Re: john lenwood "jackie" mclean

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vorgartencharles mingus: BLUES AND ROOTS (1959)
jimmy smith: PLAIN TALK / OPEN HOUSE (1960)

Dann spring ich hier mal ein… bin ja heute eh bei Mingus dran!

Für Blues and Roots brachte Mingus am 4. Februar 1959 eine grössere Band ins Studio, als er üblicherweise um sich scharte in jenen Jahren: vier Saxophone, zwei Posaunen, Piano und wie üblich Dannie Richmond am Schlagzeug. Die Saxophonisten waren: Jackie McLean & John Handy (Alt), Booker Ervin (Tenor) und Pepper Adams (Bari). An der Posaune waren zu Willie Dennis und Jimmy Knepper zu hören, am Piano Horace Parlan, der auf einem Stück („E’s Flat Ah’s Flat Too“, in zwei Takes erhalten) von Mal Waldron ersetzt wurde.
Knepper gehörte eben noch der Band Mingus‘ an, war aber zusammen mit Saxophonist Shafi Hadi kurz davor gefeuert worden, weil Mingus die beiden für seine Musik perfekt geeigneten Saxophonisten John Handy und Booker Ervin entdeckt hatte. Mit ihnen und dem Ersatzpianisten Richard Wyands (Parlan war konnte nicht am Konzert teilnehmen) hatte Mingus Mitte Januar in der Nonagon Art Gallery sein tolles Album „Mingus in Wonderland“ aufgenommen. Vor allem auf dem Stück „No Private Income Blues“ sind die beiden neuen Saxophonisten – es war für beide die erste Plattensession, zumindest gemäss Nat Hentoffs Liner Notes von 1959 – in eindrücklicher Spiellaune zu hören.
Knepper (und Hadi) blieben Mingus für erweiterte Ensembles im Studio aber noch eine Weile erhalten (mit Knepper gab’s dann mal die Zahn-Geschichte – Mingus schlug ihm einen derselben aus – wonach die beiden nie mehr ein Wort miteinander gewechselt hätten, Knepper tauchte aber 1971 wieder an Mingus-Seite auf für „Let My Children Hear Music“, spielte am Ende von Mingus‘ Leben auf den letzten drei Atlantic-Alben mit und gehörte nach dessen Tod auch zur Gruppe um Richmond, George Adams und Don Pullen, die die Flamme Mingus‘ am Leben erhielten).
Auch Willie Dennis gehörte zu den Musikern, auf die Mingus für Plattensessions zurückgriff, er war wie Mal Waldron ein alter Vertrauter schon aus den Debut-Zeiten. Parlan war der reguläre Pianist der Band, Dannie Richmond nun schon seit einigen Jahren der treueste Mann an Mingus‘ Seite und der perfekte Drummer für seine Musik, bereit und in der Lage, dem eruptiven Talent des Meisters in alle Verästelungen zu folgen, das Tempo flexibel und die Rhythmen vielfältig zu halten – ein unblaublich toller Drummer, der viel zu oft vergessen geht, weil er fast sein ganzes Leben an der Seite von Mingus zugebracht hat.

Mingus kam trotz der grossen Band fast ganz ohne ausgeschriebene Noten ins Studio zur Session. Jelly Roll Morton soll regelmässig so operiert haben wie Mingus hier und es ist umso passender, dass wir auch die erste Version (die „klassische“ wurde später im Jahr für Columbia eingespielt) seines Stückes „Mr. Jelly Roll“ hören.

My music is as varied as my feelings are, or the world is, and one composition or one kind of composition expresses only part or the total world of my music. In the notes for another album, I go into more detail as to why my pieces are so different from one another and don’t have one specific, unalleviated mood, sound or style. At a concert or night club I call tunes in an order that I feel is right for the particular situation and what I’m trying to say in that situation. Each composition builds from the previous one, and the succession of compositions creates the statement I’m trying to make at that moment. The greatness of jazz is that it is an art of the moment. It is so particularly through improvisation, but also, in my music, through the successive relation of one composition to another.
That record is unusual – it presents only one part of my musical world, the blues. A year ago, Nesuhi Ertegun suggested that I record an entire blues album in the style of Haitian Fight Song (in Atlantic LP 1260), because some people, particularly critics, were saying I didn’t swing enough. He wanted to give them a barrage of soul music: churchy, blues, swinging, earthy. I thought it over. I was born swinging and clapped my hands in church as a little boy, but I’ve grown up and I like to do things other than just swing. But blues can do more than just swing. So I agreed.
I decided to memorize the compositions and then phrase them on the piano part by part to the musicians. I wanted them to learn the music so it would be in their ears, rather than on paper, so they’d play the compositional parts with as much spontaneity and soul as they’d play a solo. And I decided to use a larger group to play in a big band form I’d like to hear that has as many lines going as there are musicians. I called musicians that I knew had great ears for playing and understanding my music.

