Re: bft 5 – katharsis

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katharsis

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#9 Victor Feldman Allstars – Polyushko Polye

Victor Feldman Allstars play the world’s first album of Soviet Jazz Themes
Vic Feldman (p), Carmell Jones (tp), Harold Land (ts), Herb Ellis (g), Bob Whitlock (b), Frank Butler (d)
Ava
1963

Ein seltsames, kleines Album. Vic Feldman spielte Vibraphon in der Band von Benny Goodman und begleitete diesen auf einer Tour durch Russland. Zur Überraschung der Musiker fanden sie dort offenbar eine kleine Jazz-Szene vor, die sich nicht nur auf das Nachspielen amerikanischer Musik beschränkte, sondern auch eigene Musik hervorbrachte. Feldman nahm einige Kompositionen mit in die USA und nahm unter der Federführung von Leonard Feather eine LP mit zwei leicht unterschiedlichen Bands auf.
„Polyushko Polye“ nimmt eine Sonderstellung auf dem Album ein, da es eigentlich eine klassische Komposition ist. Sie entsammt ursprünglich der vierten Symphony des spätromantischen russischen Komponisten Lev Knipper und war gleichzeitig sein bekanntestes Stück. Die Grenzen zwischen dem Stück und dem Ausdruck der Musiker sind fließend, da die Musik gänzlich dem damaligen Hardbop/Soul Jazz-Idiom genügt und man nicht so recht auseinanderzuhalten vermag, wo die „russische Seele“ verborgen liegt. Immerhin hat einer von euch einen fremdländischen Einfluss herausgehört. Naheliegend ist wohl die Musik der Cannonball Adderley-Bands (Nat Adderley spielt dann auch auf der anderen LP-Seite), aber wenn man vergleicht, was Harold Land und Carmell Jones etwa zur selben Zeit auf anderen Einspielungen gemacht haben, dann ist das alles sehr nah und typisch.
Feldman verschwindet nach der Eröffnung auf einem recht elektronisch klingenden Klavier im Ensemble und treibt die Musik mit kurzen Läufen und Akkorden an und auch Herb Ellis fügt sich ohne Probleme in den Fluss der Musik ein und kann die Energie der Bläser gut halten. Besonder liegt mir aber an dem Duo Jones/Land, die eine wunderbar eingespielte Einheit darstellen und sich perfekt zu ergänzen verstehen. Beide finde ich hier sowohl vom melodischen Einfallsreichtum, wie auch von der Abstimmung aufeinander prototypisch.
In der Folge gab es noch ein paar weiter Aufnahmen mit russischen Jazz-Themen von anderen Bands.

#10 Walter Benton – Iris

Walter Benton – Out of this World
Walter Benton (ts), Freddie Hubbard (tp), Wynton Kelly (p), Paul Chambers (b), Jimmy Cobb (d)
Jazzland
New York City, 19. & 21.September 1960

„Iris“ ist mit Sicherheit das gewöhnlichste Stück und möglicherweise sogar das schwächste. Warum es hier zu hören ist? Zum Einen ist es das einzige Stück, das auf der CD-Reissue aus Platzgründen weggelassen wurde, zum Anderen hört man ganz kurz meinen Lieblingstrompeter und die ganze Scheibe ist mal wieder mehr oder weniger vergessen.
Walter Benton wurde 30 Jahre vor dieser Session an der Westküste geboren, studierte zusammen mit Lucky Thompson und sammelte erste Erfahrungen in eine Army Band sowie auf Tour mit Toshiko Mariano/Akiyoshi. Wenig später nahm er mit Kenny Clarke und Clifford Brown/Max Roach auf. Wenn man ihn heute überhaupt noch kennt, dann durch sein Mitwirken auf Max Roach’s „We Insist!“. Im gleichen Jahr (!) nahm Benton für Bill Grauer und Orrin Keepnews sein erstes und einziges Leaderalbum auf und ihm wurde eine prominente, aber gutmütige Rhythmusgruppe zur Seite gestellt sowie der junge Trompeter Freddie Hubbard, der gerade in der Band von Quincy Jones saß und im Inbegriff war, sich bei Blue Note einen Namen zu machen.
„Iris“, wie die restlichen Stücke der LP eine Eigenkomposition, ist eine klassisch-bluesige Ballade, die Benton nahezu komplett ins Spotlight rückt. Lucky Thompson ist hörbar, allerdings weit geradlinieger und wie so oft, Coleman Hawkins. Auch wenn hier keine Höhenflüge zu hören sind, gelingt es Benton doch, die Musik spannend zu gestalten und spätestens wenn das Tempo anzieht und Wynton Kelly ein durchschnittliches, aber damit immer noch gutes Solo hinbekommt, ist das einfach eine schöne Ballade. Hubbard ist immerhin am Anfang zu hören und ich staune immer wieder, wie schnell er doch zu identifizieren ist.

