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Travis
ich glaube oder hoffe das Graf das als film sieht und sich da von keinem verantwortlichen reinreden lassen hat.
Ja, Graf dreht nicht zuletzt deswegen gerne für das Fernsehen, weil er sich für jedes Projekt nicht um Filmfördermittel bemühen muss, sondern mit Redaktionen (vorwiegend BR) zusammenarbeiten kann, die ihn kennen und schon im Vorfeld wissen, was auf sie zukommt. Diese hierarchisch flache und direkte Ebene halte ich momentan für die bestmögliche Variante, in Deutschland Filme zu drehen. Wobei Graf durch seine Grimme-Preis-Bilanz eben auch Freiheiten geniesst, die anderen Regisseuren und Drehbuchschreibern wiederum in keinster Weise gewährt werden, so gesehen ist dieses Auszeichnungsprinzip auch nichts weiter als Augenwischerei (Graf: „Andererseits droht man mit all der behaupteten Besonderheit der eigenen Filme auch wieder zum Hofnarr des Systems zu werden.“). „Smoke On The Water“ ist hier vielleicht insofern ein Sonderfall, weil die TV-Version um 12 Minuten gekürzt wurde, um Alters- und standardisierte Längenvorgaben zu erfüllen. Aber dann kommt the real shit eben anderweitig heraus, wichtiger ist, dass er über möglich gemacht werden konnte.
Bei Kinofilmen sieht das schon alles etwas anders aus. Es gibt ein sehr gutes Interview, das Olaf Möller mit Graf geführt hat. Darin beklagt sich dieser, er plane da diesen Schiller-Film, könne aber kaum die Finanzierung auf den Weg bekommen, obwohl doch Schiller eigentlich das sei, was das deutsche Kino gerne mache. Aus diesem Projekt wurde „Die geliebten Schwestern“, der nächstes Jahr für den Auslands-Oscar nominiert ist. Hat es die deutsche Kasperle-Filmindustrie überhaupt verdient, von so einem tollen Film repräsentiert zu werden?
captain kiddBITTE??? Es ist doch genau das Gegenteil: Durch eine quasi Überhöhung von Klischees, versucht er diese quasi aufzubrechen. Aber er greift dch definitiv auf Klischees zurück, gerade bei der Kameraarbeit. Diese typischen Schwenks ins Nichts oder Stotter-Zooms. Also mehr Klischee geht nun wirklich nicht.
Ich glaube weder, dass Graf auf expliziten Distinktionskurs zu deutschen Krimi-Klischees (oder besser: Konventionen, Kameraschwenks können keine Klischees sein) geht, noch diese in irgendeiner Weise reproduziert. Seine Polizeirufe und Tatorte sind in erster Linie nichts weiter als der Versuch, Genrefilme according to Dominik Graf zu drehen – da spielen viele Vorbilder und Referenzen hinein, aber vor allem seine eigene, persönliche Ästhetik. Ob das nun vollkommen anders als sonstige Sonntagabendunterhaltung aussieht oder nicht: Unerheblich.
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A Kiss in the Dreamhouse