Re: Male Jazz Singers

#8058759  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,339

Was meine Favoriten betrifft… da ist natürlich Louis Armstrong, von den älteren überdies Jimmy Rushing, Jimmy Witherspoon, Joe Williams (dessen Crooner-Album „A Man Ain’t Supposed to Cry“ solltest Du man anhören, katharsis!).

Von den Armstrong-Eleven mag ich Bill Coleman und Jonah Jones ganz gerne, aber auch den früher Louis Prima.

Und natürlich Jack Teagarden – einer meiner Lieblingssänger, neben Armstrong von den Sängern/Instrumentalisten sicher mein liebster!

Von den Big Band Sängern (wen kann man da noch ergänzen, Alex? Die Liste oben ist eh schon mehr doppelt so lang wie jene bei Berendt, aber mit den Big Band Sängern kenn ich noch nicht so gut aus… Earle Warren kommt aber nicht rein – toller Lead-Altsaxer, abgrundtief=schlimmer Sänger) mag ich Woody Herman sehr gerne… aber bei ihm ist’s das Gesamtpaket, was zählt: Sax (stark Hodges-geprägt), Klarinette (immerhin hat er auch diese Stravinsky-Dinger gewagt), Bandleader (hat stets grossartige Leute um sich geschart, tolle Rhythmusgruppen gehabt, gute Arrangeure angestellt) und eben auch Sänger („Songs for Hip Lovers“ von 1957 auf Verve ist sehr schön, u.a. mit Ben Webster, Harry Edison, Charlie Shavers und Jimmy Rowles).
Dan Grissom (mit Lunceford – auch das Gesangstrio Sy Oliver/Eddie Tompkins/Willie Smith hör ich nicht ungern) hör ich auch einigermassen gern, ebenfalls den einzigartigen Al Hibbler (Anspieltipp: „A Meeting of Times“, mit Roland Kirk).

Dann liebe ich natürlich Nat King Cole – ein grossartiger Pianist und Sänger, der in seinen frühen Jahren eigentlich nichts falsch machen konnte, später leider nur noch selten Piano gespielt hat (etwa auf „After Midnight Sessions“, das es auf CD – Achtung: keine Graumarkt-Ausgaben sondern jene von Capitol kaufen! – in leicht erweiterter Form gibt… das Trio plus Lee Young an den Drums und vier Gäste, die alle nur einzeln auftauchen: Harry Edison, Willie Smith, Stuff Smith und Juan Tizol).

Und dann ist da wie gesagt Mel Tormé – ein Sänger, der schon als Wunderkind auftrat, der auch Schlagzeug spielte und von ernormer Musikalität war. Das wichtigste Argument war aber immer seine samtene Stimme, die von ungewöhnlicher Geschmeidigkeit war – er kriegte denn auch den Übernamen „the velvet fog“. Zu seinen besten Aufnahmen gehört das 1956 mit dem Marty Paich Dek-Tette eingespielte Bethlehem Album („Lulu’s Back in Town“ – den Titelsong spielte übrigens auch Monk hie und da gerne, solo), dann der Verve-Klassiker von 1960, wieder mit mit Paich aber etwas grösserer Band, „Mel Tormé Swings Shubert Alley“, und auch er hat ein grossartiges Crooner-Album hinterlassen, 1955 für Bethlehem eingespielt: „It’s a Blue World“.

Was dann Sinatra betrifft… ich hab ca. ein Dutzend seiner Capitol-Alben auf CD, am besten gefallen mir wohl „In the Wee Small Hours“ und „Songs for Swingin‘ Lovers“. Aber ich brauche für die meisten anderen noch etwas mehr Zeit. Die drei Alben mit Basie kommen an die beiden genannten für mich alle nicht heran, „Sinatra-Basie“ ist wohl das schönste, „It Might as Well Be Spring“ kenn ich noch nicht gut, „Sinatra at the Sands“ ist mir zu… inkohärent, da ist zuviel Gelaber mit drauf, zuviel Show, zuwenig Musik, zuwenig Platz für die tolle Band.
Die erweiterte Neuausgabe von „Sinatra-Jobim“ brauch ich unbedingt noch.

