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#13 Gene Shaw – Karachi
Gene Shaw – Debut in Blues
Gene Shaw (tp), Jay Peters (ts), Herb Wise (tb), Jim Taylor (p), Sid Robinson (b), Jerold Donovan (d)
Argo
Chicago, 8. Juli 1963
Clarence „Gene“ Shaw ist hier ja kein Unbekannter mehr und so durfte er auch den bft von redbeans mit einem Stück der „Carnival Sketches“-LP zieren. Dieses Stück ist dem mittleren Album „Debut in Blues“ entnommen, 1964 bei Argo erschienen. Damit bleiben wir also in Chicago, respektive kehren dahin zurück. Shaw kam aus Detroit und wurde in den Bands von Lester Young und Charles Mingus sozialisiert, spielte mit Yusef Lateef, oder Tommy Flanagan und man kennt ihn heutzutage fast nur noch wegen seines legendären Streits mit Mingus, der im anderen bft ja schon angeschnitten wurde. Shaw sah sich selbst in der Tradition von Freddy Webster, einem Bop-orientierten Trompeter aus Chicago, aber er trägt auch klare Post-Bop-Einflüsse in sich. Die anderen Musiker der Session sind alles Chicago-Veteranen, besonders Jay Peters und Herb Wise sind hervorzuheben, die ich sonst aber leider noch nicht hören konnte. Peters spielte offenbar auch mit dem zuvor gehörten King Fleming und konnte zubeißen wie Johnny Griffin, aber auch schmeicheln wie Gene Ammons. Wise dürfte irgendwo zwischen Bennie Green und Willie Wilson stehen.
„Karachi“, ein Stück von James Taylor – fraglich, ob es sich dabei um den Pianisten der Session handelt, ist mein persönliches Highlight der LP, da es einerseits eine spannende Komposition bietet, in der die Melodielinien dicht ineinander verwoben sind, andererseits zeigen sich die Solisten von unterschiedlichen Seiten. Shaw spielt verhangen, warm, während Peters dichter und zupackender ist. Mir gefällt immer wieder auf’s Neue die Dichte des Stücks, das gleichzeitig aber unheimlich frisch und nie zu akademisch klingt. Leider gibt es keine weiteren Aufnahmen der (Blas-)Musiker untereinander, da sich hier eine toll eingespielte Band präsentiert.
#14 Perry Robinson – Wahayla
Perry Robinson 4 – Funk Dumpling
Perry Robinson (cl), Kenny Barron (p), Henry Grimes (b), Paul Motian (d)
Savoy
Newark, Februar 1962
Savoy zum Zweiten, Barron zum Dritten. Auch bei „Funk Dumpling“ handelt es sich um ein späteres Savoy-Album, das trotz der darauf musizierenden Schwergewichter wenig Bekanntheit erfahren durfte, immerhin aber auf CD wiederveröffentlicht wurde. Perry Robinson, ebenso wie Henry Grimes machten sich etwas später einen Namen als Free Jazz-Schwergewichte und Paul Motian spielte bereits seit einiger Zeit im Trio von Bill Evans. Ich finde das alles insofern bemerkenswert, da die Musik hier zwar einerseits avanciert klingt, andererseits aber auch sehr organisch und harmonisch. Durch die subtile Vermischung unterschiedlichster Einflüsse – so hört man Latin-Einflüsse, Folk-Musik, usw. – spüre ich durchaus auch eine Verbindung zur Musik Tony Scotts, was oben bereits diskutiert wurde. Insgesamt ist das hier vielleicht das kammermusikalischste aller Stücke des bft.
