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KoryEin kleiner Disclaimer noch, der eventüll die ein oder andere Aussage erklärt: ich mag keine Gitarren im Jazz und ich steige bei allem, was nur entfernt nach Fusion klingt sofort aus. Orgeln sind auch ganz schlimm.
ich mag keine gitarren im heavy metal und keine orgeln in der kirche. aber natürlich: vollstes verständnis. & ganz toll, dass du mitmachst!
Kory#1
Das könnte prima als verspieltes Valium-Outro auf einer Triosk-Scheibe stehen, wenn sich das Rauschen des Blätterwaldes gelegt hat und man entspannt in Richtung Guten Abend-Tee schippert. Diese nervöse Rausch- und Bratzelkulisse im Hintergrund lässt es allerdings nie in sich ruhen – obwohl die beiden Arme sich nach einigen Augenblicken treffen und Hand in Hand gehen. Super. Sehr seltsam: ich habe hier Australien-Assoziationen. Nix Rationales, fürchte ich, obwohl….Seaworthy, The Necks und eben Triosk sind vermutlich doch rational, so ein ganz klein wenig…
ne, australisch ist hier nix, obwohl necks und vor allem triosk (musste ich erstmal in der tube suchen) interessante assoziationen sind. aber der herstellungsprozess verlief hier ganz anders. geographisch kommt da was aus usa, europa und ein klein wenig südamerika.
Kory#2
Rüttelt und schüttelt mich für einen vermeintlichen Frevel, aber ich habe hier das Bild einer großen TV-Revue vor Augen, mit fluffigen Tänzerinnen im Puschelkostüm. Achtziger Jahre. Pomp. Schlagzeug- und Pianosound klingt recht „modern“, insgesamt ziemlich aufgeräumtes Arrangement. Ist mir eine Spur zu gefällig und zu sauber, auch wenn mir der Drive gefällt.
verstehe ich vollkommen – das ist ein show-off mit pomp und beweglichem spotlight, allerdings überzeugte 90s, nicht 80s. ein klassischer eröffner, für den ich mir allerdings ein introvertiertes vorspiel (#1) hinzuzufügen erlaubt habe.
Kory#3
Der Beginn klingt nach den siebziger Jahren, irgendein Interlude von Led Zeppelin oder Pink Floyd, zu dem sie Pilze nehmen und danach Bäume umarmen. *ritterrüstung anzieh* Dankenswerterweise wird es circa ab der Mitte des Stücks ein Eckchen bunter und wilder, bevor es sich wieder zu einem durchaus harmonischen Ohrenschmeichler zurückentwickelt. Gott sei Dank hält sich die Gitarre größtenteils zurück, insgesamt ist mir das aber trotz des kurzen Ausbruchs zur Mitte etwas zu handzahm.
die nähe zur fusion ist richtig rausgehört. ich mag einfach alle an diesem stück beteiligten und mag es auch, wie nett sie miteinander umgehen. die welt wäre viel schöner, wenn wir unsere ritterrüstungen ausziehen würden (falls dir das noch niemand gesagt hat)!
Kory#4
Damit bekommt man mich fast immer. Sehr virtuos und sogar humorvoll – das hat für mich bedeutend mehr Tiefe als so manche komplette Orchestrierung. Großartig, wie das alles in den Schlusston hineinfließt. Sehr friedlich und trotzdem hat alleine der Ton durchaus Ecken und Kanten. Ins Hirn getupfte Farben: braun – grau, leichtes hellblau. Da würde mich das ganze Album interessieren.
ja, schön beobachtet: das hat eine andere form von friedlichkeit. wobei ich mir den herrn durchaus auch in #2 vorstellen könnte. auf jeden fall aber in einem anderen stück hier – da gehört er nämlich eigentlich auch hin. auf dem album spielt er ansonsten mit dem anderen solo-stück-vertreter hier.
Kory#5
Ein etwas skurriler Sound, weil die Klarinette bisweilen so räumlich klingt, als sei sie in einem leerstehenden Flugzeughangar aufgenommen worden. Grundlegend jedoch schönes Setting. Die besten Momente nahm ich wahr, als sie zumindest ansatzweise ins Swingen geschlittert sind, da haben sie ein paar Widerhaken verteilt. In den weniger guten Momenten vermisse ich etwas den Fokus. Sehr feines, pointiertes Schlagzeug. Gefällt.
nicht im hangar, sondern einem haus im grünen aufgenommen. übrigens vom klarinettisten selbst, da hatte ich vorher unsinn erzählt. ich mags auch vor allem, wenns swingt.
