Re: Jazz: Fragen und Empfehlungen

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gypsy-tail-wind
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Die grosse Begeisterung für Jamal kann ich teilen, aber nicht die für „The Awakening“ (the Impulse syndrome at play again?) … die absoluten Essentials wären in meine Augen die drei hier:



Die ersten zwei sind mit dem frühen Trio (noch in der p/g/b-Besetzung), die dritte dann mit dem famosen Trio mit Israel Crosby (der auch davor schon am Bass zu hören ist) und Vernell Fournier. Mit diesem Trio gab es für Argo eine ganze Reihe von Aufnahmen, die Mosaic zu einer Box gebündelt hat (leider sind die Master im verheerenden Brand bei Universal draufgegangen), die ich noch immer nicht habe …

Jamals späterer Stil (und da gehört „The Awakening“ schon dazu) entbehrte der grossen Eleganz der frühen Aufnahmen, dieses unglaubliche Gespür für Timing und Phrasierung (das teilte er mit Sinatra), das Miles auch so geprägt hat, hört man auf den frühen Aufnahmen. Der spätere Jamal hat ein viel groberes, massigeres Spiel entwickelt, das durchaus interessant ist, aber nicht mehr so speziell wie das Spiel des jungen Fritz Jones (er änderte diesen „deutsch“ klingenden Namen im Nachkriegschicago … und hatte ein halbes Jahrhundert später wegen des neuen Namens dann ganz andere Probleme).

Sonst ein paar Empfehlungen von meiner Seite, Essentials zum Einstieg sozusagen … die hier braucht man wohl, um überhaupt das moderne Jazz-Piano zu kennen:

Thelonious Monk – The Genius of Modern Music Vols. 1 & 2 (Blue Note)
Bud Powell – The Amazing Bud Powell Vols. 1 & 2 (Blue Note)
Al Haig – die 1953er Session (Esoteric/Vogue, z.B. auf der Piraten-CD hier komplett)

Vor allem die Bud Powells muss man einfach kennen – da hört man die Aufnahmen

Weiter geht’s dann z.B. mit den oben genannten Jamals, oder den hier (die Jones und Lewis sind späteren Datums, aber das tut wenig zur Sache):

Horace Silver & The Jazz Messengers (Blue Note)
Barry Harris – Preminado (Riverside)
Hank Jones – Upon Reflection (EmArcy/Universal)
John Lewis – Private Concert (EmArcy/Universal)

Bei Horace Silver geht’s weiter zum Hardbop (da gäb’s dann weiteres zu Empfehlen, aber das eine Album – es waren zwei 10″-LPs, eine dritte ohne Kenny Dorham erschien als „Hank Mobley Quartet“ und ist ebenso zu empfehlen – ist unbedingt zu hören), Harris ist ein in der Wolle gewaschener Bebopper (immer noch), Jones eher ein „umfassender“ Pianist, Lewis hat seine Bebop-Credentials (etwa Savoy-Sessions mit Charlie Parker, und das MJQ entstand ja aus der Rhythmusgruppe der Big Band von Dizzy Gillespie), entwickelte sich später aber auch zum umfassenden Mainstream-Pianisten … Tommy Flanagan wäre da noch zu nennen („Giant Steps“, „Eclypso“ auf Enja, „Sunset and the Mockingbird“ auf Blue Note etc.)

Und dann verdient noch der hier eine unbedingte Empfehlung:

Herbie Nichols – Complete Blue Note Recordings (Blue Note 3CD, re. 1955/56)
Herbie Nichols – Love, Gloom, Cash, Love (Bethlehem)

Das ist dann auch fast schon das Gesamtwerk, wenigstens alles wirklich Relevante.

Weiterhören kann man dann mit Andrew Hill oder Cecil Taylor, oder auch mit Ray Bryant, Phineas Newborn, Bobby Timmons, Red Garland, Wynton Kelly …

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