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lathoIch bin ja anpassungsfähig, was Begriffe angeht, aber bei mir ist das umgekehrt – ich muss mich an den Begriff „Shoah“ wirklich gewöhnen, mir kommt da immer Lanzmanns Film in den Kopf und das passt irgendwie nicht ganz, so als würde ich über einen Film reden. Der Begriff Holocaust ist für mich weder abwertend oder zynisch, nein, den gebrauche ich seit ich Kind war und dahinter verbirgt sich das ganze Grauen. Das dürfte dem Großteil meiner Generation so gehen, er wurde eben so gebraucht. Das gilt bei mir im übrigen auch für „Reichskristallnacht“ – das Wort „soll“ man ja nicht mehr gebrauchen, weil es zynisch gemeint war. Aber den ursprünglichen Zweck, die Verharmlosung, hat es nicht mehr erfüllt, es stand ab den 70ern für Pogrom, Mord und Brandstiftung. Den begriff wieder „abzugeben“ widerstrebt mir ein bisschen, weil man ihn dann den Nazis „zurück“ gibt.
Das geht mir ziemlich ähnlich. „Holocaust“ und „Reichskristallnacht“ waren die beiden Bezeichnungen, die in der Literatur üblich waren, mit der ich mich zuerst mit der NS-Zeit befasst habe. „Shoah“ und „Reichspogromnacht“ sind für mich eher „Zweitbegriffe“. Ich halte die ersten beiden Begriffe aber auch nicht für grundsätzlich problematisch, da die kritisierten Aspekte (im zweiten Fall mittlerweile) nicht offensichtlich sind und beide Begriffe nicht für andere Ereignisse genutzt werden. Basierend auf dem Wikipedia-Artikel zu „Shoah“ (mir war die Etymologie vorher nicht bekannt) finde ich den Aspekt des“von Gott gesandtes Unheils“ dieses Begriffs auch nicht unbedingt passend. Vielleicht wären „Völkermord“ und „Novemberpogrome“ insgesamt bessere Begriffe, mir scheint aber, dass jeder Versuch treffende und unproblematische Begriffe zu finden aufgrund der Ungeheuerlichkeit der Ereignisse zum Scheitern verurteilt ist.
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