Re: bft 4 – vorgarten

#8082449  | PERMALINK

vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

Beiträge: 12,549

katharsisSo, nun kommt endlich mein Schlusslichtpost.

auf einen solchen post wartet man gerne etwas länger!

katharsis#1 Es dauert gar nicht lange, dann erinnert mich das Stück an das Art Ensemble of Chicago, besonders an „Theme de Yo Yo“, da beide einen ähnlich treibenden Groove haben. Letztlich finde ich es aber schade, dass die Band so wenig raus holt, da der Groove recht gleichmäßig bleibt und der Trompeter (oder ist das ein Flügelhorn), der mich von den Chops durchaus an Hubbard erinnert, als einziger ausschert. Soll aber auch eher als waberndes, mystisches Stück funktionieren, glaube ich. Finde ich ganz gut, kriegt mich aber noch nicht.

klar, hier geht’s um energie: vollgas und dann vaporisieren. richtig ausscheren tut hier keiner. und „protest“ (der titel des stücks) hört sich meines erachtens auch anders an.

katharsis#2 Datiere ich in die Neuzeit und finde auch gleich wieder die Bestätigung, warum mir da so wenig gefällt. Das Klavier klingt sehr metallisch und dünn, der Drummer strengt die Cymbals zu arg an und der Bassist klingt mir zu hoch. In meinen Ohren auch ein Stück, welches sich eher nach Turnübung anhört und nicht auf den Punkt zu kommen scheint. Virtuos ja, aber irgendwie auch selbstgefällig. Erinnert mich irgendwie an Eric Legnini.

ich weiß nicht, wo bei dir die neuzeit anfängt, aber das ist von anfang der 70er. ich mag immer noch den punkigen nach-vorne-gestus und das hochkommunikative ineinanderspielen. aber das stück hat eindeutig seine grenzen.

katharsis
#3 Ein latino-kubanischer Rhythmus. Klingt von Beginn an irgendwie authentischer als so manch andere Experimente. Dürfte aber auch im Rahmen der Bossa-Welle entstanden sein. Ich mag das brassige, ohne dass die Musiker zu sehr auf den Putz hauen. Die Soli sind kurzweilig und werden durch den Pianisten schön kontrastiert. Auch hier merkt man die Authentizität deutlich. Gegen Ende hin hätte ich mir ein bißchen mehr erhofft, da das Stück recht schnell anfängt, schnell wieder aufhört, dazwischen Wohlgefallen hinterlässt, aber auch ein bißchen Harmlosigkeit. Schade finde ich außerdem immer, wenn während eines Solos ausgefadet wird.

toll, dass dir (als einzigem) die bossa-nova-nähe aufgefallen ist. hier ging es mir eher um den sound, diese in leichte bewegung versetzte fläche.

katharsis#4 Das erinnert mich irgendwie sofort an West Coast Jazz, ein etwas progressiverer Bud Shank am Bariton. Er spielt jedenfalls ganz ausgezeichnet auf dem Horn und exploriert die Möglichkeiten des irgendwie kammermusikalisch wirkenden Tracks wunderbar. Zwar ist die Stimmung schon durch den gestrichenen Bass geprägt, lockert dann aber wunderbar auf und durch die etwas schräge Spielweise des Pianisten nimmt die Mystik wieder zu. Die verhangene Atmosphäre mit dem Hall gefällt mir gut und ich könnte mich gut in die Erzählweise des Saxophonisten einfühlen. Schade, dass das Stück nur knapp 3 Minuten lang ist. Gefällt mir bislang schlagartig am besten!

sehr schön beschrieben! kann ich alles gut nachvollziehen. dass ausgerechnet eine sun-ra-band diesen grad an intimität herstellen kann, begeistert mich nach wie vor.

katharsis#5 Big Band und kurz darauf ein Songbird. Ich bin immer noch kein Freund von Big Band Arrangements, da geht mir zuviel Intimität verloren. Das Tenor-Solo ist kurz, knackig und schön auf dem Punkt. Die Sängerin finde ich von der Stimme her eigentlich ganz originell, aber von der Intonation etwas austauschbar. Wenn man auf die Artikulation achtet, dann drängt sich der Verdacht auf, dass das keine Amerikanerin ist.

das kann ich alles komplett unterschreiben.

katharsis#6 Das sagt mir auf jeden Fall mehr zu, da das Setting intimer ist. Trotzdem springt der Funke irgendwo nicht gänzlich über, was bei Vocal Jazz aber eh nicht so häufig und so oft bei mir passiert. Bei Frauen reagiere ich sehr stark auf Unzulänglichkeiten und Unsauberkeiten im oberen Register, das höre ich hier in Anklängen. Die Band scheint dagegen gut eingespielt zu sein, aber auch hier sind mir die Soli zu kurz, besonders weil die Gute dem Tenoristen einfach mal in die Quere kommt. Würde ich mir aber mehr anhören.