#15 Hideo Shiraki – Alone, alone, alone
Hideo Shiraki Quintet – Sakura Sakura
Terumasa Hino (tp), Hideo Shiraki (d), Yuzuru Sera (p), Hachiro Kunita (b)
SABA
Berlin, 1. November 1965
Bei dem mysteriösen Trompeter, der von euch in unterschiedliche Schubladen gesteckt wurde, handelt es sich um Terumasa Hino, dem wahrscheinlich bekanntesten japanischen Trompeter. 1942 in Tokio geboren, lernte er Trompete zu spielen und über seine Vorbilder Louie Armstrong und Miles Davis hinaus, eignete er sich Techniken von Freddie Hubbard, Clifford Brown oder Lee Morgan an. Bekannt wurde er besonders mit Hideo Shiraki, einem bekannten, am amerikanischen Hardbop und Souljazz orientierten Drummer, spielte aber auch früh eigene Alben ein. In den 70ern lebte und arbeitete er in den USA und trat mit Jackie McLean, Dave Liebman, oder Gil Evans auf.
„Sakura Sakura“ ist ein musikethnologisch interessantes Dokument, da es Hardbop mit traditioneller japanischer Musik verbindet und besonders die Hinzunahme des Koto prägt weite Teile der Musik. [COLOR=“DarkOrange“]Hier kann man das Titelstück des Albums hören, das zur damaligen Zeit ziemlich weit vorne war. „Alone…“, vom Trompeter selbst geschrieben, dient diesem als Vehikel und alle Konzentration weiß er auf sich zu versammeln. Hino verbindet die zupackende Art von Hubbard mit den Lyrismen von Miles und den suchenden Akkorden Coltranes und schafft es durch seinen melodiösen Ton dennoch, eine Eigenständigkeit zu bewahren, die ihn nicht als Kopisten entlarvt. In einem Interview sagte er, dass er so einfach wie möglich spielen wolle, ohne zu viele Noten zu verbrauchen. Diese Fähigkeit zur Reduktion trägt er hier, wie ich finde, schön zur Schau.
#16 Betty Blake – Lilac Wine
Betty Blake sings in a tender mood
Betty Blake (voc), Mal Waldron (p), Teddy Charles (vib), Addison Farmer oder Eustis Guilemet (b), Ed Shaughnessy oder Charli Persip (d)
Bethlehem
New York City, 1958
Den Abschluss macht Betty Blake, unbekannte Sängerin. Blake, aus Cincinnati stammend, hatte Gesangsunterricht bei Grace Raine, die auch Doris Day betreute. Bereits in jungen Jahren war sie mit dem Orchester von Ernie Rudy und mit Buddy Morrow unterwegs. Nach einigen größeren Touren kehrte sie allerdings wieder nach Cincinnati zurück und blieb höchstwahrscheinlich dort, was ihrer Bekanntheit sicherlich wenig förderlich war. Die einzigen weiteren Aufnahmen, die übrigens vor der Session für Bethlehem entstanden, sind zusammen mit dem John Plonsky Quintet auf der LP „Cool Man Cool“ für Golden Crest zu hören.
„In a tender mood“ ist ein großartiges Album, auf dem Blake eine große Bandbreite von naiven Songbirdtracks bis hin zu gewichtigen, tiefgründigen Balladen zeigen kann und zumindest bei „Lilac Wine“ vom klugen Arrangement von Teddy Charles und einem (sicher aus dramaturgischen Gründen reduzierten) Teil der großartigen Band profitiert. Auf anderen Stücken sind noch Roland Alexander, Zoot Sims, oder Kenny Burrell zu hören. Leider schweigt sich Rex Dale in den Liner Notes mehr oder weniger aus, aber dem letzten Satz kann ich nur zustimmen: „I truly think you’ll love Betty Blake and the tender mood she makes“.
Hier freue ich mich auch sehr, dass dieses Stück so gut angenommen wurde sowie ich mich insgesamt noch einmal für die tolle Resonanz bei euch bedanken möchte. Mir ist die Musik selbst noch ein bißchen mehr ans Herz gewachsen und der bft läuft bei mir immer wieder gerne.
Daher auch nochmal ein ‚prost‘ an gypsy, der den Stein des Anstoßes geliefert hat.
Und nochmal Entschuldigung für die insgesamt lange Zeit von Start bis Auflösung!
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III