Re: Jazz: Fragen und Empfehlungen

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gypsy-tail-wind
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Catch-22sorry, seh ich jetzt erst, und nein, konkret bin ich noch nicht geworden.
Musiker wie Duke Ellington oder Count Basie habe ich bisher nur am Rande wahrgenommen. Swing Sound der 40s & 50s liegt mir zum Teil wieder, da bleib ich dran.

Ein Tipp, so ins Blaue hinein: Les McCann & Eddie Harris – Swiss Movement (Atlantic, 1969) – kein Swing, aber das könnte ev. passen.

In Sachen Swing müsstest Du etwas konkreter werden, damit Ansatzpunkte gefunden werden können – aber ich versuch’s einfach mal :-)

Die eigentliche Swing-Ära beginnt ja schon Mitte der Dreissiger, Ellington, Basie und Lunceford lieferten in der zweiten Hälte der Dreissiger allesamt grossartiges ab, am laufenden Band. Basie liess Mitte bis Ende der Vierziger etwas nach (was auch daran lag, dass viele Musiker nicht mehr zur Verfügung standen – der zweite Weltkrieg forderte bei fast allen Bands seinen Tribut), Ellington war um 1940 mit der sogenannten „Blanton/Webster“-Band auf einem neuerlichen Zenit (das Live-Set aus Fargo 1940 wäre ein ganz heisser Tipp, auf Vinyl wohl kaum aufzutreiben, bei Storyville auf erschienen, zunächst in einer 2CD-Ausgabe mit ausführlichem Booklet und dann wieder in der „Duke Box“ mit acht CDs voller Live-Aufnahmen aus den Vierzigern, die aber insgesamt jetzt nicht der perfekte Ellington-Einstieg ist). Lunceford war Mitte der Vierziger bereits durch und es gab auch schon ein paar Schwankungen davor …

In den Fünfzigern gründete Basie dann eine neue Band (etwas über ein Jahr hatte er nur ein Oktett geleitet), die als „New Testament“-Band bekannt wurde. Diese stand ab 1952 bei Norman Granz (Norgran/Clef/Verve) unter Vertrag, wechselte 1956 zu Roulette und 1962 wieder zurück zu Granz (aber ab ca. 1960 fehlen ein paar Schlüsselmusiker, der Output danach ist schwankend). Mit Alben wie „April in Paris“ (Verve) oder „Atomic Basie“ (Roulette) machst Du nichts falsch, auch das etwas spätere „Basie Meets Bond“ (United Artists 1966) könnte etwas für Dich sein.

Ellington kam Ende der Vierziger wieder mal von RCA zu Columbia (zwischen den zwei Labels findet sich der grössere Teil seiner immensen Diskographie verteilt), ab 1947 glaube ich. Mit LPs ging es 1950 los, „Masterpieces“ enthält vier überlange Arrangements von Klassikern, mit denen das neue Format erstmals für den Jazz ausgenutzt wurde, aber „Ellington Uptown“ finde ich noch etwas besser (die CDs enthalten fast immer ein paar Bonustracks, wie es mit Erhältlichkeit auf Vinyl aussieht, weiss ich nicht, da müsstest Du Dich am besten mal an atom wenden oder mal den Ellington-Thread durchackern, da steht glaube ich auch einiges zu Auflagen und Erhältlichkeit). Es gab dann in den frühen Fünfzigern ein paar Jahre, in denen Johnny Hodges sein Glück als Bandleader versuchte, die Aufnahmen (1952 oder 1953-55 war Ellington bei Capitol unter Vertrag) gelten gemeinhin als recht schwach, was so nicht stimmt, aber sie sind gewiss nicht erste Adresse. 1956 in Newport gab es dann das famose „Comeback“ mit Paul Gonsalves‘ unsterblichem Blues-Solo in „Diminuendo & Crescendo in Blue“ (zwei Stücken, die mittels eines Solos aneinandergepappt wurden) – davon gibt es auf einer Doppel-CD die ganze Sache, restauriert und mit den Studio-Aufnahmen, die damals teils auf die LP gepackt und als Live-Aufnahmen ausgegeben wurden (dasselbe Spiel wiederholte Columbia mit dem Newport-Konzert von 1958 noch einmal). Danach folgte eine ganze Reihe toller Studio-Alben für Columbia, bis Ellington 1962 zu Frank Sinatras Reprise wechselte, wo er bis 1966 blieb (danach gab es wieder einige – zum Teil ganz grossartige – Aufnahmen für RCA, aber auch welche für andere Label, oft von Ellington selbst produziert und danach an Label verkauft, erwähnenswert z.B. „New Orleans Suite“ auf Atlantic, das auch auf Vinyl zu finden sein soll – es gibt eine Foldout-Ausgabe – und das die letzten Aufnahmen von Johnny Hodges enthält). Zu Ellington gibt es wie gesagt hier im Forum einiges nachzulesen.

Es gab natürlich unzählige andere Swing Big Bands, besonders jene von Benny Goodman und Artie Shaw verdienen Erwähnung, die beiden waren in den späten Dreissigern die grossen Rivalen als Klarinettisten und Bandleader (für mich im Zweifelsfall immer Shaw, aber ich werde Goodman auch niemals in die Pfanne hauen).

Mitte der Vierziger taucht dann Woody Herman mit einer neuen Band auf, der ersten seiner „Herds“. Er blieb für wenigstens zwei Jahrzehnte (bis hin zu den Philips-Aufnahmen von 1963/64) a force to reckon with, wobei die frühen Fünfziger eher eine Auszeit waren, bevor er so um 1954 sich wieder fing (typisch irgendwie, er war ja weiss und manchmal in der Nähe des „Cool“, aber genau 1950-54, in den Jahren, als der schwarze Jazz eine Durststrecke durchgehen musste, taugte auch Hermans Musik nicht viel … der Mann ist eben verdammt heiss!).

Wenn Du willst, kann ich Dir auch gerne die paar Folgen von meiner StoneFM-Sendung zukommen lassen, in denen es um Swing und Big Bands ging. Da sind auch andere Leute zu hören, unbekannte Bands, kleinere Combos etc.

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #162: 8.4., 22:00; # 163: 13.5., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba