Re: blind fold test #11: vorgarten

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Anonym
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Vorgarten, da geht’s mir wieder wie so oft: was ist nicht alles in der Welt und ich weiß nichts davon und muss erst einmal hören. Und, vor allem, nachdenken … Über die Entscheidungen, was man so leicht schön oder unschön findet, wozu man tanzt, wozu nicht, je nach Laune, von der man auch nicht weiß, ob sie Konzept des Lebens ist oder umgekehrt. Vor was verschließt man sich, wem öffnet man sich? Und, man wird müde: warum eigentlich? – Ich plaudere meine Eindrücke jetzt erst einmal hinaus, was mir im Augenblick vor allem bleibt, sind die tollen Schlagzeuger, die sich arrangieren müssen. Danke!

1. Das ist mit dieser Gymnopédie von Satie also auch möglich … dem Kauz hätte es wohl auch gefallen; ich finde es als Auftakt sehr offen und obwohl ich da lieber eine ordentliche Interpretation hätte, frage ich mich, wo der Kern der »Adaption« liegt. Ich glaube, im Glucksen, das das Vergraben in den Tasten (wenn man es spielt, geschieht das bei all den Armüberkreuzungen fast automatisch, vielmehr: wird gefordert) ersetzt. Folglich bleibt das Klavier hier äußerst matt, es gibt ja seine Rolle an die Elektronik ab. Nicht so mein Gefunke, aber doch interessant. Disclaimer: Sind Verfremdungen nicht oft auch Eröffnungen? Woran, wie entscheidet sich das? Für mich, once more, ist das eine verspielte Verdunkelung.

2. Da ist große Spiellust und -laune, vielleicht nicht die größten Saxes aller Zeiten, aber die sind alle ganz schön beschäftigt. Gehen gemeinsam auf. Ich könnte mir das ganze auch etwas heruntergeschraubt vorstellen, aber nicht so, dass es dann »besser« wäre (müsste es halt hören). Das zieht so durch, keiner ist schlecht, keiner tritt an die Rampe (schwieriges Wort).

3. Die Flöte ist mir zu säuselnd, ganz unpassend die irische Folklore, die sich auch noch auftut; ich höre da aber tatsächlich gerade eher aufs Schlagzeug im Vergleich zu Nr. 2. Dort war der Aktionismus einfach recht am Platz, hier wird mir zu viel auf den Hi-Hats geklöppelt; überhaupt geht mir da einiges durcheinander, wie zusammengewürfelte Instrumente, besonders die Gitarre, die hier ein Klavier ersetzt (umgekehrt wäre es wohl dasselbe). Korrektur zum Schlagzeug: es findet sich … Seltsam, das Stück selbst gefällt mir (abgesehen von der Schlusssäuselei), aber ginge das nicht ein bisschen more straight? Und der Gitarre werde ich auch schon wieder nicht gerecht: irgendetwas fehlt in alledem. Ist der Majordomus eine Posaune? Die Flöte versalzt es für mich, wenn ich Van Morrison hören möchte, dann eben das. Hoffentlich denke ich morgen anders darüber.

4. Nachtmusik, Klarinette, Clair-obscure. Nichts Dolles. Das hört sich an wie ein bewusstes Understatement, zu dessen Wagnis aber doch etwas mehr erfordert ist als bloßer Unterricht. (Nach dem siebten Hören höre ich auch endlich die Feinheit – ich lasse die Worte zu Nr. 5, die aus dem ersten Eindruck stammen, aber mal stehen. Obwohl das immer noch nicht die verschränkte Feinheit ist, bei der ich, ähm, schmelze. Das ist dann eben doch Nr. 5!)

