Re: Milt Jackson

#8055307  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 66,996

Kurzbericht #10

Der vorläufig letzte Post zu Bags… die Sterne folgen sogleich gebündelt auch im Sterne-Thread.

The Pablo All-Stars Jam – Montreux ’77 (Pablo, 1977) – wie erwähnt nahm Norman Granz 1977 in Montreux eine ganze Reihe von Alben auf (es waren insgesamt 15, ich kenne davon bisher nur vier, nämlich noch jene von Joe Pass, Benny Carter und das nachfolgende).
Der All-Stars Jam hätte wohl auch unter dem Jazz at the Philharmonic Etikett laufen können, ist aber etwas spezieller besetzt als üblich. Da ist das Oscar Peterson Trio (mit NHOP und Bobby Durham), Joe Pass, Clark Terry, Ronnie Scott und Milt Jackson. Der ringer ist Ronnie Scott, der Clubbesitzer aus London, der auch ein kantiger Tenorsaxer mit einem ganz eigenen Stil war (er spielte lange zwischen Tony Coe und Johnny Griffin in der Big Band von Kenny Clarke und Francy Boland). Norman Granz‘ kurze Liner Notes:

I especially wanted, in this session, to do something different from the others. First was to have Joe Pass participate because although he usually plays as a soloist, he also fits musically into the form of the jam session with equal fluency; moreover I think he needs the challenge and stimulus from other musicians. Listen especially to his solo on „Samba de Orfeu.“ Secondly I wanted to use a man who normally doesn’t jam, Ronnie Scott (the last time he played for me was a JATP London concert in 1953). Ronnie, who runs the best jazz club in the world in London, very much wanted to play with these men, and the listener can judge for himself the results. Clark Terry, by the way, plays one of the most compellingly beautiful solos I’ve ever heard on the Billie Holiday tune „God Bless the Child.“ I thougt I would never hear anyone do this number after Lady Day, but Clark and Oscar, who played the bridge, pulled it off wonderfully.

Terry glänzt überhaupt mit tollen Soli, sein Ton auf dem Flügelhorn ist so weich, wie man sich nur vorstellen kann. Scott dagegen ist kantig, mit einer Phrasierung, die vielleicht ein wenig an J.R. Monterose gemahnt (dass er nie gejamt hat, stimmt übrigens nicht: er hat immer wieder mit den Musikern, die in seinem Club spielten, mitgespielt, ein paar Beispiele davon sind auf der Candid CD Secret Love nachzuhören, die letztes Jahr erschien und Scott mit Sonny Stitt, Donald Byrd, J.J. Johnson und Freddie Hubbard in Mitschnitten von 1964 präsentiert).
Im öffnenden Blues von Clark Terry, „Cote d’azur“, glänzt Joe Pass mit einem sehr schönen Solo – er war damals überhaupt sehr in Form, wie auch sein Solo-Album „Montreux ’77“ beweist. Auch Jackson glänzt mit tollen Soli. In „Pennies from Heaven“ glänzt er schon hinter Terrys Präsentation des Themas mit schönen Einwürfen und spielt nach Terry ein sehr schönes Solo (das leider überaus nervig auf die beiden Kanäle verteilt ist).
Das längste Stück des Albums ist „Samba de Orfeu“, Luiz Bonfas Stück aus Marcel Camus‘ wunderbaren Film „Orfeu Negro“ (BR 1959). Bobby Durham (nicht mein Lieblingsdrummer) kriegt den Bossa-Beat einigermassen hin und die anderen glänzen alle mit entspannten Soli. Mit dem kurzen „God Bless the Child“ (es gehört ganz Clark Terry) endete das Album dann – und ich hab Terrys Solo auch schon im Terry-Thread kurz angesprochen, wie Norman Ganz schreibt ist es in der Tat ganz wunderbar.
Als Bonustrack auf der CD ist noch „Sweethearts on Parade“ zu hören, ein Stück das wohl das Etikett old warhorse verdient (bzw. sich damit abfinden muss, ist ja nicht grad eine Auszeichnung). Peterson spielt ein tolles Solo, bevor Terry (anfänglich nur von NHOP begleitet) das Stück beendet. Unbedingt herausgestrichen werden muss noch das tolle Spiel von Niels-Henning Orsted Pedersen am Bass. Seine Begleitung ist stets aufmerksam, immer melodisch und präsent im Geschehen, und er ist ein toller Solist (zu hören z.B. auf der CD unten in „Mack the Knife“). ***

