Startseite › Foren › Über Bands, Solokünstler und Genres › Eine Frage des Stils › Blue Note – das Jazzforum › Blindfoldtest #8 – Redbeansandrice › Re: Blindfoldtest #8 – Redbeansandrice
Hui, hier geht es ja wieder ganz schön zur Sache.
Es ärgert mich und tut mir leid, dass ich hier nicht am Ball bleiben kann/konnte. Natürlich habe ich ein bißchen mitgelesen und das ein oder andere mittlerweile aufgeschnappt. Meinen zweiten Schwung an Kommentaren habe ich noch davor gepostet, aber mangels Internetverbindung auf USB gebannt. Daher kenn ich den im Folgenden noch nachtragen.
Die etwas nach hinten geschobene Auflösung kommt mir zu Gute, dann kann ich hoffentlich noch den Rest beitragen.
#6 Im ersten Moment war ich etwas überrascht. Dass da dieser E-Bass kommt, der fast ein Popstück vermuten lässt und dann das Mantra-artige Gebet?! Schade, dass sich meine vorherige Vermutung nach europäischer Musik nicht bestätigt hat, denn das würde gut dazu passen. Jedenfalls lässt mich dieses Stück etwas ratlos zurück. Der Fokus liegt auf dem Bass als Instrument und irgendwie sind es derer drei (?). Mich erreicht die Musik jedenfalls sehr stark aufkognitiver Ebene, weniger auf der emotionalen. Trotzdem glaube ich, dass da etwas tief spirituelles dahinter steckt – eben ein Mantra.
#7 Orgel. Darauf habe ich ja gewartet. Ich bin immer noch kein großer Freund, aber manchmal transportiert die Orgel etwas, was andere Instrumente nicht können…und wenn es ‚greasyness‘ ist. Erstaunlich finde ich hier, dass der Klang recht clean ist, ich würde die Aufnahme auch etwas neuer datieren. Vielleicht verbirgt sich dahinter auch ein Pianist, der zur Orgel gewechselt ist? Die Musik kommt mir etwas „verzagt“ vor. Irgendwie schon dem Groove verpflichtet, aber mit gezogener Handbremse. Ich kann das aber nicht genauer einsortieren, da mir die Grundlage fehlt.
Das könnte natürlich eine der zahlreichen Prestige-Sessions sein, da kenne ich mich zu wenig aus. Zuerst dachte ich, dass der Organist der Leader ist, einfach weil die Orgel den dominanteren Sound hat, aber der Gitarrist ist genauso prominent zu hören. Jedenfalls scheint mir das doch ein eingespielteres Duo zu sein, welches die Musik ausbalanciert und sich die Beiden nicht um die Gunst des Hörers balgen müssen. Die Musik ist catchy und macht Spaß – liegt natürlich auch an der Rogers/Hart-Komposition (ist schon „Falling in love with love“, oder?), aber so ganz bekommt sie mich nicht. Vielleicht in die Richtung Charles Earland/Melvin Sparks?
Nachtrag: Larry Young also? Wie eigentlich bereits angeklungen ist, ich kann Organisten nur schwer einordnen, da fehlen mir die Eigenheiten, der Personalstil. Im Nachhinein betrachtet, war ich mit einer Vermutung, dass es sich um einen umgestiegenen Pianisten handeln könnte, gar nicht so weit weg. Dadurch wird das etwas sichere, wohlgefällige im Spiel etwas klarer für mich.
#8 Das hört sich gleich zu Beginn wie ein E-Piano an, könnte das stimmen? Jedenfalls versucht der Pianist sehr zwischen Im- und Expressionismus zu changieren und bedient sich dabei aus meiner Sicht vor allem bei Debussy und Poulenc. Ich weiß nicht so ganz, was ich davon halten mag, denn der Pianist zeigt deutlich, dass er das kann, aber es mutet mir zu akademisch an. Er verbleibt häufig im Diskant und versucht gegenläufige Akzente mit der linken Hand zu setzen, dabei macht ihm das Klavier einen kleinen Strich durch die Rechnung, da es doch sehr hell klingt. Das was ich am spannendsten finde, ist die Frage, ob man das völlig ohne Kontext als Jazz, oder doch eher als moderne Musik bezeichnen würde. Dahingehend regt es mich an, ansonsten bleibe ich eher kühl.
#9 Dieses Stück hatte ich bereits am Anfang auf Repeat und habe mich wiederholt einlullen lassen. Für mich ist das die perfekte Anknüpfung oder Fortsetzung von #4. Natürlich denke ich bei „You don’t know what love is“ sofort an Chet Baker, der diese grandiose Mischung aus kaltem Stahl und zerbrechlicher Stimme einmalig hinbekommen hat. Diese Interpretation greift sofort in den Tuschekasten und mal mit dicken Farben und unglaublich viel Wärme. Die repetitiven Griffe des Bassisten sind ganz toll, auch der fast kaum mehr zu spürende Drummer. Toll ist auch, wie wenig der Posaunist letztlich macht. Der Sound ist dicht, aber sehr klar, teilweise nimmt er sich wieder zurück, dann wird er wieder lauter, aber alles zusammen ist das eine schmelzende Einheit. Genau das versucht das Alt zu durchbrechen, indem es den möglicherweise abgeklärten Posaunisten auf seinen Liebeskummer vehementer hinweisen möchte. Der Einstieg ist toll, vor allem wie auch er immer wieder Fahrt aufnimmt und sich dann wieder zurückzieht. Am positivsten ist dann der Pianist. Eigentlich könnte das eine typische Riverside-Aufnahme sein. Bud Shank hat das auch mal mit Posaune aufgenommen, aber er ist es natürlich nicht.
#10 Seltsam, wie ich manche Dinge sofort als typisch für einen bestimmten Sound erachte, auch wenn sie das mitunter nicht sind. Bei den lockeren Beckenklängen denke ich sofort an West Coast Jazz und die insgesamt luftige Spielweise der Musiker lässt mich auch weiterhin daran denken. Zuordnen kann ich überhaupt nichts, ausser das der Posaunist die Töne hin und wieder zu verschlucken scheint und immer wieder ein wenig unsauber klingt. Das hört sich nicht so voll und dicht, wie bspw. bei Curtis Fuller an. Alle machen ihre Sache sehr gut, besonders in den ineinander verwobenen Stimmen am Ende und die gute Laune wird gleichmäßig aufrechterhalten. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass das ein wenig harmlos ist, ein bißchen Biss hätte dem Stück nicht geschadet. Die Komposition würde es eigentlich locker hergeben. Auf der anderen Seite passt das natürlich zu einer typischen 50er Contemporary-Platte, zu Sonnenschein, Strand, Meer, Palmen. Also ein cooles Stück, aber mit Luft nach oben.
--
"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III