Re: bft 6 – gypsy tail wind

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friedrich

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gypsy tail windDas hängt aber auch damit zusammen, dass es in der Zeit der 3-Minuten-Aufnahmen kaum Bassisten gab, die’s Wert gewesen wären… das änderte sich mit Jimmy Blanton, dem Bassisten von Ellington, der viel zu jung verstarb. Er kriegte manchmal Platz für Soli, es gibt auch ein paar Duette von Ellington und ihm, vor allem aber ist sein Bass-Spiel in jeder Big Band-Aufnahme da, hat eine Präsenz, wie das vor und nach ihm nur wenige hatten. Aber da ist eben nicht nur diese Präsenz sondern auch eine noch nie zuvor gehörte Virtuosität.

Damit rennst Du bei mir offene Türen ein. Viele Aufnahmen der BLANTON-WEBSTER BAND (die ja eigentlich eine ELLINGTON-STRAYHORN-HODGES-STEWART-WILLIAMS-CARNEY-TIZOL-BIGARD usw.-BLANTON-WEBSTER BAND war), liebe ich. Jimmy Blanton war klasse. Wenn er in den Vordergrund tritt, dann meist mit kleinen, aber sehr effektiv gesetzten Breaks. Ansonsten ist er aber dafür zuständig, die Musik aus dem Hintergrund rhythmisch zu akzentuieren, viel mehr als es andere Bassisten zu dieser Zeit wohl getan haben. Mag sein, dass er live auch längere Soli gespielt hat, aber das ist es offenbar nicht, womit er diese Band geprägt hat. Die Duo-Aufnahmen mit Ellington kenne ich nicht.

gypsy tail windFür mich persönlich spielte Charles Mingus schon sehr früh eine wesentliche Rolle. Seine Alben „Mingus Ah Um“ (Columbia) und „Charles Mingus Presents Charles Mingus“ (Candid) sowie wenig später auch „The Black Saint and the Sinner Lady“ (Impulse) und diverse weitere, gehörten sehr früh zu meiner Sammlung. Mingus ist nun nicht der Bassist, der uns mit seiner Virtuosität dauernd beglücken möchte, er hat auch diese unglaubliche Projektionskraft – diesbezüglich halte ich ihn für unübertroffen. Wie er vom Bass aus seine Musik prägte und die Bands steuerte, ist immer wieder eindrücklich!

Für mich auch ein Bassist, der die Musik eher aus dem Hintergrund prägt indem er die anderen Musiker vor sich her treibt, als dass er sich mit Soli in den Vordergrund spielt. Und für mich war er eigentlich auch immer zuvorderst Komponist und Bandleader. Aber Du sagst es selbst am schönsten: er prägt und steuert vom Bass aus seine Band.

gypsy tail wind… Ray Brown und Oscar Pettiford … Mingus … Percy Heath, Paul Chambers, Doug Watkins … Wilbur Ware oder Al McKibbon … Scott LaFaro, Ron Carter, Richard Davis, Jimmy Garrison, Gary Peacock, Charlie Haden etc.

Alles tolle Leute. Können sicher auch alle tolle Soli spielen, was ich gerne anerkenne. Ich will auch gar nicht ausschließen, dass mir das ab und an gefallen könnte. Ich höre den Bass halt einfach lieber in einer anderen Rolle, was ja keineswegs heißen soll, dass ich ihn nicht schätze.

gypsy tail windWenn nun allerdings mittelprächtige Bassisten in jedem Stück ein Solo kriegen (so geschehen in Thelonious Monks Quartett in den Columbia-Jahren, Butch Warren und Larry Gales sind gute Bassisten aber bestimmt nicht die grössten Solisten, mit Verlaub), dann langweilt mich das auch ziemlich schell.

Ganz genau das ist es: Ich bin ja großer Monk-Fan, aber dieses stereotype Schema mit der immer gleichen Soli-Abfolge bei späteren Monk-Aufnahmen von Piano, Sax, Bass und Drums, völlig unabhängig davon, ob es etwas zu sagen gibt oder nicht: jedem wird seine Redezeit eingeräumt. Das macht die Musik für mich manchmal richtig kaputt!

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)