5. Die Gegenmusik zu Nr. 4? Das könnte aus der Bretagne sein, Louis Sclavis – viel kenne ich nicht, vor allem nicht seine neueren Sachen. Jedenfalls ist das hier ein ganz anderer Zug am und im Mund als zuvor. Das mir bisher liebste Stück, alle drei sind verdammt präsent. Ganz wunderbar, ich finde es beeindruckend, wie ein ordentlicher Hieb auf die Trommel tatsächlich – klingt, klingt … Und der Bass bekommt einen Appendix, wär nicht nötig gewesen, aber auch nicht unmöglich. Zumal die am Ende regelrecht herumlungern auf Canapés, mit Weintrauben. Toll!

6. Militär! Oder: Volksmusik. Da fliehe ich.

7. Hmmmmmmmh … Aber mehr auch nicht, gerade. Das Sax atmet nach innen, was eine Kunst wäre, aber hier hört es sich gerade stumpfer an. Nein, anders: erst einmal sollte diese Orgel-Imitation abgeschaltet werden (wahrscheinlich nur ein Keyboard mit Yamaha-Programm, das Solo finde ich wirklich bescheuert) und dann viel Luft, viel Luft … für den Weg nach innen. Denn der Ton ist da. Aber insgesamt keine schöne Fügung.

8. Aha. Da sind mir die Hände ein bisschen zu sehr in ihren Regionen verteilt, insgesamt also zu konstruiert, als ob – wenn man es denn könnte – jederzeit so etwas hinauszuschrauben wäre, z. B. für Doris Day in einem Appartement, irgendwo. Wenn das nicht Jarrett ist, ist es ein Klon – was wieder andere Gedankenspiele provoziert. Ein paar kleine Cluster lassen allerdings auf keinen von beiden schließen. Aber imitierend ist es schon. Das Geflirre am Ende hat keine Skrupel.

9. Eine Anknüpfung an Nr. 1, vielleicht auch ihre Aufknöpfung? Einen ordentlichen Hau im Diskant, nichts einfacher, nichts schwieriger. Das sind Nachtschattenleute, hoffe ich zumindest, ich könnte mir auch vorstellen, dass das nur ein Ausflug war. Die Kürze lässt aber auf Ernst schließen. Habe ich jetzt nach der alten Faust-Regel noch zweimal gehört: und fühle mich gerade ganz gut dabei, hiermit Nr. 1 an den Galgen zu hängen, morsch war der von vornherein. Das hier ist Atem-Musik, ohne Spielereien, die ihn nur vortäuschen würden.

10. Sehr, sehr in sich verschränkt. Wieder ein Stück – ein Settting –, bei dem ich mich frage, ob ich live einfach viel einfacher begeistert wäre … bestimmt! Irgendwie ist das für mich immer wieder ein Schlagzeug-bft, vorgarten. Das hier, der hier ist phantastisch, in allem eine Fortsetzung von Nr. 5, wenn die Weintrauben ausgegangen sind.

11. Wenn Du nicht sofort sagst, wer sie ist, spreche ich nie wieder ein Wort mit Dir.

12. Komm … 1 + 2 – 3 + 6 = 12? (Alter Musil-Witz, den ich mir jetzt einfach mal gönne; ist mir alles zu spitz; ich gehe ja selten in Kneipen, aber in die bestimmt nicht. Andererseits.)

13. Du hast Laune zur Schlange gehabt? Da ich ja gerade auf dem Schlagzeug-Tripp bin: Ist dieser metallische Klang inzwischen erwünscht und setzt sich fort? Ich höre bei all dieser Perfektion kaum noch, was einer wirklich möchte.

14. Eben, so geht es doch auch, diesseits der 80er. Das Vorgeplänkel ist etwas zu lang, dafür kann man kürzere Worte und Zeiten finden, aber ja. Eine Schülerband, mein Gott, schleppen die Hausaufgaben, aber indeed sie sind bemüht, dem Musiklehrer keine Schande zu bereiten – aber zugeben würden sie es nie.

15. Atem, Druck – ich habe nicht die geringste Ahnung wer da spielt, aber dieser Kontrapunkt am Ende, sehr fein, vorgarten. Als ob man kurz hinausgehen müsste, keine Lust zwar hat, aber doch die letzte Würde für solche Gelegenheiten nicht versäumt.

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