Re: Sonny Stitt

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Der Soul Summit (PR 7234) brachte wie erwähnt Ammons, Stitt und McDuff zusammen. Nat Hentoff zitiert Stitt über seine Zusammenarbeit mit Jug in den Liner Notes wie folgt:

„I dig these dates so much,“ says Sonny, „because we always have a ball. We create as we go. We say what we feel right now. We don’t muddle over things. This is how the song goes – and bang! bang! And we also have fun feuding on our horns. It’s always a contest, but not a bitter one. I love Jug and he’s fond of me, but once we get going, we try our hardest to outdo each other.“

Das Album beginnt mit „Tubby“, einem Ammons-Original im 6/8-Takt, das Ammons und Stitt in altbewährter Manier zweistimmig präsentieren. Persip glänzt mit tollen Rhythmen (ist das wirklich nur er oder ist noch ein Conguero dabei?), während McDuff für eine ruckelnde Begleitung besorgt ist, die zuerst Ammons und dann Stitt zu äussert emotionalen Soli anspornt. Stitts „Dumplin'“ ist ein fingerpoppin‘ Blues, die Rhythmusgruppe changiert zwischen 2/2 und 4/4 und wie üblich soliert Ammons zuerst. Stitt folgt und dann haben die beiden ihre erste battle des Tages, ein äusserst angeregter Austausch von Ideen.
„When You Wish Upon a Star“ klingt in diesem Arrangement (wieder mit Two-Beat) fast ein wenig nach einem novelty tune. Ammons soliert zuerst, gefolgt von Stitt. „Shuffle Twist“ stammt von Ammons, es enthält den nächsten Dialog der beiden Tenöre, sehr entspannt aber auch kompetitiv.
Es folgt Jimmy Mundys „Sleeping Susan“, in dem erneut Ammons zuerst soliert, dann endet das Album mit „Out in the Cold Again“, der einzigen Ballade. Ammons demonstriert die Kraft, die im Understatement liegen kann, Stitt ist lyrisch auf seine leichtere Weise, seine Klage ist von grosser Zärtlichkeit.

Ein späterer Reissue von „Soul Summit“ (PR 7454) kriegte das obige Cover.

