Re: Bill Frisell

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Nashville scheint hier nicht besonders viele Freunde zu haben. Vielleicht sollte man damit tatsächlich mal im Country & Western-Forum anklopfen?

Ergänzen möchte ich noch, dass Nashville von Wayne Horvitz produziert wurde, und nicht von Lee Townsend, der sonst fast alle Alben Bill Frisells produziert. WH spielte bereits mit Bill Frisell bei Naked City, ist hauptberuflich zwar Keyboarder, hat aber auf Nashville das filigrane Gewebe der verschiedenen Saiteninstrumente von Gitarre über Dobro und Mandoline bis Bass sehr schön abgebildet. Muss man ja auch mal anerkennen.

Good Dog, Happy Man (1999)

Bill Frisell: e- + a-git, diverses aus der elektronischen Trickkiste; Greg Leisz: pedal steel, dobro, lap steel, git, mandolin u.a.; Wayne Horvitz: kb; Viktor Krauss: b; Jim Keltner: dr. Als special guest Ry Cooder: git.

Good Dog, Happy Man enthält Songs ohne Worte und auch auf Good Dog, Happy Man herrscht vor allem Country & Western vor, mit ein paar Abstechern in angrenzende Bereiche wie Folk und Blues. Im Gegensatz zu Nashville arbeitet BF hier aber nicht mit changierenden Besetzungen, sondern durchgehend mit der gleichen Band (Ausnahmen: Shenandoah, wo Ry Cooder Greg Leisz ersetzt und das Titelstück, welches ein Duo von Greg Leisz und Bill Frisell ist).

Jim Keltner ist wohl der Session Drummer schlechthin, der schon mit allen und jedem gespielt hat von Bob Dylan über John Lennon und Brian Wilson bis zu Steely Dan. Ein fast schon eigenartig zurückhaltender Drummer, der mit der Präzision und Zuverlässigkeit einer Nähmaschine im Hintergrund werkelt und eine außerordentlich mannschaftsdienliche Leistung erbringt. Auch die Beiträge von Wayne Horvitz und Viktor Krauss, der auch schon auf Nashville dabei war, fallen eher understated aus. Im Vordergrund stehen klar Bill Frisell und der zweite Gitarrist und Multi-Instrumentalist Greg Leisz, seinerseits eine Art Institution in Sachen Saiteninstrumente aller Art, dessen Referenzliste als Sideman u.a. Beck, John Fogerty, Emmylou Harris, Alison Krauss, Joni Mitchell und Wilco aufzählt, um nur ein paar Namen zu nennen, die mir etwas sagen.

Ich bekenne, dass mich God Dog, Happy Man bei den ersten paar Mal Hören enttäuscht hat. Das fließt alles so entspannt und ohne besonders hervorstechende Höhepunkte dahin, dass es auch leicht als bloße Hintergrundberieselung zum Feierabend durchgehen kann. Und vielleicht ist das auch ein Teil der Wahrheit. Einiges klingt ja auch hier wieder sentimental und gefällig und Shenandoah würde mir mit etwas weniger Hall sicher besser gefallen. Wenn man diese Platte aber öfter und intensiver hört, scheinen viele Stücke langsam etwas preiszugeben, das an der Oberfläche nicht so ohne weiteres erkennbar ist: Der understatete Funk von Big Shoe, der langsame heavy Groove von Cadillac 1959 (ein offenbar ebenso behäbiger wie imposanter Straßenkreuzer), der klingt wie ZZ Top in Superzeitlupe, die unheimliche Tristesse von Cold, Cold Ground oder die rührende Melodie von Poem for Eva. Das gesamte Album durchzieht ein langsam auf- und abschwellender Spannungsbogen, auf den man sich erst mal einlassen muss. Und das alles mit einem fein gewobenen Zusammenspiel der beiden Gitarristen, die aus ihrem Instrumentarium eine reiche Vielfalt von Tönen und Klangfarben herauskitzeln. Das hat etwas Feinmechanisches oder etwas von einer meisterhaften Handwerksarbeit, die oberflächlich nur routiniert erscheint und deren Qualität man erst durch genaueres Hinhören erkennt.

Good Dog, Happy Man scheint wohl so etwas wie die Konsensplatte von Bill Frisell zu sein. Nachvollziehbar, den GDHM ist eine wirklich runde Sache. Vermutlich the defining moment von Bill Frisells C&W Phase.

Hier gibt es ein paar song samples:

http://www.billfrisell.com/discography/good-dog-happy-man

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)