wieder: tolle analyse. eine eingespielte band und eine stimme, der es um sauberkeit geht (weil das noch ihr problem ist). aber die intimität höre ich auch!

katharsis#7 Am Schluss verrät sich die Dame, denn ihre Stimme, bzw. das was sie sagt, kann ich einwandfrei zuordnen. Am Ende des Tages werde ich wohl nie wirklich von ihr begeistert sein, da mir ein bißchen der eigene Charme fehlt. Das ausgewählte Stück ist technisch einwandfrei und sehr boppig, aber irgendwie auch sehr zahm. Vielleicht fehlt mir die männliche Pranke, die mit etwas mehr Spielfreude und schnellen Läufen ausgeglichen werden soll. Übrigens sehr ähnlich zu Joanne Grauer. Kennt die jemand?

ja, wie blöd, dass ich das ende nicht abgeschnitten habe. ich finde es sehr eigen, sehr markant und großartig rhythmisiert. läufe vermisse ich überhaupt nicht.

katharsis
#8 Da musste ich sofort an Vic Feldman denken. Den schätze ich sehr, finde ihn aber etwas glatt und schimmernd, etwa wie Dave Pike. Ich glaube, dass die Musik später entstanden ist, als ich im ersten Moment denke. Auf jeden Fall steht der Vibraphonist am Beginn im Zentrum der Aufmerksamkeit und ich bin mir nicht ganz sicher, ob er dieser gerecht wird. Ich bin stark daran gewöhnt, Alben am Stück zu hören, so dass ich mich auf einen Musiker mehr einlassen und ich besser einschätzen kann. Bei Einzelstücken habe ich oft Schwierigkeiten die Besonderheiten oder Stärken herauszuhören. Der Tenorist gefällt mir gut, weckt Erinnerungen an Zoot Sims. Hier fällt mir das erste Mal besonders der Drummer auf, der schöne Stops macht und den Groove dadurch am Leben hält, ohne zu hasten, oder zu beliebig zu klingen. Sehr schönes Stück, sehr entspannt, keine Höhenflüge, aber letztlich wunderbar. Das Thema ist mir irgendwie geläufig, oder es klingt einfach, als könnte man es gut einspielen.

schön, ein sonderlob für louis hayes! auf der platte gibt es vielleicht außergewöhnlichere stücke, aber da hätte man kirk sofort erkannt. ansonsten höre ich das hier genauso.

katharsis#9 Hier geht es wieder zurück in die Zukunft und gleich hört sich das Klavier wieder gedämpfter an. Das Thema kriegt mich aber sofort…und dann ist da auf einmal ein zweites Klavier. Schön finde ich, wie ein Instrument immer den Klangteppich webt, während das andere exploriert und dann beide gemeinsam in einem ansprechenden Thema münden. Gefällt mir sehr gut, habe aber bei so etwas keine Ahnung, wer das sein könnte, denn 70er aufwärts.
Ich glaube, dass das Stück eine Sogwirkung entwickelt, wenn man das richtig laut hört und sich darauf einlässt. Werde ich mal probieren.

keine männliche pranke jedenfalls. hat mich sehr gefreut, dass das hier so gut ankam. ich glaube nach wie vor, dass das besondere der spielweise von alice coltrane noch nicht hinreichend erkannt und gewürdigt wird.

katharsis#10 Es dauert keine 10 Sekunden und ich muss an Yann Tiersen denken. Beim Saxophon dann an Jan Garbarek (viel später an Yusef Lateef) und irgendeine mir sehr vertraute Musik, auf die ich nicht komme. Obwohl die Musik erst gleichmäßig voranschreitet, entwickeln sich immer mehr spannende rhythmische Verschiebungen. Der Saxophonist prägt sehr die Ruhe der Musik, obwohl im Hintergrund sanfte, aber sehr interessante Experimente passieren. Toll finde ich, dass sich der Ausdruck ändert und das Tempo angezogen wird, wie eine zweite Ebene. Auch da bleibt der Eindruck einer kontemplativen Herangehensweise bestehen, die irgendwie in sich ruhend klingt, dabei aber irgendwie stürmisch und aufgeweckt erscheint. Das kann ich nicht besser beschreiben. Irgendwie ist die Musik auch sehr schwer zu datieren, zeitlos. Der Leader ist zweifelsfrei der Pianist (Danny Zeitlin?), aber mich fasziniert der Drummer, der tolle Akzente setzt. Der Eindruck eines postmodernen Lateef bleibt übrigens bestehen.

ihr zwingt mich alle, den saxophonisten ernster zu nehmen! dabei wollte ich hier nur den pianisten vorstellen – auch das eine tolle pointe eines bft’s. witzigerweise habe ich heute ganz viel zeitlin gehört – auch mal ein kandidat für einen bft. aber connick will ja weg vom ornament, hin zu monk, zur schärfe, zur sperrigkeit – und das in einem äußerst smoothem setting…

katharsis#11 E-Piano mag ich im Jazz gar nicht. Dann noch das gequetschte Horn! Irgendwie die Art von Funk, die mich nicht anspricht. Nope, sorry.

