Re: john lenwood "jackie" mclean

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McLeans Werk explodiert förmlich in den folgenden zwei Jahren. Er nimmt eine Reihe eigener Alben unter Bob Weinstocks „supervision“ auf und erscheint auf einer langen Reihe von typischen Jam-Alben, wie Prestige sie in jener Zeit am laufenden Meter produzierte. Ob McLeans eigene Alben Jams sind oder nicht ist an sich nicht so wichtig, sie wirken jedenfalls oft schlecht vorbereitet, ohne richtiges Konzept, und bieten ihm einen Rahmen, in dem er nicht optimal spielt. Seine Drogen-Geschichten mögen das ihre dazu beigetragen haben, dass sein Spiel in den folgenden Jahren eher stagniert. Allerdings wird schon im ersten Album – vielleicht dem besten der Reihe – dem im Januar 1956 eingespielten Lights Out! deutlich, dass McLean jetzt zumindest eine der vielen tollen und individuellen Stimmen im Hardbop-Konzert ist. Wenn man nicht um seine Quantensprünge ab 1962 wüsste, ich bin mir sicher man würde diese Alben von 1956/57 nichtsdestotrotz schätzen, vielleicht in der Art, wie man etwa die (viel weniger zahlreichen) Aufnahmen von Musikern wie John Jenkins, Gigi Gryce (der auch regelmässig mit Donald Byrd gespielt hat) oder Sonny Red schätzt.

Lights Out! beginnt mit dem langsamen Blues desselben Namens, der fast dreizehn Minuten dauert und von Elmo Hope eröffnet wird. Doug Watkins legt mit seinem grossen Sound einen fetten Boden, Taylor scheppert und treibt, McLean spielt dann ein wunderbares Blues-Solo, gefolgt von Byrd (mit Dämpfer) und Hope, die ihrerseits tolle Soli beisteuern. Damit ist auch für dieses Album der Ton gesetzt: es ist eine lose, entspannte Session, die eben mit gedimtem Licht eingespielt wurde. Für die Exchanges mit McLean spielt Byrd dann am offenen Horn, das Zusammenspiel der beiden ist wunderbar.
„Up“ beginnt mit einer Bläser-Fanfare, mit viel „Amen“-Feeling, geht dann aber in ein rasantes Temp über und Byrd bläst das erste Solo über die rhythm changes. Taylor gibt der Band einen gewaltigen Kick, Hopes comping ist immer eine Spur neben dem, was man erwarten würde. McLean klingt offen und frisch, sein Ton ist sehr schön, seine Phrasierung aber noch immer nahe bei Bird und die Intonation noch viel weniger eigenartig als später. Zum Ende kriegt auch Taylor ein verdientes kurzes Solo, dann folgt wieder der call der Bläser, das einzige thematische Material hier.
„Lorraine“ ist Donald Byrds kaum abgewandelte Version von „Embraceable You“, es gehört bis auf ein Solo McLeans in der Mitte auch ganz ihm und er zeigt uns seinen wunderschönen, vollen Ton. Watkins glänzt mit tollem walking bass, Hope ist etwas blumiger als sonst. Von „A Foggy Day“ nahm McLean wenig später mit Mingus eine sehr viel tollere Version auf (impressionistische Sound-Effekte inklusive), der Take hier ist zwar ganz schön aber doch konventionell. McLean soliert zuerst, gefolgt von Byrd (mit Dämpfer) und Hope, bevor er eine zweite Runde im Nebel dreht. Und Taylor Schlagzeugstuhl quietscht…
Byrds „Kerplunk“ ist die zweite Blues-Nummer des Albums, schneller und moderner als das Titelstück dauert es aber auch fast neun Minuten (das ganze Album ist mit seinen 46 Minuten erstaunlich lang – man war wohl 1956 noch am tüfteln und ausprobieren, was das betraf). Hope soliert wieder zuerst, dann Byrd, McLean, und dann fünf Runden einzelne Chorusse von Byrd und McLean, weiter mit „The Peck“ und Schluss. Das Stück wurde als zweites der Session nach „Foggy Day“ aufgenommen und Taylors Stuhl quietscht noch immer.
Auch „Inding“, das dritte McLean-Original, beruht auf „I Got Rhythm“ – es war hier wirklich nicht weit her mit den Kompositionen, auf etwas wie „Little Melonae“ musste man jedenfalls noch geraume Zeit warten. Überhaupt hat Jackie das Komponieren auf den folgenden Alben meist Mal Waldron und anderen Sidemen überlassen. Byrd soliert als erster, ein verspieltes tolles Solo mit dichtem Kommentar von Taylor. Hope folgt mit einem seltsam gebremsten Solo, das aber einen gewissen Reiz hat. Dann übernimmt McLean, Taylor dreht sofort wieder auf. Das Sax-Solo ist ein toller Abschluss eines recht gelungenen Albums, McLean klingt emotional, rauh, direkt, spielt ein wenig mit Tönen und Rhythmen, man hört auch hin und wieder seine kleinen „Schreie“ zwischen den Phrasen. Das Stück endet mit einem sehr tollen Coda, in dem Byrd und McLean klagende Linien über einen Pedal Point von Watkins spielen, während Hope aussetzt und Taylor nochmal trommelt, was das Zeug hält.

