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Habe den Post heute nachmittag verloren… zu Gene Ammons‘ Jammin‘ in Hi-Fi, McLeans letztem Jam-Album mit ihm, schreibe ich nichts mehr weiter, ausser dass Idrees Sulieman und Paul Chambers die Neuzugänge sind, Burrell zum zweiten Mal mit dabei, zudem Taylor und Waldron aus der Stammbesetzung.
Die vier Stücke dauern alle 12-13 Minuten, das ganze Album ziemlich genau 50, und es ist sehr schön! Waldron hat die Leitung, hat zwei Instant-Originals geschrieben, und Eddie Vinsons „Four“ arrangiert. Suliemans Konzeption kommt direkt aus dem Bebop (er war einer der ersten Bopper, gleicher Jahrgang wie Navarro, jünger aber als Dizzy und Maggie), ist voller waghalsiger Intervalle und Sprünge und dennoch sehr lyrisch. Ammons selbst ist einmal mehr der Star und wohl der Kitt, der aus dieser sehr losen Sache ein gelungenes Album werden lässt – was mich bei diesen Ammons-Jams immer wieder verblüfft… sind nämlich allesamt gut bis sehr gut!
Die Ballade läuft nach dem üblichen Schema, bloss bleibt Ammons – ganz allein mit Burrell, der sehr einfühlsam und warm begleitet – diese Mal über zweieinhalb Minuten im langsamen Tempo. Im ersten Solo zitiert er dann „Poinciana“ und später im zweiten, nachdem die anderen ihre Soli gespielt haben, auch noch „There’s a Small Hotel“, bevor er wieder ins langsame Tempo wechselt.
Mit Mal Waldron nahm McLean im April eine Session auf, die auf der Hälfte auf Mal/2 (PR 7111) landete. Das Sextett bestand ausserdem aus Bill Hardman (t), John Coltrane (ts), Julian Euell (b) und Art Talyor (d). Die zweite Session für das Album wurde im Mai mit Sulieman (t), Sahib Shihab (as,bari), Coltrane, Euell und Ed Thigpen (d) eingespielt.
Waldron, der zu dieser Zeit als Begleiter von Billie Holiday unterwegs war, war drauf und dran, seinen eigenen Stil zu finden. Coltrane spielte an drei aufeinanderfolgenden Tagen im April Prestige-Sessions ein und zog sich wenig Tage darauf nach Philadelphia zurück, um sich endgültig seiner Drogensucht zu entledigen.
„Potpourri“ ist ein Waldron-Original in schnellem Tempo, klingt ein wenig nach Big Band, McLean und Sulieman spielen schöne Soli, Coltrane folgt – Taylor gibt intensive Kommentare ab – mit einem Solo, das zunächt relativ flüssig ist, dann zunehmend fragmentierter, pausenreicher wird, bevor es wieder mit flüssigen Phrasen endet. Waldron folgt mit seinem klassischen „Telegraphen-Stil“.
„J.M.’s Dream Doll“ ist Waldrons Homage an Dolly, die Frau von Jackie McLean – ein charmanter Walzer. Das Stück walkt langsam dahin, man vergisst beinahe, dass es ein Walzer ist. McLean präsentiert das Thema, gefolgt von Soli von Waldron, Coltrane und Hardman, und am Ende steht dann McLeans wunderschönes Solo, bevor er wieder das Thema repetiert. Er hat im vergangenen Jahr jedenfalls gelernt, eine Performance ruhig anzugehen, eine Ballade auszuspielen, und das hört man hier sehr schön.
Ähnlich geartet ist Waldrons Fassung des von Billie Holdiay mit Arthur Herzog Jr. komponierten „Don’t Explain“. Die Interpretation steckt voller emotionaler Ambivalenz (ein Markenzeichen von Waldrons Musik). Im Thema bläst McLean die Moll und die Dur Septime – um den traurig-fröhlichen Aspekt und eben die Ambivalenz zu betonen – ein wunderbares Arrangement, auch was den Bass betrifft. Hardman spielt am Anfang allein, dann folgt das Thema von McLean/Coltrane, sehr eng und speziel gesetzt, bevor Hardman nochmal allein mit McLean Septimen das Thema beendet und dann in sein Solo wechselt, wofür Taylor einen satten Swing mit Besen spielt und Waldron kauzige Einwürfe macht. Coltrane folgt als zweiter (und letzter) Solist, es gelingt ihm, unter Beibehaltung der Stimmung einige seiner rasanten Patterns einzuschmuggeln. Am Ende folgt nochmal das Thema, Hardman mit Septimen, die Saxophone und wieder Hardman mit McLeans Septimen – sehr schön!