schade. wahrscheinlich auch die falsche wahl. höre nach redbeans‘ hinweise gerade die ONE TWO FREE von kloss, die ich ganz großartig finde. der ist schon toll.

katharsis#12 Im Prinzip wie der Vorgänger. Nur dass ich mich hiermit mehr anfreunden kann, da es mich letztlich an Nostalgia 77 etc. erinnert. Trotz einiger netter Momenten (die Dur-Auflösungen und das E-Piano im Diskant bspw.) interessiert mich das nicht. Und diese Funk-Bassläufe werde ich nie mögen.

die dur-auflösungen stören mich wiederum! die große kunst der funk-präzision und die schönheit des solistischen darüberschwebens scheint hier nicht einzuleuchten. war aber so oder so eine etwas unglückliche wahl.

katharsis#13 Der Saxophonist ist irgendwie traditionell verankert. Ansonsten ist das Musik, auf die ich mich wirklich einlassen muss, um sie zu verstehen und genießen zu können. Gerade eben überfordert es mich. Das liegt nicht daran, dass ich musikalischen Experimenten gegenüber nicht aufgeschlossen bin…aber irgendwie mag ich dieses Getröte und Gehupe nicht, wenn es für mich genau danach klingt, also als Effekt eingesetzt.

schade. ich könnte keinen bft ohne diese post-free-leute machen, die für mich einfach sehr wichtig sind. all diese versuche, das freie spiel wieder an schönheit und wärme anzubinden, liebe ich (wenn sie gelingen). und gleichzeit hat das immer diese schimmernde melancholie von irrelevanz (post-free-jazz: keine aufführungsorte, europa-flucht, abkopplung von der bürgerrechtsbewegung usw.), die der musik so einen eigenen ton gibt.

katharsis#14 Flöte, mag ich ja sehr gerne. Hier gefällt mir die Interaktion mit dem Bassisten sehr gut und der Drummer, der die Musik schattiert. Ich mag den weichen Ton der Flöte hier sehr gerne, keine harschen Töne, aber auch nicht zu sehr „lullaby“. Mit der Zeit meine ich, ein paar orientalische Anklänge hören zu können, auf jeden Fall atmet der Flötist etwas Yusef Lateef. Besonders toll finde ich, dass das Trio so voll und rund wirkt, trotz der Reduktion auf perkussive Klänge. Dick, warm, passt gerade perfekt zur Abendsonne.

sehr schön, dass du das so hörst und wertschätzt!

katharsis#15 Ordentlicher Groove, der mir aber wieder einen Ticken zu funkig ist. Geht fast in die Breakdance-Richtung. Beim Saxophonisten ist dann aber Schluss. Mir egal, ob man das als freie Spielweise verkaufen kann, ich kann es jedenfalls nicht leiden, wenn jemand penetrant falsch spielt und dann auch noch absolut banal neben dem Groove. Apropos banal: Der DJ cuttet grausam schlecht. Nein, auch hier sorry.

obwohl ich es nicht so höre, kann ich das gut nachvollziehen. das hat aber auch einen außermusikalischen spirit, den ich sehr bemerkenswert finde und der jenseits von gut und schlecht ist. aber das ist wahrscheinlich vom rest hier zu weit entfernt.

katharsis#16 „Song for my father“. Die Trompete sagt dann Nein, hier kommt was anderes. Ich bin sehr dankbar, dass der Bass akustisch ist, ein E-Bass hätte die Atmosphäre doch zerstört. Die Musik ist von Anfang an hypnotisch und zieht in einen Strudel. Wahrscheinlich beeinflusst der „Song for my father“-Vergleich, aber der Trompeter erinnert mich stellenweise schon an Carmell Jones.

für mich wird es erst durch die länge hypnotisch, bei aller größe des trompetenspiels. ich kannte das stück schon, bevor ich zum ersten mal den song for my father gehört habe – deshalb würde ich es nie zusammen bringen.

katharsisInsgesamt ein sehr vielschichtiger bft, von dem ich bewusst nur ein Stück erkannt habe. Einige haben mich definitiv interessiert gemacht, andere überhaupt nicht. Aber genau deswegen bin ich dankbar, da man so einiges kennen und die Forenmitglieder besser einschätzen lernt. Danke!

danke dir! als selbstporträt ist mir mein erster bft lieber, da hänge ich an den meisten stücken wirklich mit haut und haaren. diese sachen hier waren eigentlich material für diskussionen. aber ich habe dadurch von vielen teilnehmern hier ein besseren bild bekommen, auch von dir.

bitte so schnell wie möglich nachziehen! ;-)

--