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Fevers and Mirrors@ RG
Die Neue so „schlecht“? Wie kommt’s? Bin leider noch nicht dazu gekommen, sie zu hören, habe aber höhere Erwartungen, als bei den letzten Alben.
MagField hat „recht“. Ich bin der falsche Adressat, glaub‘ auch der „Zeit“, Du wirst das Album anbeten:
www.zeit.de
Stilsichere Tristesse
Von Philipp WurmAuch auf ihrem neunten Album feiern die Tindersticks die zeitlose Melancholie. Wer sich in die dunklen Tiefen von “The Something Rain” hinabbegibt, sollte seelisch stabil sein.
Was den spukigen Kammerpop der Tindersticks schon immer so intensiv gemacht hat, waren die Fantasien, die er anregte. Eine Szenerie wie in einer Oscar-Wilde-Erzählung zeichnete sich vor dem inneren Auge ab, ein Landhaus, in dessen Gemächern die Tapete abblättert, ein Dandy im Schlafrock, der durch die einsamen Gemächer schlurft, übernächtigt und schicksalsgeschüttelt, ein Kaminfeuer, in dem ein Rest Glut glimmt.
Natürlich war es das altmodische Instrumentarium, dessen sich die Band aus dem britischen Nottingham bediente, die diese Bilder auslösten: die Orgel, das Glockenspiel, die Geigen, der Schlagzeugbesen, die ganze aus der Zeit gefallene Melancholie. Dann war da noch Stuart Staples, der Sänger: Sein Tremolo war so tiefschürfend wie sonst nur das von Scott Walker, und sein Äußeres von so akkurat verwahrloster Noblesse, dass man meinte, er sei in Wirklichkeit der verkrachte Abkömmling irgendeiner berühmten Adelsfamilie.
In der Frühphase, mit Alben wie Tindersticks (1993) oder II (1995), brachten die Tindersticks ihre Vorzüge am eindrucksvollsten zur Geltung – Songs wie Jism oder Tiny Tears waren üppig arrangierte Dramen über gescheiterte Liebe. Seither sind sie ihrem Stil zwar treu geblieben, einer eigenwilligen Mischung aus Folk, Chanson, Jazz und Schrammelrock. Sie wurden nur nicht mehr so fiebrig wie zu Zeiten ihres Frühwerks.
Natürlich war es das altmodische Instrumentarium, dessen sich die Band aus dem britischen Nottingham bediente, die diese Bilder auslösten: die Orgel, das Glockenspiel, die Geigen, der Schlagzeugbesen, die ganze aus der Zeit gefallene Melancholie. Dann war da noch Stuart Staples, der Sänger: Sein Tremolo war so tiefschürfend wie sonst nur das von Scott Walker, und sein Äußeres von so akkurat verwahrloster Noblesse, dass man meinte, er sei in Wirklichkeit der verkrachte Abkömmling irgendeiner berühmten Adelsfamilie.
In der Frühphase, mit Alben wie Tindersticks (1993) oder II (1995), brachten die Tindersticks ihre Vorzüge am eindrucksvollsten zur Geltung – Songs wie Jism oder Tiny Tears waren üppig arrangierte Dramen über gescheiterte Liebe. Seither sind sie ihrem Stil zwar treu geblieben, einer eigenwilligen Mischung aus Folk, Chanson, Jazz und Schrammelrock. Sie wurden nur nicht mehr so fiebrig wie zu Zeiten ihres Frühwerks.
Ihr mittlerweile neuntes Studioalbum The Something Rain setzt den Trend der Vorgängeralben The Hungry Saw (2008) und Falling Down A Mountain (2010) fort: Es geht den Tindersticks nicht mehr darum, den Hörer mit Opulenz zu überwältigen. Stattdessen haben sie ihre Arrangements verschlankt. The Something Rain markiert den Abschluss dieses Reduktionsprozesses: mehr Miniaturen, weniger Hymnen.
A Night So Still oder Medicine etwa sind dicht gesponnene Gewebe aus Gitarre, dräuenden Streichern und überraschenderweise einer Drum Machine. Staples singt dabei von Schwächeanfällen und Schläfrigkeit, den üblichen Beschwerden also, und seine Stimme hallt dunkel, als sei er in einen tiefen Brunnen gefallen.
The Something Rain ist womöglich das dunkelste Album, das die Tindersticks bislang aufgenommen haben. Frozen zum Beispiel ist eine Geisterbahn, deren Inventar aus schmerzverzerrten Bläsern, nervösen Bassläufen und morbiden Echos besteht. Einzig Slippin’ Shoes sorgt für einen schummrigen Lichtschimmer: eine Wurlitzer-Nummer mit loderndem Saxofon, die stellenweise sogar Funk-Appeal besitzt. Das heißt aber noch lange nicht, dass das Stück geeignet wäre, um in einer Bar aufgelegt zu werden. Staples brummt etwas von zertrampelten Blumen und gebrochenen Herzen: ein Abgesang auf alle romantischen Illusionen. Der DJ, der so etwas spielt, muss schon sehr mutig sein.
Wer in die Unterwelt dieses Albums hinabsteigt, sollte also eine stabile seelische Verfassung vorweisen. Enttäuscht wird man dann jedoch nicht. Denn trotz aller Tristesse büßt die Band niemals ihre Stilsicherheit ein. Zu durchdacht sind all diese Kompositionen, zu beseelt ist deren Umsetzung. Was beweisen dürfte, dass die Tindersticks selbst keineswegs depressiv sind – auch wenn ihre Musik so klingt.
Unterm Strich kann man einen Ausreißer (meine Wertung bzw. Eindrücke) also getrost unter den Tisch fallen lassen…
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