~ Charles Mingus (as told to Diane Dorr-Dorynek [his then squeeze – gtw]), Liner Notes zu „Blues & Roots“, Atlantic 1305 (VÖ: März 1960)

E’s Flat Ah’s Flat Too – Mingus‘ Bass öffnet mit einer typisch jumpenden Figur, sein Sound gross wie ein Haus, sein Spiel flexibel und biegsam und so stark wie das keines anderen Bassisten. Das Stück baut sich mit jeder Wiederholung weiter auf, bei jedem Durchgang stossen neue Stimmen zu und werden drübergeschichtet, bis am Ende alles steht, mit den „cries“ der Altsaxophone. Zuerst enstand der erhaltene Alternate Take, der wohl abgelehnt wurde, weil das Tempo nicht fest und das Zusammenspiel ziemlich lose ist. Mingus‘ Bass hält die Musik dennoch zusammen. Waldron, Knepper, Dennis, McLean, Handy, Ervin, Adams und Richmond sind die Solisten.
Waldron spielt ein sehr reduziertes Solo, ist im Master Take aber deutlich besser. Knepper und Dennis sind nicht ganz einfach auseinanderzuhalten, beide spielen treibende, erzählende Soli. McLean wirkt hier leicht, nahe an Parker, seine Intonation ziemlich konventionell, seine Ideen nicht besonders toll. Handy wirkt dagegen sehr viel gefestigter in Sound, Ideen und Umsetzung, sein Solo ist ziemlich mitreissend und voller toller Momente. Ebenso Ervin, der schon in der zweiten Phrase seinen typischen „cry“ bringt, seine rhythmischen Devisen nutzt, etwa Phrasen aus Vierteln, die dann ausbrechen in schnelle Phrasen. Adams ist der Anker der Band, nicht nur in dieser Nummer – ganz so wie Harry Carney in der Band von Ellington. Auf dem fertigen Album war er bloss mit einem einzigen Solo vertreten, umso schöner, dass er hier im Alternate auch nochmal zu hören. Am Ende phasert das Stück aus, während Mingus herumschreit…
Im Master wird schnell klar, dass die Band jetzt in Fahrt ist, das Tempo ist fest, Adams Barisax trägt die „Pyramide“, die aufgebaut wird. Mingus brüllt noch mehr rum (Yeah, I know… Yeah I know, I know!), das Stimmengeflecht im Thema wirkt enorm dicht und dank dem festen Tempo sehr kohärent… dann öffnet sich alles für Waldrons Solo – und was für ein Solo! Ab ca. 1:32 ist er in der „Zone“, die kommenden Durchgänge sind unglaublich! Die totale Reduktion! Ervin folgt, weniger typisch aber sehr stark. Aber dann kommen auch die langgezogenen Töne, die nach oben gezogenen Phrasen… wunderbar! Dann folgt – überraschende Wahl – McLean am Altsax, er wirkt wesentlich konzentrierter dieses Mal, Mingus‘ Vertrauen hat sich jedenfalls gelohnt! Er stösst diese kleinen Schreie aus beim Atmen… Handy folgt, diesesmal ein ebenbürtiger Partner McLeans, vielleicht sogar leicht fahriger als im Alternate Take. Richmonds kurzes Solo führt zurück in die fertige Pyramide… sehr toll die Posaunen mit ihren „shakes“ und scheinbar endlosen Linien… dieses Mal erfolgt auch der Rückbau der Pyramide etwas geordneter, ohne der Kraft der Musik Abbruch zu tun. Eine klassische Mingus-Performance, die am Ende des Albums stand – als letztes Highlight. Es gibt allerdings im Outro einen hässlichen Edit (anscheinend waren bloss „Tensions“ und „My Jelly Roll Soul“ ohne Edits zu hören auf dem Album).