Die nächste Session, die folgte, war dann Charles Mingus‘ Pithecantropus Erectus, in dem McLean einen Rahmen gesteckt bekam, der offensichtlich mehr aus ihm herauskratzte als das in den meisten Prestige-Sessions der Fall war. Mit Pianist Mal Waldron war er vertraut, Drummer Willie Jones war ein Autodidakt, der ein paar Jahre zuvor mit Monk und Rollins eher mässig erfolgreich aufgenommen hatte, in der Zwischenzeit aber u.a. in Mingus‘ Gruppe gewachsen war. J.R. Monterose ist die Stimme, die auf dem ganzen Album (nebst Mingus‘ kompositorischer Stimme) am deutlichsten herausragt, mit grossem, sperrigem Ton und kantigen Linien – wenn er spielt hat man stets das Gefühl, er stosse sich an jeder Ecke, an der er vorbeimanövrieren muss…

Mit The Happy Blues begann Gene Ammons eine Lange Reihe von Alben, die als lose Jam Sessions eingespielt wurden. Es gab zuvor schon im Juni 1955 eine Session mit Art Farmer, Lou Donaldson, Freddie Redd, Addison Farmer und Kenny Clark, deren zwei resultierende Stücke mit diversen frühen Prestige-Tracks von Ammons auf PR LP 7050 veröffentlicht wurden, aber „The Happy Blues“ war das erste Album, das in einer Session eingespielt wurde.
An Ammons‘ Seite finden sich McLean, Art Farmer, Duke Jorden, Addison Farmer (der Zwillingsbruder von Art, viel zu früh verstorben und ein massiv unterschätzter Bassist jener Zeit!), Art Taylor sowie Candido Camero. McLean übernimmt im öffnenden Titelstück das erste Solo und spielt, wie Ira Gitler in seinen Liner Notes feststellt, „one of his most relaxed solo“. Die anderen Bläser riffen hie und da ein wenig, auch in den folgenden Soli. Art Farmer folgt mit einem grossartigen lyrischen Solo, sein Ton noch eine Spur brüchiger als später. Dann baut Ammons ein Haus von einem Solo. Nach Jordans Solo folgen fünf Chorusse von Fours der Saxophonisten mit Taylor – Gitler: „Dig Jackie’s Birdlike growl in the fifth one“.
Das Stück „The Great Lie“ stammt von Cab Calloway und wird in schnellem Tempo gespielt. Ammons kannte es von seiner Zeit mit Woody Herman. Farmer soliert als erster, Jackie und Ammons folgen, am Ende gibt’s ein eher überflüssiges Conga-Solo von Candido. Überflüssig ist der auch im balladesken „Can’t We Be Friends“, wo sein Getrommel nicht gut mit Taylor und der Rhythmusgruppe verschmilzt, wie ich finde. Ammons spielt das Thema und das erste Solo, er liebkost die Melodie, schmückt sie aus, ist anfänglich in Pres-Stimmung, im Solo dann weniger. Farmer spielt mit Dämpfer und ganz wunderbarem Ton, ein äusserst ökonomisches Solo – wunderbar! Neben Miles war er damals bestimmt die frischeste Stimme an der Trompete! McLean folgt mit einem ungeduldigen, drängenden Solo, Jordan mit einem klaren, direkten, und dann bringt Ammons („you can depend on me“) das Stück zum Abschluss.
„Madhouse“ beginnt mit einer Art Fangen der Bläser, nach dem Thema hören wir erstmal ein paar Runden fours, dann spielen McLean, Farmer, Ammons und Jordan je einen Chorus, bevor erneut fours folgen… dann folgt ein ungewöhnlicher Chorus, in dem alle drei gemeinsam improvisieren – ein wilder, orgiastischer Höhepunkt (mit kontinuierlich nervendem Candido leider). Gitler: „For years Bob Weinstock has wanted this to happen on one of his recordings and here he finally was able to make it come off.“
McLean macht sich in diesem Umfeld auch besser als in seinenen eigenen Jam Sessions, seine dringlichen, ja oft brennenden Soli bringen eine eigene Facette in den Mix. Er sollte auch an den nächsten drei Ammons-Jams wieder beteiligt sein.

