Re: ROLLING STONE August 2011

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tolomoquinkolom

Registriert seit: 07.08.2008

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Wenn man in diesem Auswurf neben dem Geschriebenen auch das Gemeinte mitliest, so wird zum einen deutlich, wem der Rolling Stone inzwischen gehört, und zum anderen welch gold-gelbe Linie offenbar angestrebt wird. Häme, Spott und Verzerrung kann man machen, es wird jedoch unangenehm und schnell auch verdächtig, wenn dieses Gespucke periodisch recht einseitig erfolgt, die Hofberichterstattung in Sachen musikalischer Vorlieben der ins Heft gebetenen politischen Lenker und Beifahrer davon abhängt, ob es um einen gelben oder um einen andersfarbigen handelt. Das inzwischen abgesägte Täubchen Koch-Mehrin, Atomlobby-Samurai Großmann oder andere Der-kleine-Prinz-Politikerdarsteller werden zu coolen Helden geschrieben (deren Musikgeschmack selbstredend respektiert wird), der Feind Palmer wird zum schwäbischen Hinterwäldler, dessen Vorlieben für Dire Straits, Sting, Police oder Juli ihn zum Öko-Spießer (mit zudem noch doofer Frisur) werden lassen. Die hinter diesem lenkendem Journalismus hervorschielende Propaganda ist unschwer zu erkennen. Und wenn man – ein wenig böswillig – das Personal austauschen würde und an der Formulierung weniger feilte, landete man gar nicht einmal so weit entfernt vom knatternden Populismus rechts der mittelmäßigen Mitte. Ganz egal ob man Grüne nun mag oder sie verachtet, die Seiten 50 bis 53 im August-Heft des Rolling Stone sind ekelhaft und arrogant.

Lottmann, der dichtende Bär, vereint die kreiselnde Selbstverliebtheit eines Stuckrad-Barres mit dem sprudelnden Geplapper einer Hennig von Lange. Zudem wird ihm zu Recht eine etwas eigenwillige Reportagemethode nachgesagt, die viel Wert auf Egozentrik, Fantasy und Erfindungsgabe legt; weniger auf Fakten oder gar Realität. Dass Poschardt nach seinem Desaster mit Tom Kummer erneut auf einen Realitätsjongleur setzt, ist entweder mutig oder seltsam; oder beides. J.Lo., der irgendwie irgendwo dazugehören möchte, der schreibt wie die Teletubbies sprechen, sich dennoch für einen Pop-Autoren hält, und dessen manisches Bestreben nach Originaltät, Humor und eigener Bedeutung z.B. in ebenso langweiligen, wie anstrengenden Werken wie ZOMBIE NATION, DIE JUGEND VON HEUTE oder MAI JUNI JULI nachzuleiden ist, steigert sich in seinem Artikel für den aktuellen Rolling Stone in jene miefige, kleinbürgerliche, erbärmliche, peinliche Spießigkeit, die er arrogant anderen so gerne und oft vorwirft. Die targets seiner beschwörenden Bügelarbeit sind die Blöden, die Bösen, die römisch Dekadenten, die Anderen, die Ökos, die Grünen, die 60er, die Rentner (mit und ohne Nordic-Walking-Ausrüstung), die Basis, die Bürger, das Ungelbe an sich. Weitere Zutaten dieses Hoppelpoppel: Türken (Ausländer die nicht gehen, gehen immer), die Südstaatler in München, unbelehrbare Stuttgarter, doofe Wutbürger, Isar 1, Atomskeptiker, Japanische Kraftwerke, die nordafrikanische Befreiungsrevolution, Runen und wundervolle Arier, LSD, die Griechenland-Pleite, Naturkost, Vegis… und im Werbeblock: Autos (“achtzylinder Super SUV, 233 PS, größter Riesenjeep von BMW, im Verbrauch besonders vorbildlich”).

Für diesen Autor “hat Ökologie nichts mit Zukunftsgedanken zu tun, sondern sie ist eine Folge der Nazi-Zeit” und in Sachen “grünem Obama” mutiert er dann schon mal ganz spontan zu einem undefiniertem Wir-Sprecher und fragt “Wollen wir so einen?” oder er formuliert Leitsätze wie: „Man hat es bei Teilen der grünen Bewegung mit gefährlichen Idioten zu tun, die die realen Gefahren vernebeln; klassische Eskapisten.“ Ein solcher in den Ring geworfener und unerläuterter Satz eines Eskapisten (und Verneblers) über andere Eskapisten ist dann doch unfreiwillig komisch; weniger allerdings, wenn J.Lo. salopp galoppierend nordafrikanische Bürgerrevolution (die Menschenleben kostete) und Stuttgart 21 verrührt (“ihre Revolution hat das alte Regime hinweggefegt. Der alte Herrscher, ein dicker Mann namens Mappus, ist wie vom Erdboden verschluckt”). Ein ziemlicher Klumpen, aber künstlerische Freiheiten liegen dem Autoren ja; anderen dann so eine Äußerung eher im Magen. Vielleicht war aber auch Lottmanns grüner Revolutionsritt im Rolling Stone nur eine heimliche Bewerbung als Texter für ein anderes journalistisches Bild-dir-eine-Meinung-Meinungsbildungsorgan, welches zwar Worte aber keine Sätze kennt. Wer weiß.
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