My Jelly Roll Soul – Eine Hommage an Jelly Roll Morton, den selbsternannten Erfinder des Jazz und eine klare Grösse in Mingus‘ Welt. Grossartig, wie der seinen Bass schnarren lässt, wie Richmond den Two-Beat interpretiert und füllt, wie die Bläser die klagende, absteigende Linie intonieren… und dann erst die Soli!
Im Alternate Take hören wir McLean als ersten – und jetzt ist er wach, lässt sich Zeit, arbeitet mit Pausen und bläst mit wunderschönem, satten Sound. Handy folgt, sein Ton flexibler, wärmer, reicher an Vibrato, während Mingus seine Begleitung intensiviert, rhythmische Spielchen treibt, rasch in einen schnellen 4/4 Walking Bass fällt, während Parlan und Richmond weiterstottern… Handys Solo fastert ein wenig aus, aber Knepper retten mit Lockerheit – er ist von den modernen Jazz-Posaunisten möglicherweise der wichtigste Erbe von Leuten wie Vic Dickenson und Dicky Wells. Dennis folgt mit einem relaxten Solo, in dem sich ein kleiner Dialog mit Richmond ergibt – übrigens waren beide Posaunisten auf dem Album auch nur je einmal solistisch zu hören. Parlan folgt in typisch bluesiger Weise, greift Dennis‘ reduzierte Phrasen auf, spinnt sie fort, mit starken Interjektionen seiner linken Hand. Für Ervins Solo hat Mingus sich die nächste rhythmische Idee ausgedacht – ein wenig Tango (der „spanish tinge“ kam auch von Jelly Roll)… wunderbar, wie die ganze Performance nicht nur von den starken Solisten lebt, sondern auch durch die Begleitung enorm gewinnt! Adams ist der nächste Solist, während Richmond einen fetten swingenden Beat trommelt, mittlerweile viel moderner als am Anfang. Mingus spielt zunächst eins seiner raren Soli, bevor er mit Richmond in den Dialog tritt und dann an diesen überreicht.
Im Master Take, der an zweitletzter Stelle des Albums stand (so geht es weiter, das dritte Stück der Session landete an vierter Stelle, das vierte an dritter, das fünfte an zweiter und mit dem sechsten und letzten begann das fertige Album), ist fast fünf Minuten kürzer und präsentiert weniger Solisten: Knepper, Parlan, McLean sowie das Duo Mingus/Richmond sind zu hören. Gerade wegen solcher Momente wie dem Solo von Booker Ervin ist ein solcher Alternate Take grossartig zu haben!
Im Master spricht Mingus schon im Thema mit, macht Zwischenrufe (Yes sir!). Wieder trägt Adams das Ensemble, die Melodie wird von den Altsaxophonen getragen, Kneppers Solo-Einstieg ist grossartig, Richmond trommelt Marsch-Rhyhtmen auf der Snare im ersten Chorus, im zweiten wird er aktiver, lässt mit der Bass-Drum ein paar heftige bombs fallen. Für Parlans Solo wechselt Mingus in einen fliessenden 4/4-Walking Bass, Richmond begleitet recht konventionell, nach einem Zitat von „When Lights Are Low“ geht er in double time über, was Parlan zu ein paar Spielchen nützt, die fast ein wenig an die Verschiebungen in Brubecks Soli erinnern, wenn er andere Metern über die Rhythmusgruppe legt. McLeans Solo ist wieder sehr toll, sein Ton satt, die Two-Beat Begleitung scheint ihm zu behagen. Mingus übernimmt, erst für ein Solo, dann für einen kurzen und prägnanten Dialog mit Richmond, bevor das Thema repetiert und das Stück zu Ende gebracht wird. Man höre wieder auf Adams grossartiges Spiel, solide wie ein Fels und beweglich wie eine Schlange!

