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Bill Frisell machte seine erste aktenkundige Aufnahme 1981 mit Paul Motian. Meines Wissens hatte Pat Metheny Bill Frisell als Gitarristen empfohklen. Paul Motian hat offenbar erheblichen Einfluss auf Bill Frisell gehabt, war wohl so was wie ein Mentor für ihn. Schon auf der ersten Aufnahme mit Motian und Frisell war auch ein gewisser Joe Lovano vertreten. Die drei sollten auch in den Jahren und Jahrzehnten (!) darauf immer wieder mal zusammenspielen.
Ich kenne nur zwei Aufnahmen dieser Verbindung.
Paul Motian – Monk In Motian (1988)
Paul Motian: dr; Joe Lovano: ts; Bil Frisell: g; auf je zwei Stücken außerdem Dewey Redman: ts; Geri Allen: p
Monk In Motian musste ich natürlich haben, da ich nicht nur auf Bill Frisell sondern auch auf Monk stehe. Der Titel sagt’s: Das Trio spielt ausschließlich Monk-Kompositionen. Bei je zwei Stücken geben Dewey Redman und Geri Allen ihre Würze mit dazu.
Nominell ist zwar Paul Motian der Leader, de facto ist das aber ein Trio mit drei gleichberechtigten Solisten. Unterstützt wird das auch durch den jeweils sehr eigenen Sound der drei: Motian mit seinem ebenso dichten wie filigranen Spiel auf den Drums, die er mehr streichelt als schlägt, Joe Lovano, der auch schon damals einen charakteristischen vollen Ton hat und Frisell mit seinem eigenartigen Gitarrensound, irgendwie singend, auf- und abschwellend, manchmal fast wie eine Slide Guitar. Letzterer prägt dadurch natürlich den Klang der Band ganz erheblich. Man hört dem Trio an, dass es sich blendend versteht und sich lässig und mit ziemlich lockeren Zügeln durch die Monk-Stücke schwingt, manchmal in fast freiem Spiel, bei dem Motian alles in feinste Partikel zerlegt und Gitarre und Tenor über diesem rhythmischen Teppich flattern. Redman unterstützt das noch, während Allen eher für etwas Bodenhaftung sorgt. Die markanten Kompositionen von Monk geben der Sache ein gesundes Rückgrat. Gute Platte.
The Paul Motian Trio Live At The Village Vanguard – You Took The Words Right Out of My Heart (1995)
Paul Motian: dr; Joe Lovano: ts; Bil Frisell: g
Sieben Jahre später und immer noch zusammen! Das Konzept des Trios ist genau das gleiche wie schon auf Monk In Motian. Auf Live At The Village Vanguard (es gibt übrigens noch andere Aufnahmen der Band mit gleichem Titel, aber anderen Datums) gibt es aber ausschließlich Originalkompositionen von Paul Motian, der ja als ausgesprochen „musikalischer“ Schlagzeuger galt und „Songs“ liebte. Außerdem scheint das Trio von nichts mehr aus der Ruhe zu bringen zu sein, so das man eher gemeinsam über Melodien zu meditieren scheint. Die meisten Stücke tendieren gegen die 10-Minuten-Marke oder sogar darüber. Sehr lyrisch das Ganze, mit nur gelegentlichen Aufregern, die dann aber umso mehr herausstechen. Auf dem zweiten Stück Abacus spielt Frisell ein herrlich gegen den Strich gebürstetes Solo, bei dem er auch einiges aus seiner elektronischen Trickkiste einsetzt, während Paul Motian völlig unabhängig davon sein rhythmisches Netz zu weben scheint. Bill Frisell klingt hier insgesamt sehr selbstbewusst. Ansonsten klingt die Platte aber sehr schwebend und unaufgeregt, so dass ich bei dem gut 10-minütigen Folk Song For Rosie schon mal zum Einnicken neige. Ist aber sehr entspannend.
Zwei der „jazzigsten“ Platten mit Bill Frisell, die ich kenne. Später hat er sich mehr und mehr vom „reinen“ Jazz entfernt. Auch seinen Gitarrensound hat er über die Jahre deutlich verändert.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)