Re: blind fold test #11: vorgarten

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vorgarten

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clasjaz…was mir im Augenblick vor allem bleibt, sind die tollen Schlagzeuger, die sich arrangieren müssen.

ja, ich höre jazz sehr vom schlagzeug aus und hier sind ein paar meiner liebsten und zwei meiner allerliebsten dabei.

clasjaz1. Disclaimer: Sind Verfremdungen nicht oft auch Eröffnungen? Woran, wie entscheidet sich das? Für mich, once more, ist das eine verspielte Verdunkelung.

es gibt eine längere tradition in der elektronischen musik, die genau das möchte – eröffnung durch verfremdung, wobei letzteres mir zu negativ formuliert ist. es gibt aber auch in der verfremdung selbst hier einen jazzbezug, nicht nur in der beziehung zum ‚original‘. der satie-vergleich ist übrigens interessant – und liegt sehr nah, ohne dass mir das vorher aufgefallen wäre.

clasjaz2. Da ist große Spiellust und -laune, vielleicht nicht die größten Saxes aller Zeiten, aber die sind alle ganz schön beschäftigt. Gehen gemeinsam auf. Ich könnte mir das ganze auch etwas heruntergeschraubt vorstellen, aber nicht so, dass es dann »besser« wäre (müsste es halt hören). Das zieht so durch, keiner ist schlecht, keiner tritt an die Rampe (schwieriges Wort).

oder alle treten kurz an die rampe. und ich finde es sehr reizvoll zu hören, wie manche eine kleine entwicklung dabei hinkriegen, andere (wie mein favorit) einfach unglaublich präsent einsteigen und das niveau zu halten versuchen.

clasjaz 3.Seltsam, das Stück selbst gefällt mir (abgesehen von der Schlusssäuselei), aber ginge das nicht ein bisschen more straight? Und der Gitarre werde ich auch schon wieder nicht gerecht: irgendetwas fehlt in alledem. Ist der Majordomus eine Posaune? Die Flöte versalzt es für mich, wenn ich Van Morrison hören möchte, dann eben das. Hoffentlich denke ich morgen anders darüber.

daran arbeitest du dich ja ganz schön ab… die flöte finde ich ja ganz toll, obwohl der herr auch nie so richtig groß raus gekommen ist. das unstraighte, das sich am ende (im gesäusel?) findet – darum geht’s hier, auch um die merkwürdige zusammenstellung. kann man natürlich alles nicht mögen. der leader ist übrigens nicht der posaunist.

clasjaz 4. Nachtmusik, Klarinette, Clair-obscure. Nichts Dolles. Das hört sich an wie ein bewusstes Understatement, zu dessen Wagnis aber doch etwas mehr erfordert ist als bloßer Unterricht. (Nach dem siebten Hören höre ich auch endlich die Feinheit – ich lasse die Worte zu Nr. 5, die aus dem ersten Eindruck stammen, aber mal stehen. Obwohl das immer noch nicht die verschränkte Feinheit ist, bei der ich, ähm, schmelze. Das ist dann eben doch Nr. 5!)

dir fehlt wahrscheinlich nur das schlagzeug.;-) ich mag saxophon solo, aber ob das hier understatement ist oder einfach nicht mehr ging, weiß ich nicht. ich finde es ein hinhören wert, eine farbe, eine sternschnuppe eher als ein großer moment…

clasjaz 5. Die Gegenmusik zu Nr. 4? Das könnte aus der Bretagne sein, Louis Sclavis – viel kenne ich nicht, vor allem nicht seine neueren Sachen. Jedenfalls ist das hier ein ganz anderer Zug am und im Mund als zuvor. Das mir bisher liebste Stück, alle drei sind verdammt präsent. Ganz wunderbar, ich finde es beeindruckend, wie ein ordentlicher Hieb auf die Trommel tatsächlich – klingt, klingt … Und der Bass bekommt einen Appendix, wär nicht nötig gewesen, aber auch nicht unmöglich. Zumal die am Ende regelrecht herumlungern auf Canapés, mit Weintrauben. Toll!

aha! freut mich sehr, dass das hier bisher so gut ankommt. sclavis ist das nicht, der läge aber vielleicht näher als robinson (obwohl: der wiederum ist ja ein chamäleon). und ja – es klingt: der tontechniker fällt mir immer wieder positiv auf. ist glaube ich eine live-aufnahme, aber da müsste ich noch mal nachsehen.

clasjaz 7. Hmmmmmmmh … Aber mehr auch nicht, gerade. Das Sax atmet nach innen, was eine Kunst wäre, aber hier hört es sich gerade stumpfer an. Nein, anders: erst einmal sollte diese Orgel-Imitation abgeschaltet werden (wahrscheinlich nur ein Keyboard mit Yamaha-Programm, das Solo finde ich wirklich bescheuert) und dann viel Luft, viel Luft … für den Weg nach innen. Denn der Ton ist da. Aber insgesamt keine schöne Fügung.

freut mich gar nicht, dass das hier bisher nicht so gut ankommt. ;-) aber diese orgel lass ich mir nicht schlechtschreiben. da wird nichts imitiert und die stand wahrscheinlich an belebteren plätzen als so mancher eigenbau, der kaum das rudy-van-geldern-studio verlassen hat!

