Re: Milt Jackson

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Kurzbericht #9

Milt Jackson at the Kosei Nenkin (Pablo, 1976) – Im März 1976 wurde Milt Jackson mit einer tollen Band live im Kosei Nenkin in Tokyo aufgenommen: Teddy Edwards (p), Cedar Walton (p, elp), Ray Brown (b) und Billy Higgins (d) spielten mit ihm.

Benny Green schrieb in den Liner Notes zur Doppel-LP:

I have always believed him [Milt Jackson – gtw] to be one of the most subtle of all improvisers, a stylist whose feline grace is perfectly balanced by the tremendous controlled energy which surges through his playing. No better evangelizer in the cause of jazz could conceivably be imagined, the technique is faultless, the mind original, the sense of time unshakable. When he plays his little entry break in „Watch What Happens,“ where do the triplets end and the semi-quavers begin? What exactly would be the notation for the phrase?
A nineteenth century scribe would take arsenic rather than answer these questions, for Milt is dissolving the barlines before our very ears, and yet retaining the pulse of the performance impeccably.

Das Programm, das die All Star Band in Tokyo spielte ist bunt gemischt, wir hören den Bop-Klassiker „Birks‘ Works“, Standards wie „Bye Bye Blackbird“ und „Get Happy“, Miles Davis‘ „All Blues“ (eins der zahlreichen Stücke, auf denen Walton das Fender Rhodes spielt), eine fröhliche Version von Sonny Rollins‘ „St. Thomas“ (das eigentlich ein Traditional ist) und Originals von Benny Golson („Killer Joe“), Oliver Nelson („Stolen Moments“), Jackson („The Prophet Speaks“) sowie Walton („Bolivia“). Das alles ist auf der ersten CD zu hören, die denselben Titel trägt, den die Pablo-Doppel-LP (s.o.) trug, Milt Jackson at the Kosei Nenkin:

Zwei Stücke – darunter Michel Legrands „Watch What Happens“, eins der Highlights der Aufnahme – mussten auf der CD weggelassen werden, wurden aber mit acht weiteren, zuvor unveröffentlichten Stücken als Centerpiece – Milt Jackson at the Kosei Nenkin Vol. 2 ein paar Jahre später nachgelegt. Die zweite CD enthält erneut ein buntes Programm, neben Harry Edisons Titelstück (den Jackson 1959 mit Coltrane eingespielt hat) und dem erwähnten Legrand-Stück hören wir das zweite Stück der ursprünglichen Doppel-LP, den „Organ Grinder’s Swing“, weitere Standards („Little Girl Blue“, „Someday My Prince Will Come“), Charlie Chaplins „Smile“, Don Redmans „Cherry“, Kenny Dorhams „Blue Bossa“, Lee Morgans „Speed Ball“ sowie ein weiteres Walton-Original, „Holy Land“.

Über diese Musik viele Worte zu verlieren ist nicht nötig. Sie swingt, die Mischung aus Originals und Standards ist gelungen (1976 waren „Blue Bossa“ und „All Blues“ wohl noch nicht annähernd eine so abgedroschene Wahl wie sie es heute wären). Und da ist stets spürbar das Fundament, auf dem sich alle bewegen, der Blues. Es ist zudem eine Freude, soviel Teddy Edwards am Stück zu hören. Sein robuster Ton, der das sonnige Kalifornien zu atmen scheint, die leichte Grossspurigkeit in seiner Phrasierung und Intonatin, die Lockerheit, mit der er seine Soli entwickelt, die relaxte Entspanntheit, mit der er auch mal weit hinter dem Beat spielt… er gehört zum guten Dutzend Tenorsaxer, die im Schatten von Rollins und Coltrane im Laufe der 50er zu einer eigenen Sprache fanden (natürlich gehen seine Anfänge viel weiter zurück, aber seine Karriere – sie endete am 20. April 2003, sechs Tage vor seinem 79. Geburtstag – war eine mit Pausen, Unterbrüchen und ein paar unerwarteten Wendungen. Teddy Edwards war schon 1969 an Impulse-Aufnahmen von Ray Brown und Milt Jackson zu hören – Live-Aufnahmen aus Shelly’s Manne-Hole im August („That’s The Way It Is“ AS-9189 und „Just The Way It Had To Be“ AS-9230) sowie Teile der Studio-Aufnahmen im Oktober („Memphis Jackson“ AS-9193). Ich hoffe, sie werden dereinst wieder aufgelegt. (Mit „Statements“ und „Jazz’n’Samba“ gäbe das wohl ein schönes Mosaic Select… aber an die Aufnahmen kommt Mosaic aller Wahrscheinlichkeit nie heran.)

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