The Montreux Jam Sessions – Montreux ’77 – dieses Album stellt wie schon das Pendant von 1975 einzelne Stücke von verschiedenen Jams, die 1977 in Montreux stattfanden, zusammen. Wir hören zum Abschluss ein weiteres Stück vom oben besprochenen All Stars Jam („Donna Lee“), davor zwei Stücke vom Peterson Jam (ein kurzes „Perdido“, als Ballade gespielt, sowie „Mack the Knife“ mit dem erwähnten tollen Solo von NHOP) und je eins vom Milt Jackson/Ray Brown Jam („Red Top“), vom Dizzy Gillespie Jam („Here ‚Tis“) und vom Count Basie Jam („Freeport Jump“).
Milt Jackson ist neben seinem eigenen und dem All Star Jam auch auf dem Stück mit Gillespie zu hören. „Red Top“ ist mit zwölf MInuten das länste Stück des Albums, Clark Terry ist wieder mit dabei, zudem Monty Alexander und Jimmie Smith sowie Eddie „Lockjaw“ Davis, der schon auf den beiden Stücken mit Dizzy mit schönen Soli zu hören ist (seinen Auftritt von Montreux ’77 habe ich auf DVD, aber bisher nicht auf CD). In Dizzys „Here ‚Tis“ ist Jackson zu Beginn der zentrale Solist, seine Linien werden von den Trompeten von Dizzy und Jon Faddis umgarnt. Die Rhythmusgruppe ist erneut Monty Alexander, Ray Brown und Jimmie Smith (die beiden letzteren begleiteten auch Basie, Smith war mit NHOP und Ray Bryant zudem auch bei Benny Carters tollem Konzert dabei).
Im Basie-Jam sind Roy Eldridge, Benny Carter, Zoot Sims, Vic Dickenson und Al Grey zu hören, sie spielen den improvisierten Blues „Freeport Jump“. Zum Abschluss ist dann Charlie Parkers „Donna Lee“ zu hören, mit den Pablo All-Stars. Joe Pass glänzt einmal mehr mit einem tollen Solo, nachdem er zuvor unisono mit NHOP und Terry das Thema präsentiert hat – Peterson spielt dazu noch einen Gegenlinie, das alles im fürs Stück üblichen halsbrecherischen Tempo.

A Celebration of Duke (Pablo, 1979 & 1980) – diese Compilation ist an sich etwas überflüssig, da die Stücke allesamt auf anderen Alben zu finden sind: Milt Jackson/Ray Brown/Mickey Roker/Joe Pass – The Duke Ellington Album „All Too Soon“, The Clark Terry Five – „Memories of Duke“, Zoot Sims Plays Duke Ellington – „Passion Flower“ und Sarah Vaughan – „Duke Ellington Songbook Two“ (letzteres entstand bereits 1979, die restlichen sind 1980 aufgenommen worden). Dennoch ist das eine hübsche Zusammenstellung mit schönen Stücken. Joe Pass glänzt, Terry ebenso (und Jack Wilson ist eine personelle Überraschung in seiner Rhythmusgruppe). Zoot Sims – sein Sopransax auf „Tonight Shall I Sleep“ gehört zu den Höhepunkten der Sessions – und Jimmy Rowles haben gemeinsam ein paar der schönsten Pablo-Alben überhaupt eingespielt (ich kenne allerdings noch längst nicht alle) und auch Sarah Vaughan weiss vor der spärlichen Begleitung von Pass und Pianist Mike Wofford zu überzeugen. Joe Pass ist an sich der Künstler, der im Zentrum steht, er spielt überall ausser bei den Sims-Tracks mit (mit ihm und Oscar Peterson hat er aber ein paar Jahre früher ein anderes grossartiges Pablo-Album, „Zoot Sims and the Gershwin Brothers“, gemacht). ****

Two of the Few (Pablo, 1983) – der Titel dieses Albums bezieht sich auf die Quartett-Aufnahme „Ain’t But a Few of Us Left“, in der neben Jackson und Peterson noch Ray Brown und Grady Tate zu hören waren (ein sehr schönes Album, das ich vor einiger Teit mal gehört habe, aber nicht besitze und daher jetzt nicht drüber schreiben kann).
Das Duo spielt alte Standards („Lady Be Good“, „If I Had You“, „More Than You Know“, „Just You, Just Me“) und Blues („Limehouse Blues“, mal wieder der „Reunion Blues“, Peterson „Mister Basie“ und Jacksons Closer „Here’s Two of the Few“), ihre besondere Chemie wird rasch klar, Peterson begleitet für seine Verhältnisse recht zurückhaltend, streckenweise fast Stride-mässig, Jackson dankt es mit tollen Soli. ****

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba