Re: john lenwood "jackie" mclean

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gypsy-tail-wind
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McLean nahm noch zwei weitere Alben mit Blakeys Messengers auf, bevor er den „Daddy“ verliess. Das erste der beiden dürfte das am wenigsten bekannte sein, Tough! (Cadet LP 4049), später als Twofer mit einer Roach-Session aus „Percussion Discussion“ wieder aufgelegt. Aufgenommen wurde es irgendwann im Frühling 1957 mit derselben Band, die seit dem Herbst des Vorjahres bestand hatte: Bill Hardman (t), Jackie McLean (as), Sam Dockery (p), Spanky DeBrest (b) und Art Blakey (d). Auf dem Programm stand wenig neues, das Repertoire dieser Ausgabe der Messengers scheint nicht besonders gross gewesen zu sein, zudem ginge sie im Frühjahr 1957 wohl etwas zu oft ins Studio, um jedes Mal ein völlig neues Programm dabei haben zu können.
Duke Jordans „Scotch Blues“ steht am Anfang, McLean spielt ein wunderbares Solo, sein Ton satt und zartbitter, flexibel, dehnbar – er spielt äusserst entspannt. Sehr schön die stopt time Passage. Hardman folgt, beginnt ganz einfach, baut rasch ein tolles Solo auf, glänzt mit Sechzehntel-Läufen, bis er dann für seine stop time Passage wieder einfachere Linie spielt… und kaum kickt die Band wieder ein gibt er wieder Gas. Blakeys Groove ist unglaublich, davon profitiert auch Sam Dockery, der nächste Solist.
Das zweite Stück, „Flight to Jordan“, stammt erneut von Duke Jordan, der es später zum Titelstück seines schönen Blue Note Albums machen sollte. DeBrest walkt ein paar Takte, dann spielen McLean und Hardman die Melodie sehr leise über den satten Groove der Rhythmusgruppe und Dockerys frisches comping. Wieder hebt McLean als erster ab, sein Solo ist kurz und klar. Es folgen Dockery, dann – enorm lyrisch – Hardman und schliesslich Blakey mit einem relaxten Solo.
Blakey hat das dritte Stück, „Transfiguration“, komponiert. Hardman und McLean spielen im Intro gegenläufige Linien, dann fallen sie in das repetitive Thema (mit einfacher Bridge) und Hardman spielt dann das erste Solo. McLean folgt mit einem sehr tollen Solo, dann Dockery und erneut Blakey.
Es folgt die nächste Version von Gigi Gryce‘ „Exhibit A“, McLean hat das Stück langsam richtig im Griff, klingt unglaublich sicher und locker, sein Ton ist in dieser ganzen Session sehr schön, die Zeiten der gelegentlichen Unsicherheit scheint vorbei zu sein. Es folgen Hardman, Dockery und Blakey – die Band groovt enorm, ist perfekt eingespielt… das ganze ist am Ende vielleicht fast eine Spur zu relaxed, aber doch sehr schön.
Zum Abschluss folgt die veröffentlichte Fassung des Gershwin Medleys: Rhapsody In Blue (McLean) / Summertime (Hardman) / Someone to Watch Over Me (Dockery) / The Man I Love (DeBrest) und damit endet das sehr kurze Album (Argo/Cadet halt) dann auch schon. Das Medley ist nicht besser geworden in den vergangenen Monaten… ich tendiere auch dazu, Cuscunas Meinung zu teilen, dass es sich hier eher um einen kleinen Spass handelt (s.o. Dez. 1956). Anders sieht die Sache dann mit dem Lerner & Loewe Album (mit Griffin an McLeans Stelle) aus, aber auch das überzeugt nicht vollends.

