Re: 2012: Die persönlichen Charts

#8261553  | PERMALINK

tinylittlefracture
Busting crime one blunt at a time

Registriert seit: 08.01.2007

Beiträge: 2,887

Ich kenne die Bücher nicht, daher kann ich als Vergleich nur den schwedischen Film (in der längeren TV-Fassung) heranziehen. Ein paar Sätze dazu:

SPOILER
Der größte Kritikpunkt für mich war die wesentlich indifferentere Darstellung Lisbeths im Remake, die zu sehr in Extreme verfällt. Beispiele: Die Szene in der U-Bahn/auf der Rolltreppe, in der Lisbeth wie ein MI6-Agent agiert, während sie in der Vorlage einfach von ein paar Betrunkenen aufgemischt wird. Die erste Sex-Szene zwischen Mikael und ihr, Rapace im Original wie ein Roboter, ohne (sichtbare) Emotionen, Mara hier viel leidenschaftlicher, was ihren von Schutzbarrieren umgebenen und im angemessenen Ausdrücken von Gefühlen unerfahrenen Charakter in meinen Augen deutlich weniger glaubhaft darstellt (mehr noch im weiteren Verlauf, wenn die beiden bspw. zusammen auf dem Bett liegen und beinahe „kuscheln“, in diese Richtung geht der schwedische Film nie, und das ist auch gut so). Man könnte sagen, dass ich die (Haupt-)Figuren und ihre Interaktion in der Vorlage als deutlich echter wahrgenommen habe, während die Überzeichnung/die anscheinend angepeilte „Coolness“ mir das Remake etwas verleidet hat. Zweite Sache: Einige der plot points sind im Remake nicht so befriedigend aufgelöst, insbesondere die Aufklärung der Bibelzitate, die mich in ihrer Banalität fast schon geärgert hat.

Der Film sieht extrem gut aus, und ich schätze nach wie vor Finchers Gespür für Bildkompositionen, für diese unterschwellige Bedrohlichkeit, diesen nur unter einer dünnen Oberfläche verborgenen Wahnsinn, der sich in vielen seiner Filme findet, hier steht für mich der Style aber eindeutig im Vordergrund, zu Lasten der Substanz – allem voran die vom Rest des Films komplett losgelöste Titelsequenz, die eher an Bond-opening titles gemahnt, aber auch einige andere Shots, die sich für mich zu sehr nach „guckt mal, was ich kann“ anfühlen (als wenn Fincher das noch unter Beweis stellen müsste). Zudem zieht einem der Soundtrack häufiger mal den Knüppel über’n Kopf, extrem enervierend z.B. in den ersten Szenen mit Lisbeths neuem Betreuer, in denen einem die wabernde Tonspur ständig „Obacht! Ganz abgefuckter Typ!“ entgegenbrüllt.
/SPOILER

Klingt vermutlich insgesamt recht negativ, ich würde (und werde) ihn mit guten ***1/2 bewerten, ohne die Existenz der Vorlage wären es aber ziemlich sicher **** geworden. In etwa wie im Fall LET ME IN, ein für sich sehenswerter Film, der aber in den Details schwächelt und dadurch dem Original nie das Wasser reichen kann.

--

"This is a present from a small, distant world, a token of our sounds, our science, our images, our music, our thoughts and our feelings. We are attempting to survive our time so we may live into yours." Voyager Golden Record