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katharsisBevor ich Deine Anmerkungen kommentiere, stelle ich erst einmal den zweiten Schwung rein.
Danke zum zweiten!
katharsis#1 Jaja, die beiden Brüder. Ich bin mal gespannt, ob mir ihr Impulse-Album mal in die Hände fällt. Das kenne ich rein gar nicht. Der zweite Teil des bft beginnt damit jedenfalls sehr schön. Die Band hält den Groove die ganze Zeit über aufrecht ohne zu nerven, da er ziemlich catchy ist, ohne cheesy zu sein. Ich finde allerdings, dass sich mit dem Klavier-Spotlight etwas der Reiz des Stückes verliert.
#2.1 Das Impulse-Album ist in der Gangart ziemlich anders – härter, freier. Dürfte Dir eher weniger gefallen. Ich würde eher „East Berlin 1966“ oder „Solarius“ empfehlen (die mir ein netter Bekannter kopiert hat, hab sie selber auch nie gefunden bzw. nie hartnäckig genug gesucht).
katharsis#2 Das mutet erst einmal sehr ungewohnt an und lenkt den Verdacht auf eine Enja oder ECM-Einspielung. Ich habe mittlerweile vermeintlich herausgehört, dass fast ausschließlich europäische Musiker zu hören sind, was mir das Erkennen erschwert, aber das würde ich instinktiv nach Skandinavien packen und eher etwas neueres vermuten. Der Bass klingt streckenweise nach Mads Vinding. Jedenfalls ist das sehr schöne Musik, die durchaus Gehalt hat und Assoziationen von Wärme und Geborgenheit anbietet. Besonders das Bass-Solo ‚wärmt‘ ziemlich.
#2.2 Freut mich, dass das gefällt! Dass es Deutsche sind wirst Du wissen, wenn Du meine Antwort hier liest – allerdings ist hier nur einer Deutscher… Enja und ECM würden nicht übel passen (auch FMP, ganz früh), ist aber beides falsch.
katharsis#3 Kontrastreich geht es weiter, mit einem harschen Bläserton. Teilweise höre ich „My funny Valentine“ anklingen, aber die auflösenden Töne werden versagt. So Musik ist jedenfalls nichts für den klassischen Hardbopper, da der gerne möchte, dass die Musik sofort auf den Punkt kommt. Mich stört das aber nicht, das Stück hat etwas sehr kammermusikalisches und lädt durch das dichte Instrumentarium, aber die offene Konzeption zum Zuhören ein. Für mich funktioniert das dann auch gut als bft-Stück, aber ich weiß nicht, ob ich mir das ‚zum Vergnügen‘ auflegen würde. Trotz allem kommt mir diese spitz klingende Frontline bekannt vor, respektive erweckt Assoziationen.
#2.3 Hm… mal sehen, ob sich hier am Ende jemand (nicht unbedingt Du, eigentlich eher nicht Du) an den Kopf greift, wenn die Auflösung kommt…
katharsis#4 Das passt thematisch gut und der Schwerpunkt liegt auf dem Mäandern von Stimmungen und Tempi. Der Schlagzeuger erscheint mir durchaus klassisch, während der Pianist seltsam dazwischen liegt. Einerseits Bop-Credentials, andererseits aber deutliche klassizistische Anklänge, Bartok oder Prokofjew etwa. Cecil Taylor? So ein Stück repräsentiert jedenfalls gekonnt eine Art besonderen Stil, der irgendwo zwischen modernem Jazz, Avantgarde und freier Musik schwebt und sich mühelos bei jedem bedient. Mir gefallen die kontrastierenden, tonalen Themen der Bläser, während die Trompete davor macht, was sie will. Auch der Altist weiß zu gefallen, vom Ton ist mir die Trompeter aber näher. Fragiler übrigens als Dolphy, dermit viel mehr Wucht spielte, aber ähnliche Lösungen fand.
#2.4 Spannende Musik, nicht? Oben wurde schon ein wenig drüber diskutiert, mir gefällt der Altsaxer am besten, aber insgesamt find ich das Stück bemerkenswert und eigen.
katharsis#5 Auch das hier würde ich als Third Stream Musik bezeichnen, da es anderweitig schwer zu greifen ist. Mir fällt auf, wie kenntnisreich und versatil die Musiker alle mit ihren Instrumenten umgehen, während mancher oberflächlich nur Geklimper zu hören vermag. Der satte Klang gefällt mir hier besonders und über ein ansprechendes Bass-Solo freue mich immer. Schön ist, wie alles ineinander übergeht, der Pianist das akzentuiert und auch der Drummer den dunklen Ton beibehält. Absolut keine Ahnung, wer das ist. Würde ich mir aus Gewohnheit ebenfalls nicht explizit auflegen, kann aber sehr viel damit anfangen.
#2.5 Das hier als Third Stream zu betrachten, darauf bin ich noch nie gekommen… macht für mich nicht recht Sinn, auch wenn ich Deine Artumentation nachvollziehen kann. Ich würde sagen „frühe Avantgarde“ – dass es da Bezüge zum Third Stream gibt liegt auf der Hand, aber energetisch und von den Freiräumen her find ich das hier doch ganz anders!
katharsis#6 Huch. Klaus Kinski bekommt einen Pfeil zwischen die Augen und fällt melodramatisch zu Boden? Das hört sich doch sehr nach Klangexkursion und Soundtrack an. Von der Art der Rhythmik klingt das nach Oscar Sala, aber der hat ja so etwas überhaupt nicht gemacht. Funktioniert für mich als Kunstwerk, dem man sich interessiert zuwendet, weniger als Musikstück. Aber auch hier keine Ablehnung.