Zwei weitere, längere Stücke (genug für eine halbe LP) wurden an der Session eingespielt, sie wurden 1965 auf The Dealers (Status 8316) veröffentlicht, zusammen mit zwei Alternate Takes von der Session, die Coltrane und Waldron mit Frank Wess und Paul Quinichette gemacht haben (heute auf der CD „Wheelin‘ & Dealin'“ greifbar – dazu mehr hier -, die beiden im folgenden kommentierten Stücke sind auf der CD „Mal/2“ zu finden).
Waldrons „Blue Calypso“ (ein Blues) wechselt zwischen dem karribischen und einem straighten 4/4-Beat, Taylor eröffnet solo, Waldron spielt das Thema allein und glänzt mit drei beweglichen Blues Chorussen voller Einfälle. Es folgen Taylor, Coltrane und Hardman, die beide geschickt mit dem Wechsel vom Calypso- zum Swing-Beat umgehen. McLean folgt mit dem längsten Solo der Session, er phrasiert flüssig und spielt voller Leidenschaft. Dann folgt ein Duett von Waldron und Euell, bevor Taylor das Stück mit Calypso-Beat beendet.
Rodgers & Harts „Falling in Love with Love“ wird rasant angegangen, nach einem kurzen Intro von Waldron springt Hardman mitten ins Solo. McLean soliert mit was man mittlerweile wohl seine typisch kompetente Art nennen kann, gefolgt von Coltranes, dessen Solo voller Bebop-Phrasen ist und mit Feuer brennt. Es folgen Fours der drei Bläser, bevor Hardman das Thema repetiert.
Ich hatte mich zu dieser Session schon letztes Jahr kurz im Chronlogical Coltrane geäussert, mein Fazit zu Bill Hardman viel damals deutlich negativer aus, ich war aber mit den diversen Hardman/McLean(/Blakey) Aufnahmen damals erst teilweise vertraut und höre das heute ein bisschen anders – aber Sulieman überzeugt mich dennoch mehr, wenngleich Hardman etwa in „Blue Calypso“ ein sehr tolles Solo spielt und auch im Holiday-Stück sehr überzeugt.
Anfangs Mai folgte McLeans nächste Prestige-Session, dieses Mal mit John Jenkins um quasi das „2 Altos“ Album einzuspielen, das den Titel Alto Madness (PR 7114) kriegte. Die Rhythmusgruppe besteht aus Wade Legge, der 1952-54 mit Gillspie gespielt und 1953 ein Blue Note Trio-Album aufgenommen hat und später etwa bei Mingus auftauchte und zu der Zeit 1957 mit Max Roachs Band spielte (zu hören etwa auf Sonny Rollins‘ Prestige-Album „Sonny Rollins Plays for Bird“, PR 7095). Doug Watkins und Art Taylor sind ebenfalls zur Stelle, wie so oft, wenn Bob Weinstock ein paar Leute in Van Gelders Studio zusammentrommelte.
