Re: Jazz: Fragen und Empfehlungen

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gypsy-tail-wind
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Ich hole das mal aus dem Hör-Thread hier rüber:

newkWerde mir Monterey 66 mal merken. Weston gehört zu der langen Liste der Musiker von denen ich nur ein Album besitze (Helen Merrill übrigens auch).

Die Alben, die mich Merrill endgültig verfallen liessen, waren die beiden mit Dick Katz, „The Feeling Is Mutual“ (1965) und „A Shade of Difference“ – die klanglich anscheinend problematische Ausgabe beider auf einer CD von Mosaic ist seit kurzem vergriffen. Ursprünglich erschienen die Alben anscheinend auf Milestone, Merrill nahm sie dann wohl mit, in den 90ern gab es sie (wie auch das ebenfalls tolle „Chasin‘ the Bird – Gershwin“ und das etwas weniger gelungene „Casa Forte“) bei Universal wieder, für die Merrill in derselben Dekade eine Reihe feiner Alben aufnahm, unter denen wiederum „Just Friends“ (mit Stan Getz) und „Brownie“, ihre Hommage an Clifford Brown, herausragen („Clear Out of This World“ möchte ich aber auch gleich noch nennen, ein karges, faszinierendes Album mit schönen Gastauftritten von Tom Harrell und Wayne Shorter).

Dazwischen nahm Merrill verschiedenste Dinge auf, ich habe sie längst nicht alle, sie sind oft nicht einfach zu finden. Schön sind die beiden Owl-Alben (von Universal auf CD wiederaufgelegt, aber wohl auch längst vergriffen) „No Tears … No Goodbyes“ (mit Gordon Beck im Duo) und „Musik Makers“ (im Trio mit Beck sowie je zur Hälfte Stéphane Grappelli bzw. Steve Lacy, der in den Neunzigern auf „Jelena Ana Milcetic a.k.a. Helen Merrill“, ihrem Wurzel-Suche-Album, ebenfalls einen Gastauftritt absolviert). Ein Album mit John Lewis habe ich nur als Kopie dank eines Freundes, auch das ist klasse.

Sehr toll sind all die frühen Alben für Mercury sowie „I’ve Got a Date with the Blues“ für Metrojazz – es gibt da Aufnahmen mit erstklassigen Small Groups (das bekannteste Album ist natürlich das schicht „Helen Merrill“ betitelte mit Clifford Brown, eines ihrer schönsten), aber auch Aufnahmen mit Streichern und mit Gil Evans („Dream of You“). Ich hatte vor einiger Zeit mal riesiges Glück und konnte mir die Mercury-Box in der Vinyl-Ausgabe (4LP, auf CD waren’s ebenfalls vier, es liegt in der Vinyl-Box dann leider auch nur ein Booklet im CD-Format bei, man hat das damals wohl alles parallel herausgegeben) kaufen, in gutem Zustand und zu einem eigentlich fast schon lächerlichen Preis (das war eine der wenigen Gelegenheiten, wo ich im Netz zugriff, auf gut Glück, nicht bei einem Anbieter, wo man sich auf Vinyl-Grading verlassen konnte … hat sich gelohnt!)

Was Weston betrifft … die Alben, die im Mosaic Select versammelt sind, finde ich allesamt gut bis sehr gut, „Highlife“ ist ein Leichtgewicht, aber sehr schön, das wichtigste dürfte „Uhuru Afrika“ sein, das sich wie es etwa Max Roach auch getan hat, mit afrikanischer Musik auseinandersetzt und das ganze etwas programmatisch aufzieht. Die Band ist erstklassig, es spielen u.a. Clark Terry, Benny Bailey, Richard Williams, Freddie Hubbard, Yusef Lateef, Budd Johnson, Cecil Payne, Jerome Richardson, Gigi Gryce, Quentin Jackson, Jimmy Cleveland, Julius Watkins und Kenny Burrell mit, dazu gibt es Sprecher und einen Haufen Trommler, unter ihnen Max Roach, Charli Persip, Olatunji, Candido. „Little Niles“ (u.a. mit Johnny Griffin und Ray Copeland bzw. Idrees Sulieman – Weston mochte die gleichen „blechernen“ Trompeter wie Monk!) und „Live at the Five Spot“ (Kenny Dorham, Coleman Hawkins, Wilbur Little, Roy Haynes – was für eine tolle Band!) sind ebenfalls ausgezeichnet, die Freshsound CD „Trio & Sextet“ ist sehr zu empfehlen, es gibt im Trio das Newport-Set von 1958 und im Sextet von 1966 einen Mitschnitt aus dem „Both/And“, wieder Copeland sowie dem selten zu hörenden Tenorsaxophonisten Frank Haynes. Die Rhythmusgruppe ist dieselbe wie auf „African Cookbook“ und „Monterey ’66“ (Wood, McBrowne, Big Black). „Tanjah“ (Verve 1973) ist dann ein weiteres herausragendes Album, sehr abwechslungsreich, erneut mit einem Haufen grosser Solisten, u.a. Budd Johnson, Copeland, Watkins, Al Grey, Norris Turney, Billy Harper …

Sehr wichtig ist bei Weston auch das Solo-Spiel, aus den Siebzigern etwa das Konzert aus Zürich auf „Blues to Africa“ (Freedom) oder „African Nite“ (Owl, Studio), aus den Neunzigern dann das grossartige „Marrakech in the Cool of the Evening“ … eines aus einer weiteren Reihe hervorragender Verve-Produktionen (Weston war damals Labelmate von Merrill), die auch „Volcano Blues“ und „Saga“, zwei seiner schönsten Alben, umfässt. Dass Melba Liston auch mal mit aufs Cover durfte, ist höchst verdient, sie arbeitete über Jahrzehnte immer wieder mit ihm zusammen – wie so oft mit den Arrangeuren (und als Frau noch doppelt handicappiert): she never got her due.

Während bei Merrill wohl nicht mehr mit weiteren Alben zu rechnen ist – „Lilac Wine“ von 2002 scheint das letzte zu sein -, ist Weston noch unterwegs, soweit ich weiss. Im April 2008 konnte ich ihn im Trio hören (mit Alex Blake und Neil Clarke, langjährigen Mitstreitern, auf CD kann ma sie auch hören, auf „Zep Tepi“), ein grossartiges Konzert!

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