#2.6 Tolles Bild! Bin ja so gar kein Kinski-Fan
Deine Reaktion gleicht der meinen übrigens ziemlich!
katharsis#7 Auch das klingt wieder sehr nach Soundtrack. Irgendwie glaube ich, dass das alles ältere Aufnahmen von 60er Agenten- und Trash-Filmen sind! Die Musik atmet unheimlich viel Miles (der Trompeter natürlich, sehr gut) und die Musik klingt dann auch wie eine weiterentwickelte Version von Fahrstuhl zum Schaffott. Also wenn das nicht für einen Film ist, dann fress‘ ich einen Besen. So viele Film noir-Bilder hatte ich bislang nur selten vor Augen.
#2.7 Es ist kein Soundtrack, aber das passt schon von der Assoziation her! Der Trompeter ist hervorragend und vorgarten hat ihn gestern identifiziert!
katharsis#8 Ich fühle mich von Stück zu Stück zwischen den Zeiten hin- und hergerissen. Auch hier wieder etwas Barjazz, aber von der Art, wie er gemacht werden sollte. Eigentlich eine Ballade, die aber nicht so recht dem klassischen Schema folgen will. Ich weiß nicht, ob mir das nicht irgendwie bekannt vor kommt.
Auf jeden Fall strengen diese Stücke mehr das Kopfkino an, als dass man sich rein auf die Musik zu konzentrieren vermag. Das find‘ ich aber äußerst spannend.
#2.8 Du bist der einzige, dem ich zutrauen würde, das hier zu kennen (und nicht bloss zu erraten). Erschien jedenfalls ennet des grossen Wassers, falls das weiterhilft (vielleicht ist’s damit auch sofort klar, ich kenn mich da weniger gut aus als Du!)
katharsis#9 Hmm. Den Kontrast von so etwas auf etwas ruhigeres, melancholisches kann ich besser aushalten, als diesen Weg. Gefällt mir etwas weniger, vor allem weil der Sound irgendwie etwas ‚glitschig‘ ist, etwas zu poliert. Was dann aber im Mittelteil passiert, lässt aufhorchen. Das ist humorvoll und düster zu gleich. Schade, dass das dann wieder kippt. Damit kann ich bislang am wenigsten anfangen.
#2.9 Ist eine eigenartige Band, ein eigenartiges Album – aber ich wollte was von ihnen drinhaben, auch wenn der Track nirgendwo richtig reinpasste…
katharsis#10 Die Posaune bleibt, allerdings wesentlich gemäßigter und weniger brassig. Besonders freue ich mich über die Flöte, die damit die Instrumentierung ungewöhnlich macht. Gefällt mir sehr gut und gerade der Flötist hat etwas von Jeremy Steig oder dem frühen Herbie Mann. Ich meine auch einen gestrichenen Bass zu hören, sehr tief insgesamt, aber unheimlich warm und erdig. Sehr schönes Stück.
#2.10 Den Flötisten kenne ich nicht, aber die Scheibe, von der dieses Stück kommt, gefällt mir sehr, sehr gut! Musste einfach rein. Der Posaunist ist der Leader hier.
katharsis#11 Das ist ein Stück, das ich wirklich intensiv hören muss, um es zu mögen. Viel kreide ich der Aufnahmetechnik an, da mich dieses insgesamt sehr hohe und glatte äußerst abschreckt. Das färbt auch auf die Musik ab, die ich dadurch als zu poliert empfinde. Klar, der Pianist kann das, aber bei mir rauscht das vorbei.
#2.11 Ja, die Aufnahme ist wirklich etwas schrill und glatt geraten.
katharsis#12 In diesem bft sind eine ganze Menge sonderbare, überraschende und tolle Tracks versteckt. Meine Meinung zu diesem: :roll:
Aber die Solisten sind gut.
#2.12 Das überrascht mit ein wenig… ist doch ein hübscher Hardbop/Souljazz-Track! Allerdings merk ich grad: Du hast Dich meines Wissens noch gar nie zu Big Bands geäussert – magst Du sie nicht, oder hast Du Dich einfach noch nicht mit ihnen befasst?
katharsis#13 Auch das ist wieder eine besondere Form von Third Stream, die irgendwie einen Zeitsprung verwurstet und von Dixieland bis Free Jazz alles vereint. Der Beat in der Mitte macht das ganze Stück aber unerträglich, das klingt wie 80er Jahre Musik.
#2.13 Das ist aus den 80ern, aber das Stück ist viel älter und kommt aus einer ganz anderen Ecke. Ich scheine mehr oder weniger allein zu sein mit meiner endlosen Faszination für diese Scheibe! Schade…
katharsis#14 Irisch? Keltisch? Wenn ich böse wäre, dann würde ich behaupten, dass das die Nr. 13 ist, aber von einer irischen Marching-Band am St. Patrick’s Day vorgetragen!
#2.14 Das ist teutonisch… und ich behaupte mal, das hätte sogar ich gemerkt
Vielleicht muss man die Zusammenhänge kennen, um #13 und #14 zu schätzen? Das wäre ja kein gutes Zeichen, kann ich aber nicht recht sagen, da ich nicht hinter mein Wissen zurück kann…
katharsisSummasummarum: Gegen Ende wird es für mich uninteressant und zu kurios, aber es steckt eine Menge drin, auf das ich gespannt bin. Jedenfalls ein äußerst humorvoller bft! :party:
Das freut mich!
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