Tensions – Wieder ist davon ein Alternate Take enthalten. Mingus öffnet ihn mit einem tollen, aggressiven Solo. Adams Barisax ist wieder der Anker der Band, die Saxophone und Posaunen spielen das Staccatto-Thema, während McLean frei drüber soliert, mit etwas dünnem aber nicht unbedingt schwachen Ton. Dann öffnet sich die fast kakophonische Klangwolke, Mingus‘ Bass übernimmt, sparsam von Parlan und rumpelnd von Richmond begleitet, mit Double Stops und diesem typischen Sound, wie ihn nur Mingus hinbrachte – grossartig! Booker Ervin ist der einzige andere Solist, die Rhythmusgruppe kickt ihn richtiggehend vorwärts, er lässt sich aber durch nichts und niemanden aus der Ruhe bringen, spielt mit seinem fetten Sound diese typische trägen Texas-Phrasen, aus denen er hie und da zu einem kurzen schnellen Lauf hervorbricht.
Das Thema besteht übrigens aus einer simplen 4-taktigen Phrase, die dritte, fünfte und siebente Wiederholung erweitern diese aber auf 6 Takte, die Soli werden aber über eine 16-taktige AABA-Form gespielt.
Der Master Take ist trotz des deutlich schnelleren Tempos über eine Minute länger, Mingus Bass-Intro weniger aggressiv. Das Stotterthema wirkt etwas präziser, wieder hämmert Parlan scheinbar völlig dissonante Töne aus dem Piano, während Adams in der Tiefe und McLean in der Höhe frei unter und über dem Ensemble kreisen. Mingus‘ Solo ist ist trotz der etwas zurückhaltenderen Stimmung grossartig. Solistisch hören wir von McLean (kurz und präzise), Ervin und Adams, wir steigen quasi von den leicht bitteren Gipfeln über die leeren und windigen Ebenen in die verworrenen Schluchten… bevor Parlans Piano wieder für Klarheit sorgt, mit einem reduzierten und sehr soul-vollen Solo. Richmond übernimmt als letzter Solist, dann wird das Ensemble wieder aufgebaut.

Moanin‘ – Pepper Adams beginnt das Stück unbegleitet am Barisax mit einer enorm eingängigen Linie. Wieder findet das Pyramidenprinzip Anwendung: Die Posaunen werden zweistimmig zugefügt, dann das Tenorsax, schliesslich das Piano und das Altsax von (ziemlich sicher) Jackie McLean. Die Changes dieser Komposition, die nachdem alle erst an Bord sind, weitergeht, gehören zu Mingus‘ bevorzugten und fanden auch in anderen Stücken Anwendung: „Eulogy for Rudy Williams“, „Jump Monk“, „Reincarnation of a Love Bird“ und auch „Pithecantropus Erectus“ beruhen auf ihnen. Die durchs Band tollen Soli stammen von McLean (wieder mit diesen kleinen Schreien zwischen den Phrasen), Pepper Adams und Booker Ervin. Letzterer beginnt unbegleitet, dann mit stop time, die schliesslich in ein rasantes Tempo übergeht, bevor dieses halbiert wird und Pepper Adams wieder seine Basslinie legt. Das abschliessende Thema mit seinem organisiert-dissonanten Stimmengewirr ist wieder bester Mingus, jeder Musiker hat seinen eigenen Part, das ganze Gewebe – an Ort und Stelle spontan einstudiert – ist endlos faszinierend!

Cryin‘ Blues – Booker Ervin öffnet mit einem weinenden Solo, die anderen Bläser gesellen sich kurz dazu, dann übernimmt Mingus mit einem Solo, in dem er „Blues in the Night“ und „Willow Weep for Me“ zitiert – und einmal mehr zeigt, dass er schlicht und einfach der beste aller Bassisten ist! Parlan spielt ein Piano-Solo voller kleiner Phrasen, die er variiert und repetiert, dabei soulige Akkorde einstreut – sehr toll! Abschliessend hören wir dann Jackie McLean mit der Band („Oh well, I’m goin‘ home, goin‘ home, goin‘ home – Everybody!“ schreit Mingus und singt und brüllt dann auch gleich noch eine Stimme im Outro), die Posaunen legen tiefe Bassnoten, Adams und Mingus spielen ein kleines Duett, bevor das kürzeste und einfachste Stück des Albums mit dem Ensemble zu Ende geht.

