; Doug Wieselman: clarinets; Bill Frisell: git; Rachel Garniez: acc, p, claviola; Tim Luntzel; Don Rieser: dr.

Jenny Scheinman kennen wir schon als side-woman auf Richter 858, The Intercontientals und Unspeakable. Sie war aber schon davor auch als Leader unterwegs und hatte drei Alben unter eigenen Namen veröffentlicht, davon zwei auf Tzadik. Der Titel 12 Songs ist etwas irreführend – wahrscheinlich absichtlich – denn auf dem Album wird nicht gesungen. Man kann die 12 Stücke aber durchaus als Lieder ohne Worte begreifen mit Jenny Scheinmans Violine in der Rolle der Sängerin. 12 Songs enthält ausschließlich Eigenkompositionen, die musikalischen Einflüsse speisen sich aus Americana verschiedenster Spielarten, eigentlich ähnlich wie auf Bill Frisells This Land. Bill Frisell fügt sich auch ideal in dieses Ensemble ein, ist hier zwar nur sideman, bleibt mit seinem typischen Ton aber unverkennbar. „Folk Jazz“ könnte man die Musik auf 12 Songs nennen. Durch die Violine als herausragende Stimme bekommt die Musik etwas fließendes und die Arrangements mit Kornett, Klarinette und gelegentlich Akkordeon unterstützen das sogar noch. The Frog Threw His Head Back And Laughed klingt wie eine Vertonung einer etwas unheimlichen Kindergeschichte – das schöne Cover mit diesen Viechern irgendwo zwischen Hase und Wildschwein hat ja auch etwas von einer Illustration für ein Kinderbuch -, manchmal wirkt das zart und zerbrechlich wie The Boy Song, auf dem Scheinman sich selbst ganz weit zurücknimmt und über dem Doug Wieselman mit der Klarinette zu schweben scheint, Moe Hawk könnte eine Filmmusik für einen Trickfilm sein, bei Suza wird es dann mal etwas lustiger und tänzerisch, Sattelite könnte ein Wiegenlied sein und June 21 klingt fast wie ein Gospel.

Die musikalische Zutaten meint man also alle schon irgendwie auch aus dem Werk von Bill Frisell zu kennen. Hier ist die Darreichungsform jedoch eine andere, mit der Violine als Lead-Instrument, noch mehr in den Bereich der Folklore reichend, größtenteils etwas zarter und getragener und durchweg mit originellen und prägnanten Kompositionen und Arrangements. Sehr schöne Platte, die ich mir immer mal wieder gerne auflege und die auch im Werk von Bill Frisell ein interessantes Mosaiksteinchen ist.

Jenny Scheinman hat später sogar eine (ebenfalls Jenny Scheinman betitelte Platte) als Sängerin aufgenommen, die wohl eher in die Richtung Singer-Songwriter geht. Bei den letzten aktuellen Projekten Bill Frisells ist sie auch dabei. Als ich Bill Frisell das letzte mal live sah – ist schon eine Weile her – wurde er neben Greg Leisz an der Lap Steel von Jenny Scheinman begleitet.

The Frog Threw His Head Back And Laughed, hier ulkiger Weise illustriert mit einem film still von Orson Welles aus einem film noir. Auch eine interessante Interpretation ;-):

http://www.youtube.com/watch?v=VFNjpvRjsks

… und hier noch eine Live-Aufnahme im Duo mit Bill Frisell, Antenna, ebenfalls von 12 Songs:

http://www.youtube.com/watch?v=ZYoVh9eVwVI&feature=related

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)