Re: Umfrage – Die besten Tracks 2011 (Top 10)

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Gang of One

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Zu: Laura Marling – „The Beast“

pipe-bowlFür mich der Outstanding-Track dieses Albums. Wie diese fragile, bisher so fest im Folk verwurzelte Person hier ein Aufbrausen bis hin zum eruptiven Ausbruch wagt, finde ich äußerst bemerkenswert. Dieser Track manifestiert für mich am besten ihr offensichtlich neu gewonnenes Zutrauen, die Dinge auch mal anders anzugehen.

Witek DlugoszIch kenne ihre vorherigen Platten nicht, finde aber, dass das Aufbrausen in diesem Track reichlich aufgesetzt wirkt. Ich höre da die ganze Zeit ein zwischen ungläubig und trotzig pendelndes „Hört mal, ich kann auch wild“. Davon abgesehen finde ich das Songwriting schwach bei diesem Track.

Ich halte es hier mit pipe-bowl; Witeks Einschätzung kann ich gar nicht nachvollziehen. Wenn Laura Marling zeigen wollte, „dass sie auch wild kann“, würde sie anders singen, oder? Die finsteren, aggressiven E-Gitarren deuten Wildheit an, aber sie wird nicht übertrieben ausagiert – „das Tier“ lässt seine Kraft fühlen, droht auszubrechen, bleibt aber gezügelt. Das verleiht der Aufnahme eine große Spannung. „The Beast“ ist zudem ein Musterbeispiel für einen konsequenten Trackaufbau: er wird immer größer und größer – die beste geradlinige Steigerung, die ich dieses Jahr gehört habe. Ein Monster von einem Track. Und fantastisch gesungen. Meine erste Lieblingsstelle ist dieser Dialog: „You’re ok now?“ „I suppose…“ „You’re not pulled by the rope?“ „I’m pulled by the pull on my throat. I’m pulled by the rope. I swing from the trees onto the slope.“ Und meine zweite Lieblingsstelle: „Put your eyes away if you can’t bear to see your old lady lay down next to the beast.“

Am Songwriting gibt es nichts auszusetzen: Das Thema (Streit mit dem Ex-Geliebten) wird ins Archetypische gewendet und ökonomisch umgesetzt, ohne zuviel preiszugeben, so dass Spielraum für Interpretationen bleibt. Das musikalische Material ist reduziert, um sich der Steigerungsdynamik zu fügen, und zeigt seine Stärke darin, dass es diese Dynamik trägt. Und schließlich ist mir auch schleierhaft, wie man dies alles als „aufgesetzt“ wahrnehmen kann – ich sehe es umgekehrt: „The Beast“ definiert neu, was in Zukunft von Laura Marling zu erwarten ist.

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To Hell with Poverty