Kory#6
Lässt mich etwas ratlos zurück. Könnte ein zerschossenes, parodiertes Opening der TV-Revue aus Song Nummer zwei sein, hihi. Sehr fuzzy. Hat Humor, deswegen bin ich auch hier auch die Auflösung gespannt.
das ist eine hommage an einen kurz zuvor verstummten. aber trotzdem mit humor, die können gar nicht anders.
Kory#7
Da ist ’ne Orgel. Bin raus. Verzeihung.
aber wie kannst du dir das erlauben, als anhänger der dame coltrane? hörst du sie nur an harfe und klavier und blendest ihren wurlitzer-irrsinn aus?
Kory#8
Das klingt sehr spannend. Dieses „Insichzusammenfallen“, das Plätschern der Töne, wie ein Wasserfall; der Antrieb und die sich daraus entwickelnde Transparenz, und doch bleibt es mystisch und fordernd. Man hängt praktisch an den Fingern. Das ist für mich perfekte Nachtmusik, wenn sich der feine Herr Kory im Internet-Klärschlamm suhlt und nebenbei nochmal die Kaffeemaschine angeschmissen wird. Das kann beruhigt die ganze Nacht durchlaufen. Albumtitel, bitte!
der hat was mit fliegen zu tun, soviel kann ich verraten. ansonsten toll beschrieben!
Kory#9
Das Schleifen und vor allem der erste wahrnehmbare Ton des Pianos
haben mich eben ganz schön gepackt.
Da schwingt etwas mit, was einerseits vertraut ist, was meine Denkvorrichtung schon lange zu kennen scheint. Ich kenne dieses spezielle Stück nicht, aber die Harmonien, die sich aus den Pianotupfern mit all dem Reißen und Ziehen im Hintergrund paaren, das ergibt etwas in mir, was die Bimmel vibrieren lässt (nicht sexuell zu verstehen). Ich bin immer für diesen Kontrast zwischen Harmonie und galligem Beinahe-Noise zu haben, wie an der Stelle ab ca. 1:56 bis 2:18 und den folgenden Aufbruch zum Fegefeuer.
die bimmel vibriert zurecht. du kennst einen teil des personals, ich weiß allerdins nicht, ob die wirklich soundmäßig so isolierbar sind. die ganze mannschaft wäre was für dich, glaube ich.
Kory#10
Erste Assoziation: eine Bohren Und Der Club Of Gore-Langspielplatte, die fälschlicherweise auf 45rpm abgespielt wird. Das schwankt, als seine sie alle betrunken; in der Stimmung bin ich unsicher: das könnte ein versöhnlicher Blick zurück sein, in Richtung einer Situation, die man, als man direkt mir ihr konfrontiert war, gar nicht so lustig fand, mittlerweile mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Für komplette Dunkelheit ist’s jedenfalls zu hell. Ich mag die Melodieentwicklung, weil sie niemals den Weg gehen, den mein Kopf eigentlich (mit)gehen will.
bohren auf 45 ist eine tolle idee – doch ich fürchte, das klingt dann wie jazz-frühschoppen.;-) für die melodie ist ein großer meister verantwortlich, die herren hier verbeugen sich postmodern davor. trotzdem kriegen sie natürlich einen in sich stimmig schankenden, schönen moment miteinander im hier und jetzt hin.
Kory#11
Es ist immer wieder verblüffend, welche Verbindungen sich in mir auftun, wenn ich solche Musik höre. Unabhängig davon, wann genau dieses Stück entstanden ist, habe ich dazu durchweg positive Bilder in meinem Kopf, viel verklärte (?) Romantik, mit diesem kruden Gedanken daran, dass „die Welt da noch in Ordnung war“. *stammtischglocke läut* Was natürlich bei Licht betrachtet totaler Kappes ist, aber das trifft auch immer wieder auf Synapsen, die sich in meiner Kindheit entwickelt haben dürften. Wobei – meine Kindheit fand in den achtziger Jahren statt, und das klingt…hm. Am Ende klingt’s sogar nach den 80ern? Näää, ne?! Obwohl… – wie dem auch sei: ich bin mir nie ganz sicher, ob es mich aufgrund dieser Verbindungen eher runterzieht und (zu) melancholisch werden lässt, oder ob es mich in den warmen Kokon einhüllt, der mal Kindheit hieß und der sich in manchen Augenblicken immer noch so sicher und wichtig anfühlt.
80er stimmt. und die beteiligten hier denken wohl weniger an ihre kindheit als an ihre verruchte jugend. für die dame wars der letzte seufzer, aber der kommt nicht weniger cool als zu hochzeiten.
