Re: Der deutsche Jazz

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gypsy-tail-wind
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Mein zweiter Blindfold Test war ja ganz dem deutschen Jazz gewidmet… meine Kommentare zu den Stücken finden sich hier.

Die ganze Dixie/Amateur-Szene gab’s in Zürich und anderswo in der Schweiz auch, einzelne Bands und Leute von damals sind immer noch unterwegs. Hat mich allerdings nie sehr interessiert…

Knapp gesagt scheint mir, dass – von einzelnen Leuten mal abgesehen – der deutsche Jazz erst mit Mangelsdorff, Doldinger, den Kühns sich in eigenständige Richtung entwickelt hat. Klar, Hans Koller (aus Österreich) oder Jutta Hipp haben schon davor schöne Musik gemacht, Edelhagen auch – aber das meiste ist wenigstens stilistisch gesehen derivativ. Koller war allerdings mit Sicherheit eine der grossen Stimmen aus Europa… die waren damals noch dünn gestreut, es gab sie aber schon… Gullin, Domnerus, Jaspar, Solal… Ende der Fünfziger und noch mehr in den Sechzigern geht’s aber meines Erachtens dann richtig los mit dem europäischen Jazz und die beiden Mangelsdorff Quintett-Alben „One! Tension“ und „Now Jazz Ramwong“ zählen zu den Sternstunden des europäischen Jazz (warum „Folk Mond“ für mich nicht annähernd so gut funktioniert, begreife ich übrigens bis heute noch nicht). In Deutschland gab’s neben Mangelsdorff auch das Doldinger Quartett, die Kühn Brüder…

Zum DDR-Jazz hab ich wohl schon wenig und Verstreutes geschrieben… es gibt da ein paar Amiga-LPs, die ich sehr gerne mag, allen voran die Zerbe-Scheibe und auch die „Jazz“ von Katzenbeier/Schönfeld (siehe BFT). Die Amiga 5CD-Box ist insgesamt ziemlich gut, auf jeden Fall von vorn bis hinten hörenswert.

Was die gegenwärtigen Szenen betrifft, bin ich bestimmt weniger auf dem neusten Stand als z.B. vorgarten, aber auch da sind viele tolle Leute unterwegs, Frank Gratkowski etwa, von dem wir’s grad im BFT#11-Thread hatten, Thomas Borgmann, Gebhard Ullmann, Nils Wogram, Rudi Mahall, Christof Lauer (auch im BFT#11), Gruppen wie der Rote Bereich, die Enttäuschung… die alten Freejazzer mit ihren Titten und Schnellfeuergewehren sind auch noch da: Peter Brötzmann, Paul Lovens, Alexander von Schlippenbach, Günter „Baby“ Sommer… die Bauer Brüder, der irre Joe Sachse mit seinen Augenbrauen… Doppelmoppel… Ernst-Ludwig Petrowski und das fantastische Zentralquartett…

Und vergessene Leute wie Peter Trunk…

Ziemlich grosses Thema, aber am Ende abgesehen von einzelnen Leuen und Bands und Alben eher nichts, was mich bis in die letzten Verästelungen interessiert.

Die Bear Family-Sachen hätte ich allerdings durchaus gerne, wenn sie zu einem vernünftigen Preis zu kriegen wären ;-)

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