Re: Lana Del Rey

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some-velvet-morning

Registriert seit: 21.01.2008

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In dem zitierten Interview spricht sie ja selbst von Intuition. Und die ist bei einem Künstler unabhängig von einer Schulbildung oder sonstigen Intelligenz entweder vorhanden oder nicht. Er ist ein Künstler oder eben nicht.

Gehen wir intellektuell an „Video Games“ ran, ist für mich der Erfolg klar:

Es wird mit den ersten Akkorden klargestellt, dass etwas Hymnisches folgt. Ihre Intonation der ersten Strophe ist sehr individuell gesetzt:

Swinging in the backyard
Pull up in your fast car
Whistling my name

Die Art, wie sie sie es singt, die Melodie und die Begleitung dazu macht von Anbeginn des Songs klar: hier kommt großer Pop auf einen zu. Wenn man einen Nummer Eins Hit am Reissbrett entwerfen wollte, so muss sofort klar sein, dass er darauf hinaus will. Sie macht das sehr gut und gleitet die kongeniale Strophe in einen perfekten Refrain über, der den Song sehnsuchtsvoll wie Licht erstrahlen lässt. Sie legt das Wort „böse“ in Widerprüche. Was ist gut, was ist böse? Der Himmel gibt keine Wertung ab. Sie zwei gegen den Rest der Welt. Ähnlich wie im Refrain von Bowies „Heroes“. Eine romantischere Adaption vielleicht, aber so ist Lana Del Rey mit ihrer Filmliebe für das Hollywood Kino:

Heaven is a place on earth with you
Tell me all the things you want to do
I heard that you like the bad girls
Honey, is that true?
It’s better than I ever even knew
They say that the world was built for two
Only worth living if somebody is loving you
Baby now you do

Zusammen mit dem durchdachten DIY Video eines alten Amerikas, was vielleicht sehnsüchtig zurückgeholt werden möchte im Gegensatz zu aktuellen Bildern, plus Zitaten der Hollywood Geschichte, Nina Sinatra Bezügen, Glamour, Verlorenheit- es kommt sehr viel bei „Video games“ zum Ausdruck. Sie sagt selbst, dass sie ihn in einem ihrer schönsten Momente in New York schrieb. Eine Zeit in ihrem Leben, die sie sich oft zurückwünscht. Gleichzeitig hat der Song für mich auch dieses melancholische Moment. Er ist hoffnungsvoll, sehnsuchtsvoll und lichterfüllt. Das aber alles gleichzeitig. Und so wirkt sie auch auf mich als Künsterlin. Sehr widersprüchlich, was die Faszination mit ausmacht.
An Dummheit kann ich nichts erkennen, denn welcher Künstler hätte vielleicht nicht heimlich gerne diesen Song aus dem Ärmel geschüttelt 2011. Popmusik bleibt immer ein Wunder und warum ausgerechnet Lana Del Rey diesen Song zu kreieren gelingt, dass kann nicht beantwortet werden. Musik versucht doch in einem gewissen Sinne die Zeit anzuhalten und einen Moment zu verfestigen, um ihn für die Ewigkeit bereitzuhalten. Es ist wie Prousts Suche nach der verlorenen Zeit nur in Notenform oder Tarkowskis Idealismus umgesetzt im Wunsch nach guter Popmusik, die in der Postmoderne rar gesät ist.
„Video games“ ist ein hoffnungsvoller Stern, wie Popmusik klingen kann. Dass dieser Song so einen weltweiten Erfolg hat zeigt, dass die Menschen sehr wohl wissen, was gute Musik ist. Sie müssen nur an sie herangeführt werden oder vielmehr muss es sie erstmal abseits von Casting Shows geben. Qualität wird sich immer durchsetzen, ob als anerkannter, erfolgreicher oder retroperperspektiv anerkannter Künstler. Am Maßstab der Zeit und ihrer Kontinuität an Qualität wird sich Lana Del Rey nun aber messen lassen müssen, denn die Erwartungen sind entsprechend groß. Selbst wenn es ihr nicht gelingt, so hat sie doch mit „Video games“ einen Song für die Ewigkeit geschrieben.

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