Das Titelstück ist McLean zugeschrieben, ein einfaches zwölftaktiges Blues-Riff, in dem McLean das Thema spielt und Jenkins seine Phrasen jeweils beantwortet, das Echo spielt. McLean spielt dann drei Durchgänge, Jenkins drei, dasselbe nochmals, dann zweimal jeweils zwei, danach folgen beide achtmal mit je einem Chorus, bevor sie mit den Fours beginnen (sechs Chorusse Jackie immer noch zuerst), dann zwei Chorusse Twos spielen, nochmal zwei mit Fours und dann Jackie zum Ende… ein konstanter Dialog also, in dem sich die beiden auch annähern, sehr ähnlich klingen. McLean hat den fetteren, harteren Ton (klingt hier aber weicher als meist), Jenkins ist schlanker, näher an Charlie Parker (aber McLean war durchaus auch ein Vorbild für ihn – er begann etwa in derselben Zeit in Chicago zu spielen, als McLean in New York erstmals von sich hören liess. Jedenfalls ist das eine sehr faszinierende Nummer, fast zwölf Minuten Altsax ohne unterbruch, ein konstanter Dialog, in dem Jenkins zwar eindeutig nicht die dominante Stimme ist aber einen sehr guten Eindruck hinterlässt! Ich muss zugeben, dass ich stets dazu tendiere, ihn zu unterschätzen… das beste Album von/mit ihm ist wohl jenes von 1957 mit Clifford Jordan und Bobby Timmson sowie Wilbur Ware und Dannie Richmond („Jenkins / Jordan / Timmons“, Prestige) – das hab ich immerhin in meine Monsterliste mit aufgenommen.
Mit Jenkins‘ „Windy City“ endet die erste Hälfte, ein Swinger. Nach dem Thema folgt ein kurzes Interlude, dann ein Chorus, den die beiden sich teilen (McLean spielt vier Takte, Jenkins wiederholt sie, dasselbe nochmal, dann Jenkins allein für die acht Takte der Bridge und zum Ende nochmal McLean und Jenkins mit je vier Takten). Dann folgt Jenkins mit dem ersten Solo, spielt drei schöne Durchgänge, lässt Raum für Taylor, wirkt streckenweise aber ein wenig unsicher. McLean folgt mit vier Chorussen. Danach spielt Wade Legge ein Piano-Solo (drei Durchgänge) und Taylor ein kurzes Schlagzeug-Solo (ein Chorus), bevor die Saxophonisten das Stück mit dem Thema beenden.
Die zweite Hälfte beginnt mit „The Lady Is a Tramp“ von Rodgers-Hart, McLean spielt das Thema und den ersten Chorus, dann folgt Jenkins mit zweien und danach nochmal McLean. Legge spielt einen und dann folgen Fours (McLean zuerst) und am Ende nochmal McLean mit dem Thema. Das hier ist klar seine Show. Taylor ist für Jenkins nicht der ideale Drummer, sein Time ist irgendwie… weicher, anders als Taylor, der hart peitscht und für McLean eben ideal funktioniert.
Der zweite Standard ist „Easy Living“, wird von McLean als Ballade dargeboten, Jenkins ist jeweils nur in den Bridges (aller Chorusse) zu hören, Wade Legge kriegt am Ende des zweiten Chorus auch noch acht Takte. Sehr schön, wie McLean diese Ballade spielt, wieder wird deutlich, dass er mittlerweile die Ruhe und Geduld für sowas hat – auch wenn er oft in Sechzehntel-Läufe fällt, er macht das so geschickt, dass die Stimmung immer balladesk bleibt.
Mit Jenkins‘ zweitem Original „Pondering“ endet das Album. Das Thema spielen die beiden Saxophonisten nur mit Watkins‘ Bass, in der Bridge – die McLean und Jenkins in dieser Reihenfolge aufteilen – stösst die ganze Rhythmusgruppe dazu („Oleo“ lässt grüssen). McLean spielt dann zwei Chorusse, gefolgt von zweien von Jenkins (mit der ganzen Rhythmusgruppe), dann kriegen Legge und Watkins je einen, am Ende ist das Thema dann umgekehrt: die volle Rhythmusgruppe spielt, in der Bridge aber nur Watkins. Ein sehr schönes Stück zum Ausgang, wohl abgesehen vom Titelstück mit den besten Beiträgen von Jenkins.
Das Album ist am Ende doch recht klar von McLean geprägt, man hört VIEL Altsaxophon hier, aber die bieden Stimmen verschmelzen sehr schön, war wir hier hören ist jedenfalls keine Battle sondern einen freundlichen Dialog, in dem aber durchaus auch das Können demonstriert wird. Es enstand im Rahmen dieser Session noch das Stück „Bird Feathers“, das auf einem gleichnamigen Album (New Jazz 8204) erschien, auf dem Stücke von diversen Altsaxophonisten zu finden waren. Ich kenne es bisher nicht.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba