Re: Bill Evans

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nail75

Registriert seit: 16.10.2006

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gypsy tail windAber meine Ambivalenz gilt ja auch Evans gegenüber, ich finde den ganz frühen Evans (noch vor dem umjubelten Trio mit LaFaro) eigentlich klar am besten.

Du hast Bill Evans nicht verstanden! :lol:

vorgartensich eine jazzgeschichte ohne die bezugsgröße „bill-evans-klaviertrio“ vorzustellen, fällt mir jedenfalls schwer, auch angesichts der diversen musiker, die sich darauf bezogen haben und noch beziehen. dass sich evans danach kaum mehr entwickelt hat, mag ich ihm ebenfalls nicht vorwerfen, da sein konzept so elastisch ist – was zwischen den festen formen passiert, je nach besetzung, tagesform, an den ecken und enden eines sehr überschaubaren repertoires. mich erzieht das immer zum genauen hinhören – wenn ich durch diverse evans-trios durchrausche, so nebenher, hört sich alles gleich an. manchmal reicht aber der vergleich von nur zwei nardis-versionen, um eine neue welt zu entdecken. (ist jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben, ich weiß.)

Aber trifft den Kern exakt.

Ich mag ehrlich gesagt im Jahr 2014 nicht mehr darüber diskutieren, ob Bill Evans genial war oder eventuell nur herausragend. Er hat den Jazz geprägt wie nur ganz wenige Musiker des 20. Jahrhunderts und die Village Vanguard-Aufnahmen gehören eben zur besten Musik des 20. Jahrhunderts überhaupt. Wem das nicht gefällt – kein Problem, aber Bill Evans Leistung kann kein Gegenstand einer ernsthaften Debatte sein. Es gibt eben Präferenzen (redbeans mag Miles Davis nicht, ich kann Dexter Gordon nicht ausstehen), aber die sind dann letztlich auch egal.

gypsy tail windich glaube einfach nicht, dass die Musiker Bill Evans für so zentral nehmen, wie er vom Publikum (also auch Dir und mir) wohl wahrgenommen wird

Das steht doch in glattem Widerspruch zur Realität. Die ganzen Klaviertrios wären doch ohne Evans nicht vorstellbar! Edit: Ah, unten relativierst du diese Aussage komplett und behauptest das Gegenteil.

vorgartenich glaube, hier müssten andere mal widersprechen, nail oder atom, aber bei evans höre ich was anderes als voicings oder einflüsse, ich höre da immer eine komplexe, in furchtbar viel widersprüchen begriffene persönlichkeit. kaum eine musik kann so kalt und gleichzeitig so warm sein, so starr und so elastisch, so zurückhaltend und autoritär.

und was seine wichtigkeit für musiker angeht, denke ich natürlich an leute wie jarrett, mehldau, hersch, auch ein bisschen kikuchi, dann die vielen mediokeren in diesem bereich, aber dieser bereich ist von evans überhaupt erst scharfgestellt worden.

Das sehe und höre ich komplett genauso.

gypsy tail windWas Du sonst schreibst, diese Beobachtung über Wärme und Kälte: Ja! Das gehört gewiss zu dem, was die Faszination ausmacht. Neil Tesser endet seinen Textes über Evans im Booklet der ersten Ausgabe der Verve-Box treffend mit der Aussage, „in his art, Evans had no fear of revealing the man behind the beard.“

Und was will man denn mehr? Mehr kann man doch von einem Künstler nicht verlangen?

In diesem Sinne höre ich Evans durchaus aus grossen Sucher – aber im Gegensatz zu den ganz grossen Suchern tat er das eben nicht mit rundum geöffneten Fenstern, um bei Deinem Bild zu bleiben, sondern hatte quasi ein Territorium gefunden, auf dem er sich bewegte und das er beherrschte wie kein anderer.

Und das ist zu 100% legitim und schämlert seine Leistung nicht im geringsten.

Schon klar, dass er Legionen von Pianisten beeinflusst hat

Eben. Genau das war das Thema. Niemand hat behauptet, dass er keine Einflüsse hatte. Aber er hat etwas neues geschaffen, das es vorher nicht gab.

Bloss weil nail (sorry, mein Lieber! ) nie was von Al Haig oder Duke Jordan gehört hat,

Boahhhh….

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Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.