Kory#12
Himmel, ich hatte gerade Angst, dass sich da auch eine Gitarre rumtreibt – dabei ist’s der Bass. Dessen Sound ich nicht gerade umwerfend finde, soviel sei gesagt. Das ist auf jeden Fall laut, alles. Der Schlagzeuger hat einen ordentlichen Bums, die Snare klingt aber sehr merkwürdig. Live würde ich das vermutlich bedeutend bedeutender finden, zumal ich mir gut vorstellen könnte, hierzu den Kasatschok zu tanzen. Das ist eigentlich eher eine Rocknummer, löblicherweise ohne allzugroße Fusion-Anleihen. Auch wenn der Bass schon schwer in die Richtung Stirnband und geschürzte Lippen geht. Live nehme ich das jederzeit.
das ist kein bass und der, der da kein bass spielt, spielt normalerweise auch keinen rock, soweit ich weiß. ich glaube, sie sind da völlig unabgesprochen reingerutscht, das wäre mit stirnband nicht passiert…
Kory#13
Toller Ton, sehr natürlich und rauh. Interressant vor allem im Kontrast zum vorangegangenen Stück – ich empfinde das als deutlich klassischer, obwohl die Zutaten so irrsinnig unterschiedlich nicht sind. Mir erscheint dieser Track im direkten Vergleich auch als deutlich sympatischer (habe mir gerade nochmal #12 angehört und es war erstaunlich, wieviel ebenjener an Substanz verliert, wenn man sich die fünf Minuten mit der 13 auseinandergesetzt hat). Das hat viel mehr Drive und Swing, ist frischer und gleichzeitig kompakter. Wenn Motörhead Jazz spielen würden – das wär’s dann wohl. Außer diesem atemberaubenden Tempo passiert zwar nicht umwerfendes, was es im Rückblick möglicherweise etwas eindimensional werden lässt, aber ich steh‘ ja auch auf Zunder, im Großen und Ganzen. Diese schnellen Tonlagenwechsel und pfiffigen „Tonleiterverschiebungen“ habe ich doch schon mal irgendwo gehört….wer war das gleich?
toll beschrieben. finde ich in der gesamtkonzeption langweiliger als #12, aber den herrn hier wollte ich mal vorstellen, weil er natürlich ganz viel kann und mir sein name (bis zu seiner letzten platte) aus allen ecken zugerufen wurde. aber würde „motörhead spielt jazz“ nicht eher so klingen?:
http://www.youtube.com/watch?v=801CketNy1Y
Kory#14
Das klingt nochmals klassischer. Der Schlagzeuger sticht schon wieder heraus, nicht nur, wie er spielt (die kraftvollen Wirbel wirken
etwas angestrengt), sondern auch (wieder wieder wieder) wie sein Instrument klingt. Wenn der aus diesen Openings in den Beat geht, bekommt das plötzlich alles eine ganz andere Farbe – und der Mensch hinter dem Schlagzeug hat den Pinsel in der Hand. Die Bläser finde ich super, weil sie nicht exakt aufeinanderliegen, da ist viel Freiraum und viel Zeit dazwischen. Ich breche nicht in Jubelstürme aus und wüsste nicht, ob ich mir das bewusst anhören würde, aber in dem Rahmen passt es durchaus.
alles richtig & verständlich. ich höre das aber anders, voller rührung, hochachtung, wärme. hier lagen keine perfekten ausgangsbedingungen vor, trotzdem stimmt das gefühl. mich wundert es, dass dem schlagzeug hier noch keine technischen unsauberkeiten vorgeworfen wurden.;-)
Kory#15
Siehe weiter oben: auch damit bekommt man mich fast immer. Die saßen hoffentlich in einem 8qm großen Keller, haben gequarzt wie die Stiere und dazu Bier getrunken. Danach politische Diskussion und zufriedenes Nachhauseschlendern. Sehr intim, das würde mich auch sehr interessieren, wer das ist.
so richtig brav sind die nicht, aber das ist schon mit nötigem ernst im ordentlichen studio entstanden. wobei einer von ihnen nicht wirklich zur ordnung gerufen werden kann. das kommt von einer lieblings-JAZZ-platte aus den 90ern, live war das sogar noch schöner. sollte die hier wirklich unbekannt sein, hätte dieser bft schon seinen zweck erfüllt.
großer dank fürs mitmachen – habe deine schreibe sehr vermisst und mochte doch nicht dafür in die unterfohren mit den langhaarigen männern gehen.;-) willst du nicht auch mal einen eigenen bft in angriff nehmen?
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