Das letzte Album, das McLean mit den Messengers gemacht hat ist wohl zugleich auch das beste. McLean war eigentlich schon raus aus der Band, im März schon hatte Blakey das „Lerner & Loewe“ Album mit Johnny Griffin an seiner statt eingespielt – das erste für Vik, ein neues Unterlabel von RCA Victor.
Im April trafen die Messengers (mit Griffin) dann auf Monk, es entstand ein grossartiges Album für Atlantic. Und im selben Monat nahmen sie auch ihr bestes reguläres Studio-Album auf, A Night in Tunisia (Vik LX-1115), auf dem McLean zurückkehrte und die Messengers für ein paar Stunden zum Sextett machte. Er lief als „Ferris Benda“ auf der LP, aufgrund seines Prestige-Vertrages. Zwischem ihm und Griffin fliegen die Funken, Hardman bietet einen guten lyrischen Kontrast und die Rhythmusgruppe, vor allem Blakey selber, wirkt etwas wacher als auf „Tough!“ und der „Midnight Session“.
Das Album beginnt mit Dizzy Gillespies Titelstück, einem Klassiker, zu dem Blakey immer wieder zurückfand, der ihm mit seinem Wechsel zwischen Swing- und Latin-Rhythmen sehr viele Möglichkeiten öffnete. Unterstützt von der Band an Perkussion öffnet Blakey Solo, nach über zwei Minuten setzt die Band ein – wir sind aber schon mittendrin, Blakeys Getrommel ist unglaublich musikalisch, McLean spielt die Bridge allein, kriegt dann nach dem Interlude auch das erste Solo, lässt sich Zeit, spielt einen fast schon provokant einfachen Solo-Break zum Auftakt. Dann legt er aber schnell nach, lässt sich von Blakey treiben und flicht einige leicht orientalisch angehauchte Linien ein. Hardman folgt, stotternd, nahe am Thema, mit ein paar vorsätzlich falschen Noten, bevor er sich mit kleinen Motiven und Varianten auch langsam ins Feuer spielt. Griffin stürmt sofort los, mit einem sehr tollen Solo, zwischendurch hört man ihn Schreien, mit der Stimme und am Ende des Solos auch mit dem Sax. Dockery meistert die undankbare Aufgabe, nach diesem Feuerwerk zu solieren, sehr gut, spielt reduziert, repetitiv, perkussiv. Dann folgt DeBrest mit einem kurzen Solo, bevor Blakey trommelt, unterstützt wieder von der ganzen Band. Zum Ende folgt das Thema, dieses Mal mit Blakey in der Bridge und einer kleinen Kadenz von McLean zum Ende – grossartige Aufnahme!
„Off the Wall“ stammt von Griffin, das Tempo ist mittelschnell, das perfekte Messengers-Tempo. McLean soliert zuerst, Hardman steigt mit einem verspielten kleinen Lick ein, aus dem er dann sein Solo aufbaut. Griffin ist entspannt, Dockery wieder sehr sparsam, aber etwas gesprächiger.
Hardmans „Theory of Art“ wurde für eine spätere Edition des Albums zum Titelstück. Blakey öffnet mit einem Intro und auch das Thema ist für ihn angelegt, er trommelt wild drauflos, besonders in der Bridge, während die Bläser das einfache Thema spielen. McLean steht wieder am Anfang der Soli, es folgen Hardman und Griffin, der in diesem rasanten Tempo zu Hochform aufläuft. Blakey folgt mit einem tollen Schlagzeugsolo.
„Couldn’t It Be You“ ist eine entspannte Kollaboration von Blakey und McLean. Griffin soliert dieses Mal zuerst, Hardman folgt, die Saxophone riffen ein wenig, dann folgt McLean, in einer ähnlich lyrischen Stimmung wie Hardman.
Mit dem schnellen „Evans“ aus der Feder von Sonny Rollins endet das Album. Das Stück beruht auf den Changes von „Get Happy“, Sonny Freund McLean dürfte es mitgebracht haben. Er soliert auch als erster, wechselt zwischen langen Tönen und rasanten Läufen. Hardman folgt, zunächst ohne Piano, bläst ein verspieltes schnelles Solo, das kaum je aus dem mittleren Register hinausgeht und immer toller wird als Dockery einsteigt. Dann folgt Griffin, der sich sofort in Rage spielt, Blakey spielt hinter ihm mit diversen Effekten herum. Dockery wieder minimalistisch karg, fast ohne linke Hand. Dann folgen Exchanges der Bläser zuerst untereinander, dann mit Blakey.

