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ferryZum Teil habe ich mich etwas schwer getan mit den Kommentaren. Wollte eigentlich noch was dran feilen, aber ich stelle das jetzt mal einfach so rein
Besten Dank!
ferry#1a: Das muss was neueres sein, nehme ich an. Schönes Wechselspiel, Posaune mit Dämpfer? Am Ende kommt aber eine ganz andere Passage mit Cello. Der erste Teil gefällt mir.
#1b: Es handelt sich hier um dieselbe Band, was ja die Unterteilung in a), b)… auch schon vermuten lässt. Es geht so ähnlich weiter wie im 1.Teil des ersten Stückes. Diesmal auch mit Saxophon und Marimba. Hört sich an wie Musik für einen Agentenfilm. Gefällt mir auch gut.
#1c: Das Stück fängt langsam an, dann folgt ein fröhlicher Latin- Teil.
#1d: Das erinnert mich an Marschmusik.
#1e: Am Ende folgt ein trauriger Part, der dann aber doch beschwingter wird. Eine Beerdigung in New Orleans ?
Das ist ein kompletter Soundtrack für einen Kurzfilm. Eine Komödie. Mich reizen hier die Stimmungen, die Kangfarben und – ja- das Szenische.
ferry#2: Ein simpel gestricktes Stück, aber mit einer sehr schönen Atmosphäre. Es passiert nicht sonderlich viel, aber es gefällt mir trotzdem sehr gut.
Ja, auch hier geht es viel um Athmosphäre. Der Trompeter spielt auf auf #01.
ferry#3: 20er Jahre- Retro Sound. Genau das richtige für simple Gemüter wie mich ! Piano mit Ragtime- Anklängen und schön gespielte Klarinette.
Ob das retro ist oder nicht, darüber wird hier bereits gestritten. Es ist aber in jedem Fall eine programmatische Hommage an den frühen Stil Duke Ellingtons.
ferry#4: Das ist aber auch retro, erinnert an die Anfänge der Big Band- Ära. Aber nicht ganz so schön wie #3.
Auch das ist eine programmatische Hommage, die sogar so weit geht, dass die Musiker teilweise den Ton gewisser anderer Musiker imitieren. Das hat aber einen besonderen Grund.
ferry#5: Das ist aber auch wieder retro. Ein sehr schön unschuldig swingendes Stück, garniert mit einigen schönen kleinen Soli.
Lieber ferry, hier täuschst Du Dich gewaltig: Dieses Stück ist so authentisch wie nur irgendetwas im Jazz sein kann. Pianist und Saxofonist sind zwei Veteranen der alten Schule. Den Saxofonisten kann man relativ leicht erkennen, wenn man sich mit Swing etwas auskennt. Der Pianist ist ein echtes Urgestein, fast so alt wie der Jazz selbst.
ferry#6: Dieses Stück swingt nicht ganz so schön, hört sich alles etwas fahrig gespielt an. Das ist natürlich Absicht, begeistern kann mich das aber nicht.
Ja, das ist etwas fahrig, da ist so ein laissez-faire drin. Ist hier auch durchaus umstritten. Der Leader kommt auch aus der Swing Tradition, hat das aber ganz woanders hingetragen. Dieses Stück ist noch vergleichsweise moderat.
ferry#7a: Dann gehören 7a und b wohl auch zusammen. Die Platte hatte einen Sprung, friedrich ! (den konnte ich mir nicht verkneifen). Das ganze klingt durch die ständige Wiederholung aber doch ganz interessant. Mehr als ganz interessant aber dann auch nicht.
Haha! Ja, das dreht sich im Kreis um sich selbst. Aber bei jeder Umdrehung verändert es sich ein wenig. Das ist der Reiz und in der Mitte gibt es einen Bruch, der alles verändert. Eine Band, die sich u.a. auf den Leder von #06 bezieht.
ferry#8: Ein ganz schönes Stück mit guten Drums/ Percussion. Die Bläser spielen ja kreuz und quer, dadurch wird das ganze aber schon interessant. Zwischendurch spielt das Sax aber doch ein Thema. Gefällt mir, aber zum Ende hin wird es doch etwas lang.
Stimmt, zwischendurch spielen alle auch mal kreuz und quer, aber es lösen sich ja vor allem verschiedene Teile einander ab. Hat für mich auch was Szenisches. Der Leader mischt auch manchmal im Film mit, gelegentlich sogar vor der Kamera.
ferry#9: Das Thema hört sich an wie ein alter Schlagerwalzer. Hört sich irgendwie an, wie wenn man von einer Karnevalsparty besoffen nach Hause torkelt.
