Re: Count Basie

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gypsy-tail-wind
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Ja, „Under My Skin“ ist auf den Sands-Aufnahmen in der Tat grossartig! Es gibt überhaupt einige sehr, sehr tolle Tracks dort (die ich zu den besten Sinatra-Tracks zähle), aber das ganze hat dann doch zuviele Füller.

Nein, natürlich sind das keine schlechten Arrangeure! Hefti hab ich ja erwähnt, Wilkins war ebenfalls schon dabei, als der Sound der New Testament Band ab Ende 1951 geformt wurde. Das war quasi der letzte Entwicklungsschritt von Basies Musik, bis Ende der 50er wurde das ausgeformt und hat auf den „Dance Sessions“ (Clef, die fallen genau in die Übergangszeit zwischen den 10″ und 12″ Alben, Gus Johnson war damals noch der Drummer und er war ein gutes Stück toller als Sonny Payne – aber auch ein gutes Stück weniger flashy und daher war Payne später ebenfalls perfekt für die Band!) und Alben wie „Count Basie & Joe Williams“, „The Atomic Basie“, „Breakfast Dance and Barbecue“ oder „The Chairman of the Board“ eine gültige Ausdrucksform gefunden. Irgendwann liefen dann die besten Leute davon, darunter Thad Jones (den man unter den Arrangeuren ebenfalls noch nennen muss, genauso wie Frank Foster) und die Band verlor etwas an Schwung.
Basie machte dann einfach weiter, holte sich neue Arrangeure wie Nestico (und Quincy Jones) an Bord… da ist nichts falsch dran und die Musik war generell gut, manchmal sehr gut. Es ist für mich einfach so, dass mich die Zeit ab 1962 eigentlich erst interessiert, wenn ich davor keine Lücken mehr habe (einige habe ich noch, bzw. hab ich nur Dank der Hilfe von Freunden behelfsmässig gestopft).

Ein Buch war nie geplant, nur eine sehr ausführliche Website (mit einer timeline, für die ich zuständig war und aus der obige Auszüge stammen, mit einer riesigen Diskographie, kurzen Musikerbios der Sidemen, Artikeln, einigen Fotos etc – wir waren wohl zu seriös und sind daran dann auch gescheitert, der Aufwand war immens und ein Ende war nicht mehr absehbar leider).

Diskographischer Überblick – Teil 1: Old Testament

[B]Complete Decca Recordings – das ist der Augsgangspunkt von Basie (ok, ein paar der Bennie Moten Stücke gehörten da noch dazu, aber das kann man nachholen, wenn man mal zum angefressenen Fan geworden ist)! Wir hören Lester Young, seinen verehrten Partner, Rivalen und Freund Herschel Evans, Buck Clayton, Harry Edison, Bennie Morton, Dicky Wells, Jack Washington, sowie die all american rhythm section: Basie, Freddie Green, Walter Page und Jo Jones – zu viert schaffen sie einen Swing, wie er absolut einmalig war und ist. Und die vier sind auch in zwei Quartett-Sessions zu hören (sowie einigen Stücken mit Shad Collins, Lester Young und Jimmy Rushing).

[B]America’s #1 Band – das 4CD-Set von Sony enthält einen Grossteil der frühen Columbia-Small-Group-Aufnahmen (mit Lester Young, Buck Clayton, Dicky Wells…), bietet einen sehr knappen Überblick der Columbia-Jahre, inklusive ein paar Stücke von der neuen Big Band 1951 (der Wechsel zu Clef und Norman Granz fand unmittelbar danach statt), und es sind auch alle Studio-Aufnahmen des Oktetts enthalten (mit Clark Terry, Buddy De Franco, Charlie Rouse, Wardell Gray). Auf der vierten CD sind Raritäten versammelt, die teils zwar zuvor schon greifbar waren (in der grossartigen „Masters of Jazz“ Serie aus Frankreich), die aber nie zuvor so toll geklungen haben. Das Herzstück ist eine Aufnahme aus dem Famous Door mit Lester Young in brillanter Form – hier hört man gewissermassen den archetypischen Old Testament Sound, die Band ein ungezähmter Haufen, der aus dem Moment seine head arrangements macht, rifft, swingt wie die Hölle, aber immer mit dem losen Kansas City Swing, der mir so gut gefällt…. darüber die grossartigen Solisten, allen voran Pres, der oft schon während der Themen-Präsentation zu solieren beginnt und mit unglaublicher Projektionskraft die ganze Band übertönt.