Auf der 1995er CD Second Edition wurde ein Überblick über die Vik/RCA-Aufnahmen der zweiten Messengers geboten, vor allem aber das „Lerner & Loewe“ ALbum komplett neu aufgelegt (es erschien 2001 noch einmal auf einer Doppel-CD von Collectables, zusammen mit „A Night in Tunisia“). Die „Second Edition“ CD enthielt zudem fünf Raritäten, darunter zwei Stücke (drei Takes) von einer „Jazz Messengers Plus Four“ Session, die im April ohne McLean entstand (die „Plus Four“ sind Lee Morgan, Melba Liston, Sahib Shihab und Cecil Payne, Wynton Kelly sass für einmal am Piano). Zudem enthält die CD zwei Alternate Takes von „A Night in Tunisia“, Take 5 von „Off the Wall“ und Take 3 von „Couldn’t It Be You“.
Auf der „Bluebird First Editions“ CD des Albums (oben abgebildet, 2002 erschienen) finden sich ebenfalls drei Alternate Takes, darunter besonders erwähnenswert derjeniges des Titelstücks „A Night in Tunisia“. Zudem sind „Off the Wall“ und „Theory of Art“ nochmal zu hören. Die Takes werden in allen Fällen als „-1“ angegeben, weitere Infos dazu gibt’s im Booklet soweit ich sehe keine, es ist mir daher nicht klar, ob das derselbe Take von „Off the Wall“ ist oder nicht (die Timings sind 7:12 auf der 2002er und 7:25 auf der 1995er CD), vermutlich ist es aber wirklich ein anderer, denn es heisst, alle drei Stücke seinen „previously unissued“. „Couldn’t It Be You“ konnte jedenfalls aus Zeitgründen sowieso nicht auch noch angehängt werden.

Die Session verlief übrigens wie folgt: mit „Off the Wall“ wurde entspannt begonnen, dann folgte mit „A Night in Tunisia“ das wohl schwierigste Stück, mit „Couldn’t It Be You“ eine relaxte Nummer und dann mit „Theory of Art“ und „Evans“ nochmal etwas anspruchsvollere Stücke. In „Evans“ ist die Band dann richtig gut drauf in den Exchanges.
„Off the Wall“ ist also insgesamt in drei Takes zu hören, TK 1 als Bonustrack auf der Bluebird-CD, TK 5 auf „Second Edition“ und TK 6 war dann der Master. Auch die beiden Alternates sind sehr entspannt, das Stück ist purster Hardbop und es macht Spass, davon mehr zu hören, vor allem Griffins Solo auf TK 1 ist super.
Auf TK 3 von „Couldn’t It Be You“ sind die Soli von McLean und Griffin vertauscht, McLean soliert (wie fast immer) zuerst und hat – wie auch sonst hie und da in der Session – Probleme mit seinem Blatt, die hier aber wirklich ein paar Mal etwas stören. Die Soli von Hardman und Griffin sind allerdings absolut veröffentlichungswürdig. Dockery kriegt hier zudem einen Chorus zugunsten von Blakey und die Bläser riffen weniger hinter den Soli.
Der alternate Take von „Theory of Art“ ist noch eine halbe Minute länger und damit über zehn Minuten lang. Seite B des Albums war sowieso schon ziemlich lang, da war es wohl gut, dass der zweite Take eine Spur schneller angegangen wurde, sonst kann ich am ersten Take keinen eindeutigen Makel erkennen.
Das Highlight unter den Alternates ist natürlich „A Night in Tunisia“, es ist etwas kürzer (kein Bass-Solo) und die Soli der Bläser sind völlig verschieden von denen auf dem Master Take. Hardmans Spiel im Thema ist allerdings nicht immer sauber.
Schade, dass es von „Evans“ keinen weitere Take zu hören gibt, ich hätte von den Exchanges gerne mehr gehabt! Der veröffentlichte war TK 2 (wie bei „Theory of Art“), bei „A Night in Tunisia“ war’s TK 3, bei „Couldn’t It Be You“ TK 4 und bei „Off the Wall“, dem Opener mit McLeans Blatt-Problemen, wurde erst bei TK 6 grünes Licht gegeben.

In Sachen idiotischer CD-Reissues: das Tunisia-Album gab’s wie gesagt auch als „Theory of Art“, mit zwei Bonustracks von der Messengers Plus Four Session, an der auch nur zwei Stücke, „Social Call“ und „A Night at Tony’s“ (beide von Gigi Gryce) eingespielt wurden. Nur von letzterem ist auf der „Second Edition“ der betreffende Take zu hören, von beiden sind aber zusätzliche Takes aufgenommen worden.
Um alle Tracks zu haben von „A Night in Tunisia“ und von der Plus Four Session muss man also die Bluebird CD von „A Night in Tunisia“ haben, den Reissue „Theory of Art“, sowie „Second Edition“. Natürlich wäre auf letzterer genügen Raum gewesen für alle vier Takes von der „Plus Four“ Session, aber – Ihr ahnt es schon… – Orrin Keepnews hat den Reissue produziert. Deppert! Sowas von!

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