#11 Joe Haider Septet – Straight out

v.A. – Forum West: Modern Jazz from West Germany
Joe Haider (vib), Olaf Kübler (ss,ts), Hans Hermann (as,ts), Benny Bailey (tp), Rudi Fuessers (tb), Isla Eckinger (b), Kurt Bong (d)
Sonar Kollektiv
München, 1968

Eine fast ausschließlich deutsche Band, wer hätte das gedacht. Haider arbeitete oft mit dem in Europa umtriebigen Benny Bailey zusammen und ein paar Stücke wurden für den Jazz Sampler „Forum West“ ausgewählt. Auffallend ist sofort die mystische Stimmung, die erheblich vom dunklen Vibraphon getragen wird. Die Musik ist stets an der Grenze zum Avantgardismus, ohne wirklich zu kippen. Andere sind mit Sicherheit wesentlich kompetenter, Haider und seine Musik zu beschreiben und gerade was deutschen Jazz angeht, bin ich saumäßig unterbelichtet. Überrascht war ich aber auf Anhieb von der hier zu hörenden Musik, die natürlich den amerikanischen Jazz durch alle Poren atmet und für 1968 ein bißchen altbacken klingt. Doch – Benny Bailey mal ausgenommen, der ein tolles, gedämpftes Solo spielt – sind die Hörner up to par und was vor allem der Bassist mit seinen langen Läufen von tief unten nach weit oben und der Drummer mit seinem an Roy Haynes angelehnten Beckenschlag machen, ist große Klasse. Besonders haben mich eure Kommentare zum quer spielenden Vibraphon angeregt, das Stück weiter zu entdecken.
Was bewiesen werden sollte – mehr mir selbst, als euch – dass deutscher Jazz so gut funktioniert, dass man das teutonische gar nicht hört!

#12 King Fleming – Misty Night

King Fleming Trio – Misty Night
King Fleming (p), Rail Wilson (b), Royce Roman (d)
Argo
Chicago, 1960

King Fleming war mir bis vor kurzem komplett unbekannt und wen wundert es. Walter Fleming wurde 1922 in Chicago geboren und 1939 leitete er bereits seine erste Band, mit der erhauptsächlich Swing spielte, auch in der Folgezeit. Auf >dieser< Seite gibt es eine ausführliche Biographie und Diskographie. Ab etwa 1954 arbeitete Fleming für die Sängerin Lorez Alexandria und arrangierte einige ihrer Aufnahmen für das kleine Label King. Eine größere Bekanntheit erreichte Alexandria mit LP's für Argo, einem Label das mehr oder weniger die komplette Chicagoer Jazz Szene dokumentierte. 1960 nahm Fleming, der zur damaligen Zeit extensiv in Clubs spielte, das erste von drei Trio-Alben für Argo/Cadet auf. Auf "Misty Night" konnte Fleming seine lyrische Seite zeigen, gleichzeitig stand er mit seinen Kompositionen selbst im Rampenlicht. Die Sidemen sind mir komplett unbekannt und auch auf den folgenden Alben bediente er sich anderer Musiker. Interessanterweise entschied man sich bei Argo dazu, die LP nicht in der Jazz-Serie zu veröffentlichen, sondern in der Blues und Folk-Sparte. Auch wenn Fleming dadurch eine gewisse Aufmerksamkeit verwehrt blieb, passt die Beschreibung dennoch irgendwie. Auf dem Titelstück präsentiert Fleming ein verhangenes Stück, auf dem weder Bass noch Drums viel zu tun bekommen. Sein Ton ist sehr federnd und leicht, das Pedal wird sparsam eingesetzt und irgendwie entsteht eine ganz feine Spannung zwischen dem leichten Ton und dem schweren Stück. Referenzen fallen mir keine ein, vielmehr scheint dieser altmodische, aber graziöse Stil ihm zu gehören. Bis zum Schluss bleibt ein Schatten über dem Stück, der sich gegen Ende scheinbar aufzulösen beginnt, um dann doch im nebulösen zu verbleiben. Mag sein, dass Fleming sich hier nicht als vergessener Meister präsentiert, aber ich bin hin und hergerissen, da mich die Atmosphäre doch mitzureissen vermag und ich immer noch nach dem vorhandenen, gewichtigen Moment des Stücks suche. Fleming lebt anscheinend noch und 2000 sit offenbar noch eine Einspielung erschienen. Teil #4 folgt...

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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III