Die Komposition stammt ursprünglich vom Leader von #06. Es geht um himmlische Liebe. Das hier ist etwas, was irgendwie zwischen Hommage und Parodie changiert.
ferry#10: Ist das dieselbe Band wie #1 ? Obskure Sache. Jeden Tag hörst Du so was aber nicht, oder friedrich?
Nein, ganz kalt. Nicht die selbe Band wie #01 und auch keinerlei Verbindung. Auch das ist eine Hommage an einen Musiker, einen ganz großen im Jazz. Es wurden schon Duke Ellington und Charles Mingus getippt. Sie sind es beide nicht, aber die Tipps sind eigentlich schon sehr gut, wenn man sich Ellingtons Jungle Style (z.B. The Mooche) oder z.B. Mingusens Album OH YEAH! ins Gedächtnis ruft. Die haben auch so etwas Groteskes, fett groovendes. Und dann finde ich, haben die Leute, die dieses Stück aufgenommen haben, zumindest irgendetwas richtig verstanden, denn dieser Geist steckt in diesem Stück in jedem Fall auch mit drin. Das kann ich übrigens gar nicht jeden Tag hören, denn es ist das einzige Stück dieser Formation, das ich auf Tonträger besitze. Kann ja nicht immer wieder die gleichen 2:00 min. Musik hören!
ferry#11: Im Weltraum, erklingt ein einsames Saxophon.
Eine interessante und nachvollziehbare Assoziation. Wenn man jedoch weiß, woher diese Melodie ursprünglich kommt, hat man ganz andere Bilder im Kopf. Dies hat nichts mit dem Weltraum oder dem Himmel zu tun, sondern ist sehr irdisch und diesseitig. Da hängt Unheil in der Luft und es werden sich menschliche Abgründe unfassliche Ausmaßes auftun. Vorgarten hat schon ein paar Stichworte genannt.
ferry#12: Wieder so eine Filmmusik, aus einem 50er- Jahre Krimi. Der Held schleicht gerade durch dunkle Strassen.
Ja, Filmmusik, 50er und in diesem Fall auch das Original. Aber kein Krimi, kein Held. Abgründe im zwischenmenschlichen Bereich.
ferry#13: Jetzt swingt es wieder mal, aber sparsam. Dann bringt der Saxophonist etwas mehr Schwung rein. Ich habe das Gefühl, das Tempo wird absichtlich schleifen gelassen. Sehr, sehr lässig (zu lässig).
Ich finde das gar nicht so lässig. Schon die Triller am Anfang erzeugen doch Gänsehaut und dann die disharmonischen Klangfarben und die Soli. Ist keine Filmusik, könnte es aber fast sein, finde ich.
ferry#14: Ein etwas klassischer Anfang mit Streichern, dann ein schön melodisches Saxophon. Ohne die Streicher würde mir das besser gefallen.
Streicher im Jazz sind oft etwas schwierig. Aber hier bringen sie noch eine Extra-Portion Drama hinein. von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt in nur ein paar Takten. Das Sax hat ganz große Klasse. Nicht nur melodisch, sondern vor allem auch sehr expressiv, nicht wahr? Das Stück ist natürlich schon als ANGEL EYES erkannt worden. Auch hier finde ich die Atmosphäre, die Dramatik und – ja – ein bisschen auch wieder das Abgründige toll. Excuse me while I disappear …
ferry#15: Diesmal wird mit dem Swing nicht gespart, ein schön schwungvolles Stück. Die Streicher werden zum Glück nur sparsam eingesetzt. Schönes Trompeten- und auch Saxophonsolo. Gefällt mir sehr gut.
Ja, es hat was Triumphierendes, auch wenn die Filmszene (!), aus der diese Melodie ursprünglich stammt, gar nichts Triumphierendes hat: Der Protagonist scheitert daran, dieses Stück zu spielen.
ferryZum Ende hin beschleicht mich das Gefühl, das vieles aus derselben Ecke stammt (John Zorn?). Oder ist Dein Thema etwa Filmmusik?
Edit: nach nochmaligem Hören von einigen Stücken muss Dein Thema Filmmusik sein !
John Zorn ist auf nur einem einzigen Stück zu hören. Es gibt zwei Stücke, die sind auf seinem Label Tzadik erschienen. Einem weiteren Musiker könnte man eine Verbindung zu Zorn nachsagen, obwohl mir kein Fall bekannt ist, in dem die beiden zusammen spielen. Aber diese NYC Downtown/Zorn-Ecke ist hier eigentlich nicht das Thema. Ergab sich halt so. Es gibt 3 Stücke, die exakt so in Filmen vorkommen, und ein paar weitere (zwei bis drei, je nach Lesart) stammen ursprünglich aus Filmen. Ein bisschen zieht sich dieses Thema durch diesen Mix. Und ein bestimmter Musiker taucht hier mehrfach auf, teils aber in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)