Wednesday Night Prayer Meeting – Mehr Soul geht nicht! „[T]he grandfather of all triple-meter gospel-soul-funk-jazz compositions“ nennt Andrew Homzy in seinen Notes zur Atlantic Box („Charles Mingus – Passions of a Man: The Complete Atlantic Recordings 1956-1961“, S. 40) das Stück. Zum ersten Mal eingespielt hat Mingus diese Komposition auf dem 1958er MGM-Album mit Langston Hughes, nach dieser Session im Februar tauchte es erneut am Konzert in Antibes 1960 auf und wurde 1978 noch einmal für Atlantic eingespielt.
Unglaublich, wie Mingus den Alternate Take öffnet, stotternd, groovend, springend, humpelnd und jubilierend. Parlan legt kleine funky Pianofiguren, Ervin soliert darüber von Anfang an, während die anderen Bläser eine Art Chor unter ihm bilden. Das Zusammenspiel ist dosiert lose und frei, dreckig wie es eben sein muss. McLean soliert als erster, momentane Unsicherheiten von Mingus/Richmond scheinen ihn wenig zu stören. Knepper folgt mit einem unglaublich soul-vollen Solo über den satten und jetzt geregelten Groove der Rhythmusgruppe, dann Handy, während Ervin anfangs ein wenig rifft. Dennis folgt und zeigt, dass auch er funky spielen kann – die anderen (allen voran wohl McLean? Oder Handy?) mischen sich zunehmend ein, die Temperatur steigt, und Parlan („yeah Horace!“) gelingt das Kunststück, sie weiter nach oben zu treiben. Mingus und seine linke Hand scheinen streckenweise zu verschmelzen. Die ganze Band gesellt sich dazu, die Stimmen fliegen im Raum umher, während Parlan Gospel-Akkorde hämmert. Dann kommt Ervin, über eine Art stop time Beat – unglaublich seine Phrasen, hier wechselt er von langen Tönen direkt in Schallgeschwindigkeit und das stets mit absoluter ryhthmischer Sicherheit. McLean gesellt sich dazu, Ervin dringt aber mit Lockerheit durch und bleibt die prägnanteste Stimme… dann folgt nochmal ein stop time, in dem die Performane leider abbricht (Mingus‘ unhörbarer Kommentar soll gemäss Homzy, S. 40, gelautet haben: „There’s too much shoutin'“!)
Der Master Take ist präziser, etwas strukturierter und geht schneller zur Sache. Handy, Dennis, Parlan, Ervin und Richmond sind die Solisten. Handys weicherer und satterer Ton passt hier in der Tat besser als McLean, er geht gegen Ende seines kurzen Solos ganz hoch. Dennis soliert ebenfalls sehr kurz, dann folgt Parlan, dessen Part hier etwas einfacher ist, weil die Musik noch nicht so lange kocht… er bringt einige Elemente aus seinem ersten Solo nochmal, die Bläser beginnen zu riffen, Mingus zu schreien (immer ein gutes Zeichen), Ervin übernimmt, die Rhythmusgruppe spielt zunächst weiter, Parlan hämmert seine Begleitung förmlich in die Tasten, Richmond lässt die Rhythmen fliegen. Dann folgt der stop time Chorus mit Händeklatschen und shouting der Band sowie dem Beat von Richmond. Und dann geht die Post wieder ab mit der vollen Rhythmusgruppe und wenig später den anderen Bläsern. Richmonds Solo greift den 6/8 Beat auf, spielt mit Motiven wie Parlan das vorgezeigt hat. Dann folgt zum Ende nochmal der Shout Chorus mit dem rollenden Piano und dem pumpenden Bass, bevor das ganze in einem kurzen amen-Finale ausklingt.

Und damit endet auch diese grossartige Session. Sehr, sehr schade, dass der unglaubliche Alternate Take von „Wednesday Night Prayer Meeting“ vorzeitig abbricht – bei allem Durcheinander (neben den Unsicherheiten von Mingus/Richmond in McLeans Solo gibt’s auch noch einen kurze Unklarheit bei Ervins Einstieg, anscheinend war nicht klar, ob man sofort mit dem stop time beginnen sollte oder nicht) ist das nämlich eine ganz grossartige Aufnahme, die in Sachen feeling den Master Take bei weitem übertrifft!

Und weil ich von Mingus, dem souligsten aller Soul Jazzer, heute einfach nicht genug kriegen kann, höre ich mir jetzt gleich noch „Oh Yeah“ an und verabschiede mich aus dem Mac-Thread. Ein Bericht zu den beiden JOS-Alben folgt dann morgen… dachte nicht, dass ich soviel Zeit (vier Durchgänge, die ersten drei aber ohne Alternate Takes) mit dem grossartigen „Blues & Roots“ verbringen würde!

We played down to earth and together and I think this music has a tremendous amount of life and emotion.

~ Charles Mingus (as told to Diane Dorr-Dorynek [his then squeeze – gtw]), Liner Notes zu „Blues & Roots“, Atlantic 1305 (VÖ: März 1960)

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