Am 13. Juli entstand sowohl das nächste Jam-Album von Gene Ammons als auch die Hälfte von McLeans zweitem Prestige-Album, beide mit Donald Byrd und derselben Rhythmusgruppe: Mal Waldron, Doug Watkins und Art Taylor.

Zum Jam mit Ammons fand sich auch Art Farmer wieder ein, wir haben also dieselbe Band plus Byrd, und dankenswerterweise ist Candido nicht mehr anwesend. Das trägt vorne den Titel „Hifi Jam Session“, ist aber besser bekannt als Jammin‘ with Gene (PR 7060) und so heisst auch das erste Stück, ein Blues von Ammons mit einer absteigenden Linie, die über einen swingenden halftime-Beat von Taylor/Watkins präsentiert wird, Waldron streut gechickt einzelne Akkorde ein. Ammons spielt das lange erste Solo, auch ihn hört man zwischen seinen Phrasen ab und zu stöhnen, seufzen. Es folgen Byrd, Farmer und McLean mit ihren Soli. Die anderen Bläser riffen jeweils in der Mitte der Soli für eine Weile, Ammons spielt sich gegen Ende in eine richtige kochende Intensität hinein, Taylor trommelt sparsam, gibt Ammons aber mit Fills und einem fetten Backbeat einen guten Boden. Der stürmt dann in einer doubletime Passage los, spielt mit Tönen, Farben, Flexionen… ein sehr schönes Solo! Der Übergang zu Farmer ist unschwer zu erkennen: Farmer ist der sparsame, der jeden Ton setzt, jede Linie zu planen scheint, während Byrd mehr drauflosspielt, lange Linien flicht. Farmer zeigt in der Mitte seines Solos aber mit einer Reihe von doubletime-Phrasen, dass er problemlos mit Byrd mithalten kann – sein wohldosiertes Spiel macht ihn für mich zum sehr viel spannender Trompeter. McLean setzt nach ziemlich genau neun Minuten ein, Watkins‘ Bass fällt am Übergang sehr auf, McLean baut in seinem Solo langsam Spannung auf, sein Ton hat Gewicht, seine Phrasierung ist etwas träge, alles passt sehr gut zusammen.
„We’ll Be Together Again“ wird zum Auftakt von Ammons über Rubato-Begleitung von Waldron und Watkins (arco) präsentiert, die Soli werden über ein schnelles Tempo gespielt, auf Ammons folgen Farmer, McLean, Byrd, Waldron, und zum Ende nochmal Ammons, der für die letzten acht Takte wieder ins langsame Tempo zurückkehrt.
Das dritte Stück des Albums heisst „No Really the Blues“ und stammt von Johnny Mandel. Auch dieses Stück kannte Ammons aus der Big Band von Woody Herman – in den späten 40ern war das dort eins seiner Features. Das Tempo ist schnell, die Solisten sind Byrd, McLean, Farmer, Ammons und Waldron, die Exchanges sind zuerst von Farmer, Byrd, McLean und Ammons und danach in derselben Reihenfolge wie die Soli.
McLean überzeugt in beiden schnellen Stücken, hält in „We’ll Be Together Again“ zwar einige Male inne und wirkt etwas unsicher, das hindert ihn aber nicht daran, am Ende ein gutes Solo zu spielen. In „Not Really the Blues“ spielt er ein süffiges, flüssiges Solo, hart am Beat, drängend, treibend, fast ohne Unterlass. Waldrons Soli sind sparsam und beruhen oft auf wenigen kleinen Motiven, die in der mittleren Lage variiert werden – gefällt mir sehr gut. Farmer punktet jedesmal gegenüber Byrd, der zwar mit Sicherheit einer der besten Techniker jener Zeit war und auch – in „härterer“ Umgebung, etwa auf dem Columbia-Album mit den Jazz Messengers – als wunderbar flüssig-lyrischer Solist rüberkommen konnte, aber gegen Farmers fantastisches Spiel kommt er schlecht an. Ammons bleibt am Ende allerdings der tollste Solist hier – er konnte immer und mit allen und hatte am Ende meist die Oberhand, so auch hier, mit überlegt aufgebauten Soli, die enorm intensiv werden können (in „Not Really…“ stöhnt und seufzt er zwischen seinen Phrasen und Taylor gibt ihm gewaltig Schub).
Doch weshalb konnte niemand den Schlagzeughocker von Art Taylor ölen? (Verschwörungstheorie: War etwa RVG schon damals halb taub?!)

