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Bevor ich Deine Anmerkungen kommentiere, stelle ich erst einmal den zweiten Schwung rein.
#1 Jaja, die beiden Brüder. Ich bin mal gespannt, ob mir ihr Impulse-Album mal in die Hände fällt. Das kenne ich rein gar nicht. Der zweite Teil des bft beginnt damit jedenfalls sehr schön. Die Band hält den Groove die ganze Zeit über aufrecht ohne zu nerven, da er ziemlich catchy ist, ohne cheesy zu sein. Ich finde allerdings, dass sich mit dem Klavier-Spotlight etwas der Reiz des Stückes verliert.
#2 Das mutet erst einmal sehr ungewohnt an und lenkt den Verdacht auf eine Enja oder ECM-Einspielung. Ich habe mittlerweile vermeintlich herausgehört, dass fast ausschließlich europäische Musiker zu hören sind, was mir das Erkennen erschwert, aber das würde ich instinktiv nach Skandinavien packen und eher etwas neueres vermuten. Der Bass klingt streckenweise nach Mads Vinding. Jedenfalls ist das sehr schöne Musik, die durchaus Gehalt hat und Assoziationen von Wärme und Geborgenheit anbietet. Besonders das Bass-Solo ‚wärmt‘ ziemlich.
#3 Kontrastreich geht es weiter, mit einem harschen Bläserton. Teilweise höre ich „My funny Valentine“ anklingen, aber die auflösenden Töne werden versagt. So Musik ist jedenfalls nichts für den klassischen Hardbopper, da der gerne möchte, dass die Musik sofort auf den Punkt kommt. Mich stört das aber nicht, das Stück hat etwas sehr kammermusikalisches und lädt durch das dichte Instrumentarium, aber die offene Konzeption zum Zuhören ein. Für mich funktioniert das dann auch gut als bft-Stück, aber ich weiß nicht, ob ich mir das ‚zum Vergnügen‘ auflegen würde. Trotz allem kommt mir diese spitz klingende Frontline bekannt vor, respektive erweckt Assoziationen.
#4 Das passt thematisch gut und der Schwerpunkt liegt auf dem Mäandern von Stimmungen und Tempi. Der Schlagzeuger erscheint mir durchaus klassisch, während der Pianist seltsam dazwischen liegt. Einerseits Bop-Credentials, andererseits aber deutliche klassizistische Anklänge, Bartok oder Prokofjew etwa. Cecil Taylor? So ein Stück repräsentiert jedenfalls gekonnt eine Art besonderen Stil, der irgendwo zwischen modernem Jazz, Avantgarde und freier Musik schwebt und sich mühelos bei jedem bedient. Mir gefallen die kontrastierenden, tonalen Themen der Bläser, während die Trompete davor macht, was sie will. Auch der Altist weiß zu gefallen, vom Ton ist mir die Trompeter aber näher. Fragiler übrigens als Dolphy, dermit viel mehr Wucht spielte, aber ähnliche Lösungen fand.
#5 Auch das hier würde ich als Third Stream Musik bezeichnen, da es anderweitig schwer zu greifen ist. Mir fällt auf, wie kenntnisreich und versatil die Musiker alle mit ihren Instrumenten umgehen, während mancher oberflächlich nur Geklimper zu hören vermag. Der satte Klang gefällt mir hier besonders und über ein ansprechendes Bass-Solo freue mich immer. Schön ist, wie alles ineinander übergeht, der Pianist das akzentuiert und auch der Drummer den dunklen Ton beibehält. Absolut keine Ahnung, wer das ist. Würde ich mir aus Gewohnheit ebenfalls nicht explizit auflegen, kann aber sehr viel damit anfangen.
#6 Huch. Klaus Kinski bekommt einen Pfeil zwischen die Augen und fällt melodramatisch zu Boden? Das hört sich doch sehr nach Klangexkursion und Soundtrack an. Von der Art der Rhythmik klingt das nach Oscar Sala, aber der hat ja so etwas überhaupt nicht gemacht. Funktioniert für mich als Kunstwerk, dem man sich interessiert zuwendet, weniger als Musikstück. Aber auch hier keine Ablehnung.
#7 Auch das klingt wieder sehr nach Soundtrack. Irgendwie glaube ich, dass das alles ältere Aufnahmen von 60er Agenten- und Trash-Filmen sind! Die Musik atmet unheimlich viel Miles (der Trompeter natürlich, sehr gut) und die Musik klingt dann auch wie eine weiterentwickelte Version von Fahrstuhl zum Schaffott. Also wenn das nicht für einen Film ist, dann fress‘ ich einen Besen. So viele Film noir-Bilder hatte ich bislang nur selten vor Augen.
#8 Ich fühle mich von Stück zu Stück zwischen den Zeiten hin- und hergerissen. Auch hier wieder etwas Barjazz, aber von der Art, wie er gemacht werden sollte. Eigentlich eine Ballade, die aber nicht so recht dem klassischen Schema folgen will. Ich weiß nicht, ob mir das nicht irgendwie bekannt vor kommt.
Auf jeden Fall strengen diese Stücke mehr das Kopfkino an, als dass man sich rein auf die Musik zu konzentrieren vermag. Das find‘ ich aber äußerst spannend.
#9 Hmm. Den Kontrast von so etwas auf etwas ruhigeres, melancholisches kann ich besser aushalten, als diesen Weg. Gefällt mir etwas weniger, vor allem weil der Sound irgendwie etwas ‚glitschig‘ ist, etwas zu poliert. Was dann aber im Mittelteil passiert, lässt aufhorchen. Das ist humorvoll und düster zu gleich. Schade, dass das dann wieder kippt. Damit kann ich bislang am wenigsten anfangen.
#10 Die Posaune bleibt, allerdings wesentlich gemäßigter und weniger brassig. Besonders freue ich mich über die Flöte, die damit die Instrumentierung ungewöhnlich macht. Gefällt mir sehr gut und gerade der Flötist hat etwas von Jeremy Steig oder dem frühen Herbie Mann. Ich meine auch einen gestrichenen Bass zu hören, sehr tief insgesamt, aber unheimlich warm und erdig. Sehr schönes Stück.
#11 Das ist ein Stück, das ich wirklich intensiv hören muss, um es zu mögen. Viel kreide ich der Aufnahmetechnik an, da mich dieses insgesamt sehr hohe und glatte äußerst abschreckt. Das färbt auch auf die Musik ab, die ich dadurch als zu poliert empfinde. Klar, der Pianist kann das, aber bei mir rauscht das vorbei.
#12 In diesem bft sind eine ganze Menge sonderbare, überraschende und tolle Tracks versteckt. Meine Meinung zu diesem: :roll:
Aber die Solisten sind gut.
#13 Auch das ist wieder eine besondere Form von Third Stream, die irgendwie einen Zeitsprung verwurstet und von Dixieland bis Free Jazz alles vereint. Der Beat in der Mitte macht das ganze Stück aber unerträglich, das klingt wie 80er Jahre Musik.
#14 Irisch? Keltisch? Wenn ich böse wäre, dann würde ich behaupten, dass das die Nr. 13 ist, aber von einer irischen Marching-Band am St. Patrick’s Day vorgetragen!
Summasummarum: Gegen Ende wird es für mich uninteressant und zu kurios, aber es steckt eine Menge drin, auf das ich gespannt bin. Jedenfalls ein äußerst humorvoller bft! :party:
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III