Was den Bebop betrifft… mit Billy Eckstine muss ich mich mal näher auseinandersetzen. Er war eine Schlüsselfigur (als Bandleader) des frühen Bebop, bis ihm irgendwelche Abzocker eingeredet haben, er solle besser Solo gehen, er brauche keine Band… sehr schade. Muss mir von ihm mal die Savoy-Aufnahmen besorgen.
Babs Gonzales mag ich gerne, Earl Coleman ein Spur weniger, aber auch von ihnen brauch ich noch mehr.
Wer sich für Bebop-Gesang interessiert, dem sei die Cool Whalin‘ CD auf dem englische Spotlite-Label empfohlen, da kriegt man die Sänger zu hören: Joe Carroll (aus den 70ern mit Howard McGhee), Pancho Hagood (1967 mit dem Joe Sample Trio), Babs Gonzales (1952), Eddie Jeffersons frühste Aufnahmen (1948/49), Frankie Passions (mit Thelonious Monk in den späten 50ern – Passions fehlt noch oben). Eine sehr eigenartige CD, die man kaum je ganz am Stück erträgt, auf der aber einige verborgene Schätze zu entdecken sind!

Dann ist da Little Jimmy Scott… ich kenne noch viel zu wenig von ihm – einigen Mag seine kleinwüchsige Erscheinung und hohe Stimme aus „Twin Peaks“ vertraut sein, anderen von seinen darauf folgenden Comeback-Alben der 80er und 90er. In den 50ern hat er für Savoy aufgenommen, unter übelsten Bedingungen mit einem Knebelvertrag (Lubinsky hat zwar viel gute Musik veröffentlicht, war aber auch ein äusserst skrupelloser Geschäftsmann) – ich kenne davon erst weniges. Sein Meisterstück entstand 1962 für Ray Charles‘ Tangerine Label und wurde aus rechtlichen Gründen sofort wieder zurückgezogen, bis das Album – es heisst „Falling In Love Is Wonderful“ und auf dem Cover war ein grosser starker Afroamerikaner abgebildet… – vor einigen Jahren auf CD erschienen ist. Auch sein Atlantic-Album „The Source“ von 1970 ist sehr gut. Über die späten Aufnahmen habe ich noch keinen richtigen Überblick, aber „All the Way“ (Warner, rec. 1990) scheint mir sehr gut zu sein.

Next… Oscar Brown Jr. – eine Ausnahmeerscheinung, ein überschwänglicher Sänger und ein wichtiger Texter (er war in dieser Funktion an Max Roachs „Freedom Now Suite“ beteiligt). Sein Debut-Album „Sin & Soul“ ist ein ganz grosser Klassiker, ein unglaublich mitreissendes Album. Darüberhinaus kenne ich bisher erst „Oscar Brown Jr. Goes to Washington“, eine Live-Aufnahme von 1964 mit einem Piano-Trio.

Mit Johnny Hartman musste ich mich langsam anfreunden – der Einstieg war natürlich das Album mit Coltrane (auf dem mich der letzte Track, „Autumn Serenade“, immer und immer wieder verzaubert, aber das liegt auch am unglaublichen Coltrane-Solo und am tollen Beat, den Elvin draufhat). Mittlerweile gefällt mir wohl sein „I Just Dropped By to Say Hello“ von 1963 eine Spur besser, aber mit „Unforgettable“ konnte ich mich noch nicht recht anfreunden. Auch er hat zwei Bethlehem-Alben gemacht (neben Tormé und ihm kam da übrigens auch Herb Jeffries, der mit Ellington „Flamingo“ sang und damit einen Hit landete, in den Genuss eines Bethlehem Crooner-Albums), von denen mir „Songs from the Heart“ von 1955 (mit Howard McGhee und Ralph Sharon) ziemlich gut, „All of Me“ von 1956 etwas weniger gut gefällt.

Bill Henderson ist eine Entdeckung wert. Wie gesagt, die beiden CDs mit seinen Vee-Jay Aufnahmen haben mich dazu gebracht, diesen lang geplanten Thread entlich zu starten. Man hört ihn da mit dem Rameys Lewis Trio, mit einer Small Group um Booker Little, Yusef Lateef und Wynton Kelly (arr. Benny Golson), einem Kontingent Basie-ites (darunter Frank Wess, am Piano Gildo Mahones, arr. Wess), den MJT+3 (leider nur ein Stück), mit einer unbekannten Band unter Leitung von Jimmy Jones, einer unbekannten Combo, nochmal mit Basie-ites (diesmal dabei: Thad Jones, Nat Adderley, Elvin Jones), nochmal mit Orchester, vermutlich unter Leitung Jimmy Jones‘, und zum Abschluss mit einer Chicagoer Band (u.a. Paul Serrano, John Avent, Eddie Harris, Eddie Higgins und Joe Diorio, im CD-Booklet „D’Orio“ geschrieben – auf einem der Stücke spielen nur Harris, Diorio und Bassist Rail Wilson, auf zwei weiteren ist nur das Trio von Eddie Higgins zu hören). Die Stücke umfassen so tolle Songs wie „Sleepin‘ Bee“ (Arlen/Capote), „Am I Blue“, Percy Mayfields „Please Send Me Someone to Love“ (das ist das Stück mit Harris, Diorio und Wilson), „Skylark“, ein Nat Adderley/Curtis Lewis Stück mit dem Titel „Old Country“ und Bobby Bryants „Sleepy“. Ich hatte einige Mühe, die CDs zu finden, von Vol. 2 gab’s am Ende nur ein Promo-Exemplar… aber es lohnt sich sehr!

