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Anonym
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nail75Natürlich ist es erfreulich, etwas über Phil Ochs im Rolling Stone zu lesen. Leider ist der Artikel sehr schwach. Zu keinem Zeitpunkt schaffen es die Autoren, etwas wirklich Fundiertes über Ochs zu vermitteln, ein Bild seiner Persönlichkeit, seiner Ziele oder seiner Musik zu entwerfen. Ochs erscheint als zielloser, unglücklicher und gescheiterter Musiker, der irgendetwas wollte, was aber nicht funktionierte und der deshalb heute vergessen ist. Teilweise ist das sicher der Kürze des Artikels geschuldet, aber er verschwendet auch seinen Platz, beispielsweise mit der missglückten Darstellung seines Verhältnisses zu Dylan. Es geschieht häufig, dass der Artikel Ideen aufgreift und sie dann im weiteren Verlauf vergisst. Man erfährt, dass er nach LA zog und für A&M Alben aufnahm. Dass er aber LA hasste und es in einem Lied karikierte, steht nirgendwo. Es wird auch nicht erwähnt, dass Ochs Songwriting mit Verlauf der 1960er persönlicher und abstrakter wurde, dass seine extrem deutlichen politischen Lieder in den Hintergrund traten. Dass er ein meisterhafter Lyriker war, ein genauer Beobachter und ein bissiger Satiriker.
Überhaupt der Humor: Wer den Artikel liest, könnte glauben, dass Ochs komplett verbissen gewesen sei. In Wirklichkeit war er humorvoll, einfühlsam und sensibel. Im Glauben, wirklich etwas bewegen zu können, bürdete er sich zu viel auf und zerbrach daran. Genau dieses Schicksal vermied Dylan. Diese Beziehung zu erkennen wäre besser gewesen, als die albernen Streitigkeiten nochmals aufzudröseln.
Wer Phil Ochs heute hört, der findet in seiner Musik eine bemerkenswerte Leidenschaft, drängendes Engagement und enorm einprägsame Bilder. Ochs war ein Sänger mit einer kraftvollen, klaren Stimme und er sang mit absoluter Überzeugung. Wie er an der Welt verzweifelte, wie er den Glauben an sich, an die Politik und sein Land verlor und sich in Traurigkeit und Verzweiflung verlor, hätte eine bessere Behandlung verdient.
Sehr gut, Mr. nail. Das unbedingte Engagement, die unmittelbare Betroffenheit, die Ochs sich zu eigen machte, das rückhaltlose Mitleiden und die darauf folgende unvermeidbare Enttäuschung haben ihn zugrunde gerichtet. Etwas, was einem Bob Dylan oder auch Bono niemals passieren wird. Müssen wir das bedauern? Nein, wir müssen Phil Ochs bedauern, der zu den Menschen gehört, die der Meinung sind, sich das Leid der Erde zu eigen machen zu müssen. Aber das ist nach meinem Empfinden in einem anderen Thread besser aufgehoben. Ansonsten finde ich diesen Artikel, auf den ich mich gefreut und vorbereitet habe (3CD-Box von Elektra gleich zweimal gehört) sehr oberflächlich. Liest sich wie ein Zugeständnis an alte Leser. Dabei hätte man so viel daraus machen können. Beispielsweise anhand seiner Karriere eine Analogie zur Bürgerrechtsbewegung in den USA anfang der sechziger Jahre.
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