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So, dann will ich mich vor den Weihnachtstagen auch noch zu Wort melden, allerdings in kleineren Etappen.
#1 Das Stück ist ein wunderbarer Auftakt und passt nicht nur zu diesem bft, sondern auch zur allgemeinen Stimmung die gerade herrscht (herrschen sollte). So Musik wünscht man sich in so manchem Hollywood-Kitsch, anstatt Michael Bublé…aber lassen wir das.
Der Einstieg ist tell, mit dem stufigen Klavier, dazu erst gestrichener Bass, die Melodie eird etwas mysteriöser und dann der Drummer mit den gestrichenen Toms, er kann das und es hört sich nicht nach Hintergrundrauschen an. Wunderbar ist auch der dezent spielende Pianist und der satte Basston, die den Boden legen, bevor der Trompeter sich ausbreitet. Sein Ton suggeriert „Ich weiß, heute ist nicht Dein Bester Tag, aber der morgige kann schon wieder ganz anders werden“, also eine Mischung aus Melancholie, Besinnung und Fröhlichkeit/Hoffnung.
Das Thema suggeriert eine erfahrene Hand, so wunderbar durchkomponiert und strukturiert wie es ist, aber doch wird die Musik mit leichter Hand gespielt. Ist auf jeden Fall neu für mich und eine ganz tolle Entdeckung.
#2 Hier wird die Stimmung gekonnt aufgegriffen, wieder gestrichener Bass zu einem leicht mystischen Thema, aufdem sich das Sax gleich zu anfang ausbreitet. Ein bißchen hat mich am Anfang gestört, dass der Pianist klirrt und der Saxophonist etwas unsauber spielt, aber nach und nach gewinnt das sehr an Charakter. Die Posaune finde ich dann interessanter, da sie irgendwie sehr nahe an einer gestopften Trompete spielt und dem Stück eine bluesige Schläfrigkeit verleiht. Der Pianist übernimmt die Stimmung und kommt ein bißchen ins arpeggieren, was mich an Gene Harris erinnert, bzw. eine Idee entstehen lässt, wie Harris auch hätte klingen können. Die Harfe ist dann eine echte Überraschung, zumal sie eher kräftig angepackt wird. Mir gefällt auch gut, dass sie als Soloinstrument eingesetzt wird und nicht von Anfang an als Klangteppich gebraucht wird. Der kleine Ausbruch des Saxophonisten am Ende überrascht mich und lässt mich in eine andere Richtung denken.
Die Harfe wurde nicht oft im Jazz verwendet, vor allem nicht in Verbindung mit Saxophon, Posaune und Klavier. Das bedeutet, dass die frühen Aufnahmen von Ashby mit bspw. Junior Mance oder Frank Wess rausfallen, da es die Paarungen nicht gibt. Das Stück mit dem kleinen Ausbruch am Ende, in Verbindung mit der Band kann eigentlich nur auf diesem [COLOR=“DarkOrange“]Album zu fnden sein. Das würde auch erklären, warum der Track so einen zeitlosen Eindruck macht.
(Adele Girard kann ich auch ausschließen, die immerhin mit Jack Teagarden zusammen gespielt hatte.)
#3 Ein Trompeten/Klavier-Duo gibt es nicht sonderlich oft. Auf „Diane“ wurde ja schon hingewiesen, glaube ich. Auf jeden Fall ist das hier etwas neueres. Die Trompete hat einen schönen, satten Ton, dezent brüchig an manchen Stellen und eine toll klingende, leicht unsaubere Art zu spielen. Toll ist aber auch, was der Pianist so alles anstellt, von derbem Holzfäller-Anschlag bis zu funkig-springenden Linien. Auf jeden Fall behandeln sich beide wie ebenbürtige Partner und versuchen sich nicht gegenseitig auszustechen. Gefällt mir in diesem Rahmen sehr gut, aber ich weiß nicht, ob ich das öfter hören würde. Ein bißchen fehlt mir dann doch die emotionale Tiefe.
Das kann jetzt natürlich alles sein, da ich in der Art gar nichts kenne. [COLOR=“darkorange“]Hier gibt es jedenfalls eine Übersicht und ich wette, dass es da dabei ist! :lol:
#4 Wieder ein Stück, bei dem mir im ersten Moment durch den Kopf schießt, was ich nicht alles NICHT kenne. Das Ganze hört sich an wie ein Marsch, mit vielen Stops, Brüchen und Lücken. Trotzdem ist der Boden irgendwie sehr voll und dicht, gut getragen vom Bassisten und spärlich, aber effektiv schattiert vom Drummer. Alles bewegt sich wie unter schwerer Last voran und zeigt die typische Bluesmentalität – Lasten in Würde erdulden und allem etwas positives zu entnehmen. Die Musiker sind toll durch die Bank. Das Alt klingt sehr nach Konitz, aber auch sehr reinlich und geordnet wie von Desmond, wird also irgendwo dazwischen sein. Dann ein wunderbar volles Bariton, das aber viel zu schnell an die Trompete abgibt. Der Stop ist sehr cool und die Trompete dann natürlich fast das beste Instrument für so einen ‚Marsch‘. Leider bekommt sie nur wenig Spielraum, wahrscheinlich ist der Altsaxer als der Leader. Erst gegen Ende ist mir übrigens das fehlende Klavier aufgefallen und die sehr vornehm akzentuierende Gitarre. Auf jeden Fall ist das ein sehr besonderes Stück und ich wage die zarte Vermutung, dass das etwas europäisches ist?
#5 Der Tonus ist bis hierhin ja sehr melancholisch, was mir auf jeden Fall gut gefällt. Das Stück ist erst einmal weit von den anderen entfernt, hier geht es weniger um Groove, sondern um die Stimmung. Der Pianist lässt viele Räume offen, exploriert unterschiedliche Stimmung, zieht dabei mal das Tempo an, mal bremst er es wieder. Faszinierend ist dabei, dass er immer swingt und keine Spur affektiert oder manieriert spielt. Die Musik spiegelt einfach einen intimen Moment wieder, der sehr von unterschiedlichen Stimmungen getragen ist. Da ist viel Satie dabei. Der Schluss ist natürlich grandios, absolut understatet und zeugt von Klasse. Auch hier tippe ich auf etwas europäisches. Skandinavien, Polen vielleicht?
Später mehr, ich glaube, ich editiere hier einfach.
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III