Die Vocalese-Leute liebe ich auch, natürlich ganz besonders die Gruppe Lambert, Hendricks & Ross mit Jon Hendricks‘ aberwitzigen Lyrics. Ihr Basie-Album ist unglaublich!

Dann ist da Mose Allisonyour mind is on vacation and your mouth is workin‘ overtime… seine ganz frühen Aufnahmen sind grossartig, auch was sein Piano-Spiel betrifft (Spuren von Herbie Nichols?), später ist es vor allem sein Gesang, der zu gefallen weiss, als Pianist verlor er leider etwas. Über ihn mach ich vielleicht eines Tages einen eigenen Thread… Anspieltipp vorerst: „Back Country Suite“ (Prestige, 1957), „Your Mind Is on Vacation“ (Atlantic, 1976) und das 3CD-Set „High Jinks“ (Sony), in dem die drei 1959-61er Columbia Alben „Transfiguration of Hiram Brown“, „I Love the Life I Live“ und „V-8 Ford Blues“ zu finden sind.

Dann Bob Dorough – für viele wie der Klang von Fingernägeln auf einer Wandtafel, aber ich liebe ihn, schon nur für „Devil May Care“! So heisst auch das empfehlenswerte Bethlehem-Album des Sänger/Pianisten von 1956. Ebenfalls hörenswert ist die Definitive-CD, auf der seine Aufnahmen mit Sam Most zu hören sind.

Joe Lee Wilson ist eben verstorben (obit aus dem Guardian), sein „Livin‘ High Off Nickels and Dimes“ ist ein verkannter Klassiker (besitze es leider nicht), er ist zudem u.a. mit Archie Shepp zu hören („Attica Blues“ und „The Cry of My People“, beide Impulse 1972, sowie „Attica Blues Big Band“, Marge 1979).

Die Brasilianer lass ich jetzt mal weg, Gilberto und Jobim sind da meine liebsten, kenne aber von den anderen teils nichts, teils wenig – die stehen auch eher wegen ihres Einflusses in der Liste.

Das war’s dann wohl mit meinem Schnelldurchgang… von den Sängern, von jenen, die in den letzten Jahren aktiv waren, ist Freddy Cole wohl einer meiner liebsten, wie Alex sagt ist er ein älteres Semester, wir aber immer der kleine Bruder bleiben.

Von Leuten wie Beñat Achiarry, Phil Minton und David Moss bin ich immer mal wieder beeindruckt, kann aber – wie auch von Bobby McFerrin und erst recht Al Jarreau – nur wenig am Stück ertragen. Ein ähnlicher Stimm-Akrobat ist überdies der Schweizer Bruno Amstad, der u.a. mit Christy Doran gearbeitet hat und auch (mit Loops und Samplern) solo auftritt.

Und – als sei’s sein Schicksal, er fehlt schon bei Berendt – ich hab Andy Bey fast vergessen. Auch das ein Pianist/Sänger, einer der ganz grossen, absolut unverkennbaren. Als Sideman hat er mit so ziemlich allen gearbeitet: Max Roach, Howard McGhee, Horace Silver, Duke Pearson… als Leader hat er in den vergangenen Jahren schöne Solo- und Trio-Alben eingespielt, und in den 50ern war er mit „Andy & The Bey Sisters“ unterwegs, mit seinen Schwestern Geraldine und Salomey Bey. Die beiden Prestige-Alben „Now! Hear!“ und „Round Midnight“ von 1964 bzw. 1965 gab’s auf einem CD-Twofer von Fantasy, das zweite auf einzeln in der RVG Remasters Reihe. Eine kleine rare Perle gibt’s zudem auf einer Various Artists CD in der Jazz in Paris Reihe (Harold Nicholas / June Richmond / Andy & The Bey Sisters), eine kurze Sessions (Resultat war eine Single) mit Barney Wilen, Kenny Dorham, Paul Rovère und Kenny Clarke.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 (Teil 1) - 19.12.2024 – 20:00; #159: Martial Solal (1927–2024) – 21.1., 22:00; #160: 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba