Re: Blind Fold Test #10: JanPP

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vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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ferrywarum so eilig, vorgarten?
Es werden sich doch noch hoffentlich (!) einige bekannte Foris zu Wort melden.

das wäre schön, aber ich habe das hier so interpretiert, dass diejenigen, die sich nicht zu wort melden, das in diesem fall aus guten gründen tun. aber wenn jemand noch antworten will und zeit braucht, könnte er das ja kurz signalisieren.

ferry
Ich nehme an Du meinst John Scofield.
Anfang der 90er hat mein WG- Kollege auch andauernd Scofield gehört, aber es hat mich überhaupt nicht interessiert (Jazz-Muffel). Zur Zeit bin ich aber dabei ihn neu zu entdecken. Und ja, der Kollege hatte Lackschuhe und Gel in den Haaren! Aber als Mensch war er voll in Ordnung.
Man sollte zuerst mal auf die Musik hören, und da höre ich bei Scofield schon eine Menge raus. Nämlich eine ganz eigene Handschrift und eigenständige musikalische Ideen.
Seine schrägen und verschachtelten Läufe als Muckertum zu bezeichenen, das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Das sind doch mal Soli fernab von den üblichen Klischees.
Im Kern kann ich Deine Kritik aber schon nachvollziehen, denn die Musik hat schon so einen Touch ;-)

gut, das war ein hassausbruch, und der war nicht gegen scofield (den ich nicht kenne) als mensch gerichtet, sondern in der tat gegen die musik – die ich aber auch nicht ’schlecht‘ finde, sondern einfach nicht so gut wie ihren damaligen hype.

ich habe gut verstanden, dass miles nach mike stern scofield in seine band geholt hat – dessen leichterer, funky approach sehr gut in die poppige richtung passte, in die miles damals unterwegs war. und da ist scofield tatsächlich sehr besonders – in seinen leichten, schnellen, wischenden sounds. wo ich aber sofort widerspreche, ist die angebliche klischeefreiheit seiner soli – ich finde sie nichts als klischeehaft, skalengedudel rauf und runter, ohne tiefe, ohne originalität – aber sauber, perfekt und auf den punkt. eben das ist muckertum, mit allem, was einem positives oder negatives dazu einfällt. mir kommt vieles da einfach falsch vor – wenn er blues spielt, kommt mir das pseudo vor, weil mir das entscheidende dazu fehlt.

frisell ist natürlich originell als programm. auch das hat vor- und nachteile, wenn man überhaupt so hört oder argumentiert. ich finde, dass er ziemlich viel ‚erfunden‘ hat, rein technisch, was seine synth-geschichten angeht. und er hat das immer so gemacht, dass er’s drauf hat und sich nicht von der technik spielen lässt. davor habe ich großen respekt. was da aber (in freidrichs worten) im gewande versteckt sein soll, welche abgründe das haben soll, ist mir nicht ganz klar. ich finde frisell ziemlich gerade heraus, in seiner art auch ohne ecken und kanten.

metheny ist ganz anders, da er völlig ironiefrei immer in die vollen geht – wenn er kitsch spielt, dann ist es kitschig, wenn er noise spielt, ist es laut. improvisatorisch ist das genauso klischeehaft wie bei scofield, aber man kann ihn ernster nehmen in allem, sich auch mehr über ihn ärgern.

abercrombie gefiel mir immer viel besser, weil er (bei wirklich beachtlicher virtuosität, die aber ziemlich zurück gegangen ist seit den 1990ern) sehr gefühlvoll spielt, auf eine unkitschige weise – ihm glaube ich jeden blues sofort. habe nie verstanden, warum manche sein spielt als „kalt“ bezeichnen – wahrscheinlich weil die licks nicht so popmäßig zünden und man den eindruck hat, er spiele technischer.

ganz persönlich bin ich mit meinen gitarristenvorlieben viel stärker auf der schwarzen seite. james blood ulmers repertoire ist zwar begrenzt, aber einzigartig; vernon reid finde ich ganz großartig (leider wird das oft schlecht produziert) und jean-paul bourelly ist total unterschätzt und lebt leider zu sehr außerhalb der wahrgenommenen szenen, um so präsent zu sein wie er sein könnte. auch da bin ich wieder bei miles, bei dem bourelly scofield abgelöst hat. und der gitarrist mit dem grandiosesten akkordspiel, der so frei und losgelöst spielen kann, dass alles schräge und ‚gegen das instrument gerichtete‘ wie easy listening klingt, ist ohnehin kevin eubanks. der wiederum hat ein geschmacksproblem und zu lange nightshow-begleitbands geleitet…

der definitive gitarrist des post 80s-jazz muss einfach noch geboren werden!

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