Am 4. April 1962 fanden sich Stitt, Weeden, Patterson und James im Plaza Sound Studio in New York ein, um Stitts einziges Jazzland- (und Riverside-)Album aufzunehmen: Low Flame (Jazzland 971). Nach all den Tenor-Schlachten mit Ammons und dem Tenor-Album mit McDuff ist Stitt hier wieder vermehrt am Altsax zu hören.
Die eingespielte Band begleitet Stitt in Blues-Nummern aller Schattierungen: da ist das traurige, langsam kochende „Low Flame“, das mittelschnelle „Silly Billy“ (beide am Tenor) und das locker-entspannte „Donald Duck“ (am Alt). Das dritte Tenorstück ist ein Überbleibsel der Zeit mit Miles Davis: „Put Your Little Foot Right Out“ (Davis‘ Paraphrase hiess „Fran Dance“). Am Altsax hören wir Stitt in „Close Your Eyes“, dem rasanten „Fine and Dandy“ (am Tenor hatte er es 1949 in den klassischen Sessions mit Bud Powell aufgenommen), eine zärtliche Stitt-Ballade namens „Baby, Do You Ever Think of Me“ und Weedens soulvolle Ballade „Cynthia Sue“.
Stitts Tenor in „Low Flame“ ist grossartig. Gelassen schreitet er durch die ersten Chorusse, hält sich im Zaum, spielt mit etwas Vibrato, mit einem cry, wie er ihn sonst eher auf dem Altsax hat, streut dann immer mehr rasante Phrasen ein, während Patterson, Weeden und James (der drum roll!) langsam die Temperatur erhöhen. In „Put Your Little Foot Right Out“ rauht Stitt seinen Ton am Tenor etwas auf mit growls, seine Linien changieren zwischen Pres und Bebop-Licks. James treibt den mittelschnellen Groove toll an, Weedens Akkorde sorgen viel Farbe, während Patterson sich – wie eigentlich immer – in der Begleitung angenehm zurückhält. Stitts Altsax und Weedens Gitarre verschmelzen in dessen „Cynthia Sue“ zu einer Stimme – sehr schön, wie sie gemeinsam das Balladenthema präsentieren! Pattersons „Donald Duck“ ist eine simple Riff-Nummer, Stitt präsentiert entspannt das Thema, Weeden spielt das erste Solo mit singenden Linien und repetitiven Tönen und Figuren. Patterson folgt mit einem tollen Orgel-Solo. Auch „Close Your Eyes“ wird in einem entspannten Groove vorgstellt, Stitt hebt rasch zu rasanten Linien ab, streut aber immer wieder deutliche Bezüge zum Thema ein, rauht den Ton mal kurz auf, lässt Raum, während James ihn antreibt.
Das Tempo von „Silly Billy“ ist höher, noch eine simple Riff-Number, die Stitt (am Tenor) und Weeden unisono präsentierten. Stitt hebt sofort zu einem bewegten, riffenden Solo ab, swingt hart und lässt sich von Weeden und James treiben. Kein grosses Solo, aber wieder mal eins, das einfach verdammt gut klingt und Spass macht. Weeden und Patterson folgen mit schönen Soli, am Ende rifft Stitt noch ein wenig und hängt eine etwas Kadenz an, die ins leere läuft, als hätte er keinen rechten Schluss gefunden.
Sein „Baby, Do You Ever Think of Me“ ist die Rarität unter seinen Originals: eine zärtliche Ballade, kein Instant-Blues. Er beginnt das Thema im tiefen Register des Alt, growlt ein wenig, sein Spiel ist direkt, ehrlich und tief empfunden. Patterson legt einen Teppich, Weeden schmückt sparsam und leise aus, James hält sich ganz zurück – das Stück ist kurz gehalten und gehört ganz Stitt. Weniger verbindlich geht’s im schnellen „Fine and Dandy“ zur Sache. Die konzentrierte Brillanz der Einspielung mit Powell wird nicht erreicht, Stitt scheint hier anfänglich etwas zu coasten, fängt sich aber und es gelingt am Ende doch, über fast acht Minuten (es ist das einzige so lange Stück des Albums) das Interesse hochzuhalten, auch dank der schönen Soli von Weeden und Patterson. Stitt setzt dann zu einem zweiten Solo an, das er mit einem repetierten Riff beginnt, sich in schnelle Läufe stürtzt, um wieder zu riffen und zum Thema zurückzukehren. Auch das ist nicht der ganz grosse Stitt, aber es ist verdammt gut gemacht!

Die nächste Session von Stitt fand am 14. Mai für Blue Note statt – und war ein Desaster. Seit Anfang 1961 hatte der wiederauferstandene Dexter Gordon bei Blue Note Unterschlupf gefunden und irgendwem kam die Idee, ihn mit Stitt (und dessen Trio) für eine Sessions ins Studio von Rudy Van Gelder zu beordern.
Das eine Stück, das einigermassen erfolgreich eingespielt wurde, war ein alter Jam-Session-Favorit, Gershwins „Lady Be Good“. Es wurde erstmals 1996 auf „Dexter Gordon: The Complete Blue Note Sixties Sessions“, einem 6CD-Set, veröffentlicht, und fand 1999 auch auf der CD „Blue Note Records Presents: The Lost Sessions“ Unterschlupf.
Das Stück ist eine klassische Battle, Stitt soliert zuerst, gefolgt von Gordon, dann Patterson, und dann folgen die exchanges. Es macht Spass, den beiden Eckstine-Alumni zu lauschen, aber Stitt klingt eher desinteressiert und auch Gordon wird nicht ganz warm. Die Session sollte Stitts einzige für Blue Note bleiben – er und Alfred Lion waren vermutlich wirklich inkompatibel…
Das einzige ausführliche Aufnahme von Stitt und Gordon, die ich kenne, ist der Mitschnitt eines Auftrittes in Rotterdam, Ende Juni 1976.