clasjaz 8. Aha. Da sind mir die Hände ein bisschen zu sehr in ihren Regionen verteilt, insgesamt also zu konstruiert, als ob – wenn man es denn könnte – jederzeit so etwas hinauszuschrauben wäre, z. B. für Doris Day in einem Appartement, irgendwo. Wenn das nicht Jarrett ist, ist es ein Klon – was wieder andere Gedankenspiele provoziert. Ein paar kleine Cluster lassen allerdings auf keinen von beiden schließen. Aber imitierend ist es schon. Das Geflirre am Ende hat keine Skrupel.

haha, keith jarrett spielt für doris day! schöne vorstellung, oder? aber meine herren – was hat das hier mit jarrett zu tun? moran schon eher, aber auch nicht. das ist doch eindeutig eher die sperrige tradition, die der mann mit den kappen & hüten personifizierte, oder?

clasjaz 9. Eine Anknüpfung an Nr. 1, vielleicht auch ihre Aufknöpfung? Einen ordentlichen Hau im Diskant, nichts einfacher, nichts schwieriger. Das sind Nachtschattenleute, hoffe ich zumindest, ich könnte mir auch vorstellen, dass das nur ein Ausflug war. Die Kürze lässt aber auf Ernst schließen. Habe ich jetzt nach der alten Faust-Regel noch zweimal gehört: und fühle mich gerade ganz gut dabei, hiermit Nr. 1 an den Galgen zu hängen, morsch war der von vornherein. Das hier ist Atem-Musik, ohne Spielereien, die ihn nur vortäuschen würden.

interessanter vergleich, ist aber durchaus zwingend. nachtschatten kommt hin, ernst auch. der titel des stücks hat mit konkretem schmerz zu tun. und die elektronik stört dich hier nicht?

clasjaz 10. Sehr, sehr in sich verschränkt. Wieder ein Stück – ein Settting –, bei dem ich mich frage, ob ich live einfach viel einfacher begeistert wäre … bestimmt! Irgendwie ist das für mich immer wieder ein Schlagzeug-bft, vorgarten. Das hier, der hier ist phantastisch, in allem eine Fortsetzung von Nr. 5, wenn die Weintrauben ausgegangen sind.

vollste zustimmung. ich kenne kaum bessere aktuelle schlagzeuger – und hier ist das ja fast absurd, was sie gemeinsam an intimität und zurückhaltung erzeugen – und doch zugleich auch evozieren, dass sie sonst sehr laut spielen, oder?

clasjaz 11. Wenn Du nicht sofort sagst, wer sie ist, spreche ich nie wieder ein Wort mit Dir.

ich fürchte, das muss ich riskieren. thelonica rät gerade so schön. ;-)

clasjaz 12. Komm … 1 + 2 – 3 + 6 = 12? (Alter Musil-Witz, den ich mir jetzt einfach mal gönne; ist mir alles zu spitz; ich gehe ja selten in Kneipen, aber in die bestimmt nicht. Andererseits.)

von musil-witzen höre ich zum ersten mal (hatte der humor?). aber dass einem zum wiederholten mal groove-stücke nicht passen, auch wenn sie kammermusikalisch hergestellt werden, finde ich schade und engherzig!;-)

clasjaz 13. Du hast Laune zur Schlange gehabt? Da ich ja gerade auf dem Schlagzeug-Tripp bin: Ist dieser metallische Klang inzwischen erwünscht und setzt sich fort? Ich höre bei all dieser Perfektion kaum noch, was einer wirklich möchte.

ja, das frage ich mich manchmal auch. hat sich nicht gerade das jazz-schlagzeug-spiel in den letzten 30 jahren ungeheuer weiterentwickelt? mich hauen diese jungs auch jedesmal vom hocker und dann sind sie plötzlich wieder weg und es sitzen vier neue da. von diesem hier hatte ich vorher noch nie etwas gehört – aber: die spielen schon lange in diesem trio und das auch immer noch. und ich finde, dass man das hört. insofern auch ein schlagzeuger, der sich arrangiert.

clasjaz14. Eben, so geht es doch auch, diesseits der 80er. Das Vorgeplänkel ist etwas zu lang, dafür kann man kürzere Worte und Zeiten finden, aber ja. Eine Schülerband, mein Gott, schleppen die Hausaufgaben, aber indeed sie sind bemüht, dem Musiklehrer keine Schande zu bereiten – aber zugeben würden sie es nie.

hier musste ich wirklich lachen – schülerband! obwohl – teilweise stimmts. ich hatte am ende nun wirklich einen klaren schlagzeuger-fokus – der hier beschleunigt an unpassendster stelle, der nächste (#15) verschleppt. in beiden fällen halte ich das für eine denardo-coleman-hafte herausforderung an die kollegen!

clasjaz 15. Atem, Druck – ich habe nicht die geringste Ahnung wer da spielt, aber dieser Kontrapunkt am Ende, sehr fein, vorgarten. Als ob man kurz hinausgehen müsste, keine Lust zwar hat, aber doch die letzte Würde für solche Gelegenheiten nicht versäumt.

wunderschön gesagt. vielen dank für deine tollen kommentare!

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