Am selben Tag nahm McLean mit Byrd, Waldron, Watkins und Taylor auch die erste Hälfte seines Albums 4, 5 and 6 (PR 7048) auf. Neben Kenny Drews Original „Contours“ wurden die beiden Standards „Sentimental Journey“ (ein im modernen Jazz eigentlich nie gespieltes Stück, für das ich eine Schwäche habe) und „Why Was I Born?“ aufgenommen.
Die sentimentale Reise von McLean ist zwar stimmungsvoll aber wenig sentimental, Waldrons comping, Watkins‘ toller walking bass und Taylors Drums halten die Musik lebendig, McLean spielt darüber ein tolles Solo, in dem intensivere mit ruhigen Momenten abwechseln. Einige Male bricht er unvermittelt in Parker-Licks aus. Watkins kriegt einen seiner seltenen Solo-Spots sein riesiger Sound, seine sicher Intonation und seine swingende Phrasierung machen Spass – er ist das Gegenteil eines Blenders und genau darum mag ich ihn wohl so gerne. Es folgt Waldron, wie er sein Solo beginnt, das ist ganz klassisch, „Telegraphenstil“ hat man das genannt. McLean kehrt zurück und spielt ein zweites Solo, bevor er das bluesige Thema repetiert, über einen fetten Beat von Art Taylor.
Auch „Why Was I Born?“ präsentiert McLean im Quartett, das Tempo viel zu schnell für was eigentlich eine schöne Ballade wäre, bei McLean aber zu einer mittelschnellen Performance wird, bei der das thematische Material wenig mehr als ein Ausgangspunkt bildet.
Auf Drews „Contour“ stösst Donald Byrd zur Gruppe, in seinem Spiel hier wird der Einfluss Clifford Browns spürbar, was gemäss Ira Gitlers neuen Liner Notes für die „RVG Remasters“ CD (2007) damals ziemlich weit verbreitet war. Brownie war einen Monat vor diesen Sessions unter den bekannten tragischen Umständen viel zu früh verstorben. McLean soliert als erster, das Tempo ist lebendig, die Musik intensiver als in den beiden Standards. Byrds Solo gehört zu den schönsten auf diesen Sessions, er spielt weniger, lässt etwas mehr Raum, sein schöner Ton kommt noch besser zur Geltung.

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