Ich bin auf eine Website gestossen, auf der sich weitere Infos zu abgebrochenen Session finden, die teils von Paul Weeden stammen. Die Liner Notes der „Lost Sessions“ CD stammen übrigens von Michael Cuscuna (und orientieren sich wohl an Dan Morgensterns Session-Kommentaren im Booklet zur Gordon-Box).

Blue Note recently released, October 1999, a new cd with old recording sessions.
The title of this cd:“The Lost Sessions“.

Among the musicians who were present on the cd, I recognized a familiar one: Paul Weeden.
The information in the booklet learned that The Paul Weeden trio did a studio date on the 14th of May 1962 with Dexter Gordon and Sonny Stitt. At that time Paul played in a trio with Don Patterson at the Hammond and Billy James at the drums. They were rather successful and business was booming. I had spoken with Paul concerning this period and he had told me about the sessions with Jugs (Gene Ammons), Eddie ‘Lockjaw‘ Davis and Sonny Stitt, but Paul never mentioned a recording session with Dexter Gordon. Strange, because Paul did play many times before and after this period with Dexter. But they never recorded.

The ‘The Lost Sessions‘ cd liner notes gave the following information:

„Sonny Stitt’s style of making records (pick some standards, make up some blues and play your ass off) was antithetical to the Blue Note system of planning, composing, rehearsing and refining. It was no surprise that he recorded for just about every label but Blue Note. It turns out that he did, in fact, do a session for the label, but with generally disastrous results. „Lady Be Good,“ which first appeared in a Dexter Gordon boxed set of his complete sixties Blue Note sessions, is the single salvageable performance. Dexter remembered this session as one of the more amusing events in his professional life. Everyone was a little juiced and getting more so as the date went on. A nervous Alfred Lion was getting more and more stressed by the loose approach of Stitt and his working band. Dexter was there to play on three tunes, but after the first one, everything went down hill fast. Dex remembered, „Alfred was a wreck. When Sonny started playing „Bye Bye Blackbird,“ I knew that was it. Alfred jumped up, yelling ‚who needs another version of this? What is he doing?‘ I was laughing too hard to say anything .“ Session over.

Everyone a little juiced? Knowing Paul for a longer period I knew that you could say a lot about his manors but not that he was juiced. So I decided to ask him concerning this forgotten recording session. When I first contacted him, Paul was strongly surprised about the fact that Blue Note had released a cd on which he performed with his trio. He didn’t remember anything concerning a recording session with Dexter. It should have been a mistake because the only thing he did for Mr. Alfred Lion should be a session with Jugs. But when I convinced him that it was unmistakably Dexter who was blowing ‘Lady Be Good‘ Paul started to remember vaguely the session.

„Yeah, I remember this session now. Honestly I don’t want to remember it at all, because it was a disastrous one. In those days the Paul Weeden Trio was gaining a name and Alfred Lion contacted me to do a recording session for Blue Note. It should be one with two tenor players -a kind of tenor-battle idea – because that was very fashionable in those days. He invited us to record with Dexter and Sonny with whom we had played in various combinations. We came to the Rudy van Gelder’s recording studio in Englewood Cliffs and were eager to record. The trio was ready for a good recording date. We were at point. That’s not what I can tell about Dexter and Sonny. They were also at point but on a different level. They were pissed off. Incredibly. I can’t imagine that they could save even one track from this session. We did three or four tracks and then Alfred Lion aborted the session. The two horn-blowers weren’t able to perform anymore. It made me mad, because I saw it as a great opportunity to establish the name of the Paul Weeden Trio“

So far Paul’s comment on ‚The Lost Sessions‘

Robert Rhoden.

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