[B]Classic Columbia, Okeh and Vocalion: Lester Young with Count Basie (1936-1940) – Mosaic hat die grosse Basie Columbia Retrospektive auch nicht stemmen können, ist aber mit dieser sehr tollen Lester Young Box in die Bresche gesprungen. Wir hören über vier CDs die kompletten Small Group Sessions, die Young mit Basie gemacht hat, sowie alle Big Band Stücke (Studio), in denen Young solistisch zu hören ist. Die Musik stammt von 1939/40 (abgesehen von der berühmten Jones-Smith-Inc Session von 1936) und erklingt in besserer Qualität als je zuvor, zudem sind fast ein Dutzend unveröffentlichte alternate takes erstmals zu hören.

Es gibt Überschneidungen zwischen der #1-Box und dem Mosaic-Set (v.a. die Small Group Sessions), aber beide haben ihre Berechtigung, denn in der Sony-Box hört man zudem noch die ganzen 1950/51 Oktett-Sessions, sowie die vierte CD mit den grossartigen Live-Aufnahmen und auch der Schnelldurchgang durch die Big Band Aufnahmen geht weit über die Zeit hinaus, in der Pres in der Band war.
Das Mosaic-Set ist zwar weit davon entfernt, komplett zu sein (es wären wohl – grob geschätzt – zehn CDs dafür nötig gewesen), bietet aber den besten Einblick in die Post-Decca-Zeit der Old Testament Band von Basie.

Alternativen:
Chronological Classics (+ Alternate Takes von Neatwork)
Masters of Jazz (gingen glaub ich bis Vol. 11, 1939)
– Definitive-Sets (Decca-Box, RCA-Box, zwei Columbia-Boxen – stets nur Master Takes, was bei Decca und RCA kaum bzw. nicht ins Gewicht fällt, die schlechte Klangqualität dafür umso mehr)

Davon ist soweit ich weiss fast alles vergriffen. Für die Decca-Zeit gibt’s ja die offizielle 3CD-Box, für die RCA-Zeit gab’s noch eine japanische Version, und es gibt überhaupt dutzende Compilations, wohl auch eine Membran Wallet-Box (ohne Diskographie) und eine Proper-Box (mit Diskographie, tendentiell haben die aber eher schlechten Klang und auf vier CDs ist auch nicht grad Platz für sehr viel).

Die RCA-Jahre waren musikalisch nicht mehr so spannend wie die Zeit davor, natürlich gibt’s aber auch da gute Musik zu hören und ein paar überraschende Gesichter in der Band, so der zukünftige Ellingtonian Paul Gonsalves.

Aus den 40ern existieren zudem unzählige Live-Aufnahmen (wenige davon sind auf den Classics CDs zu hören), sehr zu empfehlen ist da eine CD vom schottischen Hep-Label, [B]The Jubilee Alternatives, auf der AFRS-Transcriptions von 1943/44 zu hören sind. Auf Hep ist natürlich wie immer Verlass.

Live-Aufnahmen aus den 30ern gibt’s auch, darunter auch ein paar frühe, auf denen noch Claude „Fiddler“ Williams an der Gitarre (und Violine) zu hören ist, der vor Freddie Green in der Band war (und auch auf den allerersten Decca-Aufnahmen spielt). Leider gab’s bei Basie nie so viele schöne Reissues und Compilations wie bei Ellington… für die meisten Live-Sessions aus der OT-Ära muss man wohl Vinyl suchen oder sich mit billigen CD-Compilations herumschlagen.

Zum Abschluss noch eine hübsche Marginalie:

Count Basie Septet & Octet: On Film & Live – auf dieser Compilation von Sagajazz (die Leute von Masters of Jazz sind dort involviert, für gute Klangqualität ist also gesorgt) sind die nicht-offiziellen Aufnahmen aus dem Interregnung (1950/51) zu finden und die sind erstaunlich gut. Wieder sind Clark Terry, Buddy DeFranco (#1-7) dann Marshal Royal (der später die Sax Section der NT-Band leiten sollte) und Wardell Gray zu hören, die Rhythmusgruppe besteht aus Basie, Green, Jimmy Lewis und Gus Johnson (der dann die frühesten Aufnahmen der NT-Band antreiben sollte). Auf „God Bless the Child“ und „Now, Baby, or Never“ hören wir Billie Holiday, auf drei weiteren Stücken ist zudem Buck Clatyon als Gast dabei (#15-17).
Die Musik stammt von Telescriptions (#1-5 Snader Telescriptions prob. 1950-10 und #6-7 und #18-19 Universal Films late 1950-08) und Radio-Broadcasts (WNEW, #8-12 1951-04-20 und #13-17 1951-04-28) sowie einer unidentifizierten New Yorker Live-Session (#20-23 poss. 1950-12). Eine sehr hübsche Compilation und ziemlich unverwartet für eine Billig-Reihe wie Sagajazz.

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